45 Prozent der Böden in Europa haben durch intensive landwirtschaftliche Nutzung deutlich an organischer Substanz, also an Humus und Bodenlebewesen verloren. Das Bodenleben erstickt mehr und mehr infolge großflächiger Versiegelung unserer Böden durch Asphalt und Beton und ungebremster Flächen-Neuinanspruchnahme. So sind in Deutschland etwa 46 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt, das heißt bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt.
Deshalb fordern die Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU) sowie eine Vielzahl weiterer im Boden- und im Naturschutz tätiger Gremien, Einrichtungen und Verbände in einem gemeinsamen Positionspapier eine verstärkte Wahrnehmung der Bodenbiodiversität und ein entsprechendes Handeln in der Politik.
Vier Forderungen zeigen, wie die Vielfalt im und auf dem Boden geschützt und vor weiteren Verlusten bewahrt werden kann.
- Ein gemeinsames Handeln von Boden- und Naturschutz mit Land- und Fortwirtschaft sowie Wasserwirtschaft, welches durch die Politik unterstützt wird.
Hierzu bedarf es geeigneter Rahmenbedingungen innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und auf nationaler Ebene, welche die Biodiversität im Boden und somit den Boden als Lebensgrundlage auch für den Menschen verbessern. Dazu gehören u.a. ein Verbot des Grünlandumbruchs und die Förderung der Rückumwandlung von Acker in Dauergrünland an geeigneten Standorten, der Erhalt verbliebener und Förderungen neuer ökologischer Vorrangflächen unter der Prämisse der ökologischen Vielfalt auf mindestens zehn Prozent der Fläche sowie die gezielte Entwicklung des ökologischen Landbaus durch attraktive Fördermaßnahmen. - Die Berücksichtigung der Sustainable Development Goals (SDGs) der UN durch die EU in ihrer Bodenschutzstrategie und in einer bodenschützenden EU-Agrarpolitik.
Auf Insektenarten oder bestimmte Standorte wie Moore abzielende politische Programme sind unzureichend, Schutzziele und -strategien, vor allem in der Landwirtschaft, müssen an Nachhaltigkeit und Funktionalität ausgerichtet werden. - Ein stärkeres Bewusstsein der Politik für den Wert des Bodens als sensiblen und unverzichtbaren Lebensraum und als begrenzte Ressource.
Politische Maßnahmen müssen um Maßnahmen der Bildung, Kommunikation und Partizipation ergänzt werden. Diese sollten die Perspektiven unterschiedlicher Gruppen zusammenbringen, den Teilnehmenden eine informierte Meinungsbildung ermöglichen und möglichst konkrete Handlungsperspektiven eröffnen. - Referenzdaten für einen guten ökologischen Bodenzustand.
Bestehende Monitoring-Programme müssen hierzu dringend um bodenbiologische Erfassungen erweitert, stärker miteinander vernetzt und mit Blick auf die Funktionen der Bodenorganismen ausgewertet werden.
Unterzeichnende sind neben der KBU das Bundesamt für Naturschutz, die in Deutschland im Bodenschutz aktiven Fachverbände wie die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft und der Bundesverband Boden, der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.), der WWF Deutschland, die Zukunftsstiftung Landwirtschaft und das Museum Senckenberg für Naturkunde Görlitz.
Die Bedeutung des gemeinsamen Positionspapiers unterstreicht der vom Europäischen Rechnungshof Anfang Juni 2020 vorlegte Sonderbericht „Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen: Der Beitrag der GAP hat den Rückgang nicht gestoppt“. Er kommt zu dem Schluss, dass ein Großteil der Finanzierungen der GAP nur geringe positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hat. Die meisten Direktzahlungen tragen nicht zum Erhalt oder zur Verbesserung der biologischen Vielfalt von Agrarland bei.
Die Übernahme Deutschlands für die EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2020 eröffnet die Chance, den Schutz des Bodens und damit der Bodenbiodiversität stärker in den Fokus der politischen Arbeit auf europäischer Ebene zu rücken. Mit der im Mai 2020 von der Europäischen Kommission vorgelegten EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 ist ein erster Anfang gemacht. Grundsätzlich müssen Schutzziele und -strategien, vor allem in der Landwirtschaft, an Nachhaltigkeit und Funktionalität ausgerichtet werden. Der langfristige Erhalt des Bodenlebens und der Bodenfruchtbarkeit muss Vorrang vor kurzfristigen Produktivitätssteigerungen haben. Der Bodenschutz muss auch Ziel der EU-Agrarpolitik in der neuen Förderperiode, sowie des europäischen Green Deals und der „Vom Hof auf den Tisch-Strategie“ sein.