Hochwasser – wie sie entstehen und wie der Mensch sie beeinflusst
Hochwasser sind natürliche Ereignisse, sie treten regelmäßig auf und sind fester Bestandteil des Abflussgeschehens. Die Entstehung von Hochwasser hängt von der Stärke der Niederschläge, den Eigenschaften des Einzugsgebietes und vom Fluss ab. Der Mensch kann Hochwasser, ihren Verlauf und die Auswirkungen beeinflussen und verstärken.
Hochwasser in Bächen und Flüssen gibt es seit jeher. Sie sind fester Bestandteil des Abflussgeschehens und wichtiger Strukturgeber der Landschaft. Viele Lebewesen entlang der Flüsse und in den Flussauen sind an den Wechsel zwischen Überflutung und Austrocknung angepasst und auf die wechselnden Bedingungen und die vielfältigen Lebensräume angewiesen, die ein sich ständig ändernder Wasserstand hervorruft.
Wie Hochwasser entstehen
Hochwasser entstehen in Folge langanhaltender und großräumiger Niederschläge, kurzzeitigem und lokal begrenztem Starkregen oder im Winter und Frühjahr durch die Schneeschmelze. Trifft Regen auf die Erdoberfläche, versickert ein Teil im Boden und trägt zur Grundwasserneubildung bei. Ein weiterer Teil wird im Boden zwischengespeichert oder verdunstet und der Rest fließt über die Bodenoberfläche als Oberflächenabfluss in die Gewässer (Abbildung 1).
Wieviel Niederschlag versickert und wieviel an der Oberfläche abfließt, hängt von den Eigenschaften des Bodens, dem Versiegelungsgrad und der Topographie der Landschaft ab: Ist der Boden aufgrund von Niederschlägen mit Wasser gesättigt oder gefroren, fließt der größte Teil des Niederschlags auf der Bodenoberfläche ab. Auch die Bodenart, der Grad der Bodenverdichtung und der Bewuchs bestimmen, wieviel Wasser pro Zeiteinheit im Boden versickern kann. Steile Täler, begradigte, kanalisierte Gewässer und ein hoher Versiegelungsgrad des Bodens, wie er in vielen bebauten Gebieten anzutreffen ist, begünstigen einen schnellen Oberflächenabfluss.
Das Wasser der kleinen Flüsse lässt verzögert auch den Wasserstand in den großen Strömen steigen. Die Größe des Flussbetts bestimmt, welche Wassermenge das Gewässer aufnehmen kann, bevor es über die Ufer tritt. Je mehr Platz der Fluss zum Ausufern hat, desto langsamer fließt das Wasser ab – es wird in der Landschaft zurückgehalten: die Hochwasserwelle ist weniger steil.
Hochwasser werden vom Menschen verstärkt
Obwohl Hochwasser natürliche Ereignisse sind, beeinflusst der Mensch die Wahrscheinlichkeit für Hochwasser, dessen Verlauf und die Schäden, die es verursacht.
Der massive menschliche Eingriff in den Lauf von Gewässern
Neben den klimabedingten Veränderungen des Wasserhaushalts hat auch der massive Eingriff des Menschen in den Lauf von Bächen und Flüssen und in die Landschaft direkte Auswirkungen auf den Verlauf eines Hochwassers. Die meisten Fließgewässer in Deutschland wurden in der Vergangenheit begradigt, eingedeicht und gestaut, um Siedlungsraum oder landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen oder sie für die Schifffahrt oder Wasserkraft zu nutzen (Beispiel Rhein in Abbildung 2). So stehen heute weniger natürliche Überschwemmungsflächen zur Verfügung, auf denen sich das über die Ufer tretende Wasser ausbreiten kann. Auch die Flussläufe sind verkürzt worden. Dadurch hat die Fließgeschwindigkeit der Flüsse zugenommen. Der Abflussmengen vieler Zuflüsse konzentrieren sich schneller in einem Flussbett. Hochwasserwellen laufen deshalb heute schneller ab: In kürzerer Zeit wird mehr Wasser transportiert, die Hochwasserwelle ist steiler – die Pegelstände sind höher.
Veränderung der Landschaft durch Bebauung und Landwirtschaft
Die Landschaft in Deutschland ist stark zersiedelt und urbanisiert. Regenwasser kann teilweise nur noch zu einem geringen Teil lokal versickern. Der Wasserrückhalt in der Landschaft ist eingeschränkt oder findet gar nicht mehr statt. Um Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, wurden Feuchtgebiete trockengelegt und Böden durch die Anlage von Drainagen entwässert. Die intensiv betriebene Landwirtschaft und der Einsatz schwerer Landmaschinen führen zu einer Verdichtung des Bodens und in Folge zu einer schlechteren Wasserdurchlässigkeit. Auch der Bewuchs ist für den Wasserrückhalt in der Landschaft von Bedeutung: Eine ganzjährige Bodenbedeckung auf landwirtschaftlichen Flächen reduziert den Abfluss an der Bodenoberfläche; auf forstwirtschaftlich genutzten Flächen ist die Dichte des Waldes für den Wasserrückhalt im Gebiet ausschlaggebend.
Flächen für Siedlung und Verkehr wirken sich auf die Entstehung von Hochwasser aus, da diese einen besonders hohen Versiegelungsgrad aufweisen. Regenwasser kann gar nicht oder nur sehr eingeschränkt versickern und wird über die Kanalisation direkt in die Gewässer geleitet. Für Deutschland weist die amtliche Flächenstatistik zum Ende des Jahres 2018 51.315 Quadratkilometer (km²) Siedlungs- und Verkehrsflächen aus. Davon waren laut Umweltökonomischen Gesamtrechnungen der Länder etwa 45,1 % versiegelt. Bezogen auf die Gesamtfläche beträgt der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche 14,4 % und der Anteil der versiegelten Fläche 6,5 % - und täglich kommen 52 Hektar neue Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzu. Dies entspricht der Fläche von circa 73 Fußballfeldern (UBA 2021).
Die menschengemachte Erderhitzung
Die Erderhitzung führt dazu, dass sich der Wasserkreislauf intensiviert. Die Atmosphäre kann bei hohen Temperaturen viel Wasserdampf aufnehmen, bei niedrigen Temperaturen weniger. Pro Grad Erwärmung steigt die Aufnahmekapazität für Wasserdampf um etwa sieben Prozent. Mehr Wasserdampf in der Atmosphäre bedeutet mehr Niederschlag. In einem wärmeren Klima ist deshalb vor allem in den Sommermonaten mit einer Zunahme von Niederschlagextremen zu rechnen. Analysen über Landflächen weisen auf einen Anstieg der Häufigkeit und Intensität von Extremniederschlagsereignissen in den letzten Jahrzehnten hin. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch erheblich je nach Region und Jahreszeit (IPCC 2014).
Neben der Intensivierung des Wasserkreislaufs führt die Abschwächung des Temperaturgefälles zwischen Subtropen und der Arktis - die sich in den letzten Jahrzehnten dreimal so stark erwärmt wie der Rest der Erde - zu länger andauernden und sich regenerierenden Wetterlagen (ESKP). Dies kann sowohl zu länger anhaltenden Hitze- und Trockenperioden wie auch zu langanhaltendem Dauerregen führen. Wetterextreme hat es zwar immer gegeben, doch der Klimawandel verstärkt die Häufigkeit und Intensität solcher Extremereignisse.
Klimabedingte Veränderungen des Abflussgeschehens
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Flusshochwasser in Nordwest-Europa in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt aufgetreten sind. Gleichzeitig gingen Flusshochwasser in Südeuropa zurück, was auf geringere Niederschläge und eine stärkere Verdunstung zurückzuführen ist (Blöschl et al., 2019).
Die auf Grund der Erderhitzung zu erwartende Bandbreite von Änderungen des Abflussgeschehens kann auf Basis verschiedener Klimamodellprojektionen (sogenannte Ensembles) gegenüber einem Bezugszeitraum quantifiziert werden. Mithilfe von Wasserhaushaltsmodellen werden die Veränderungen der Wasserverfügbarkeit, sowohl für Trockenzeiten, als auch während Dauerregen bzw. kurzzeitige Starkregenereignissen berechnet. Die modelltechnische Umsetzung wird laufend verbessert und ist Gegenstand der Forschung. Modellvorhersagen (KWRA 2021) zu den jährlichen Hochwasserabflüssen (Kennwert: Mittleres jährliches Hochwasser MHQ) der großen Flüsse Deutschlands zeigen für (den Zeitraum 2031-2060) deutliche Unterschiede zwischen dem optimistischen (15.Perzentil des RCP8.5) und dem pessimistischen (85.Perzentil des RCP8.5) Fall auf (Abbildung 2). Ergeben sich im optimistischen Fall keine oder nur moderate Änderungen der Hochwasserabflüsse, so erfolgt im pessimistischen Fall eine deutliche Zunahme. Am Ende des Jahrhunderts (2071-2100) werden im optimistischen Fall vereinzelt moderate Zunahmen der Hochwasserabflüsse und im pessimistischen Fall allgemein erhöhte, teilweise deutlich erhöhte jährliche Hochwasserabflüsse projiziert (Abbildung 3).
Exkurs: Klimamodelle, Klimamodellprojektionen und Modellensembles
Mit Hilfe von Klimamodellprojektionen wird die Reaktion des Klimasystems auf unterschiedliche Treibhausgasemissionen abgeschätzt. Eine Bandbreite von Annahmen über die Menge und das Tempo zukünftiger Emissionen hilft Wissenschaftlern, verschiedene Emissionsszenarien zu entwickeln – sogenannte „relative concentration pathways“, kurz „RCPs“ - auf denen Klimamodellprojektionen basieren. Klimamodelle erlauben es, die wichtigsten Prozesse in unserem Klimasystem zu reproduzieren und für unterschiedliche plausible Zukunftsszenarien mögliche Klimaänderungen zu berechnen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer detailliertere Modelle des Klimasystems der Erde entwickelt. Jedes Klimamodell bildet dabei die Prozesse im Klimasystem unterschiedlich ab. Alle Klimamodelle zusammen werden als Modellensemble bezeichnet. Ein Modellensemble beschreibt die Bandbreite möglicher Klimaänderungen und hilft uns, deren Unsicherheiten zu verstehen (IPCC 2014).
Klimaprojektionen sind ausdrücklich keine Prognosen, da jede Modellsimulation künftiger Entwicklungen auf bestimmten Annahmen fußt. Diese Annahmen sind kaum vorhersagbar, weil sie durch die Menschen und ihr Verhalten beeinflusst werden (Deutsches Klimakonsortium).
Weiterführende Informationen zu Klimamodellprojektionen sowie Fakten zum Klimawandel finden Sie auf den Seiten des Umweltbundesamts (Klimamodelle und Szenarien und Klimawandel) und auch unter folgenden Links:
Neben den klimabedingten Veränderungen im Wasserhaushalt und dem menschlichen Eingriff in den Lauf von Gewässern steigen die Sachwerte in ehemaligen Auen und in Überschwemmungsgebieten an, was zu einem Anstieg der potenziellen Schäden beiträgt. Es wurden Wohngebäude, Industrieanlagen sowie Verkehrsinfrastruktur gebaut. Schäden durch Hochwasser entstehen vor allem dort, wo sich der Mensch in den ursprünglichen Überschwemmungsgebieten niedergelassen hat. Trifft ein Hochwasser auf eine Siedlung oder ein Industriegebiet, können sehr hohe Schäden entstehen – das Schadenspotenzial ist hoch.
Um die Gesellschaft vor den negativen Folgen von Hochwasser zu schützen, bedarf es eines umfassenden Risikomanagements, das die Vorsorge, die Hochwasserwarnung, die akute Gefahrenabwehr sowie die Nachsorge und Auswertung einschließt. Auf den folgenden Seiten können Sie sich zu den genannten Aspekten informieren:
IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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