Deutschland im Klimawandel – Risiken und Handlungserfordernisse

Die Grafik zeigt vier zentrale Herausforderungen für die Klimaanpassung: Gradueller Temperaturanstieg und Meeresspiegelanstieg, Trockenheit und Niedrigwasser, Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser, Hitzezum Vergrößern anklicken
Vier zentrale Herausforderungen zur Anpassung an den Klimawandel in Deutschland
Quelle: Adelphi

Konsequenter Klimaschutz ist wichtig, um die Erderwärmung zu begrenzen und damit die Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen. Der IPCC beschreibt in seinem aktuellen Bericht die globalen Risiken und die Möglichkeiten zur Anpassung. Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes benennt für Deutschland die größten Klimarisiken, wie und wo wir uns dem Wandel am drängendsten anpassen müssen.

Inhaltsverzeichnis

Fragen, die uns in Deutschland und der Welt bewegen: Wie wirkt sich der ⁠Klimawandel⁠ auf die Natur, unseren Alltag, unsere Lebensgrundlagen, Gesundheit und Wirtschaft aus? Wo können wir durch Anpassung die Klimarisiken verringern? Und wo müssen wir dringend etwas tun?

Der ⁠IPCC⁠ antwortet: In allen Regionen der Welt hat der vom Menschen beeinflusste Klimawandel schon heute erhebliche negative Folgen für Ökosysteme und Gesellschaften. Extremereignisse wie Hitzewellen oder ⁠Starkregen⁠ und vielfach gleichzeitig auftretende ⁠Klimafolgen⁠ führen zu schwerwiegenden, teilweise irreversiblen oder kaskadenartigen Folgen. Ein weiter fortschreitender Klimawandel kann zu Folgen führen, die deutlich schwerwiegender wären, als die bisher beobachteten. Die Betroffenheit von Ökosystemen und Gesellschaften hängt vom Ausmaß des Klimawandels und von gesellschaftlichen Entwicklungen wie der ⁠Landnutzung⁠ ab. Aktivitäten zur Anpassung haben in den letzten Jahren weltweit zugenommen und einige negative Folgen des Klimawandels verringert. Dennoch gilt: Insgesamt müssen die Anpassungsaktivitäten gesteigert werden, um Klimarisiken wirksam und dauerhaft zu verringern. Sehr wichtig sind der Schutz und das Management von Ökosystemen: Verbunden mit Anpassungsmaßnahmen können hierdurch die Risiken für die biologische Vielfalt und damit auch für den Menschen verringert werden.

 

Klimarisikoanalyse für Deutschland untersucht über 100 Klimawirkungen und regionale Betroffenheiten

Für Deutschland liefert die Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) Antworten. Sie erscheint alle sechs Jahre. Die Ergebnisse der jüngsten Analyse wurden Mitte 2021 veröffentlicht und nun in einer Broschüre zusammengefasst, ergänzt mit den Schlussfolgerungen der Interministeriellen Arbeitsgruppe ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ der Bundesregierung. Bei der KWRA haben unter Federführung des Umweltbundesamt im Behördennetzwerk "Klimawandel und Anpassung" 25 Bundesbehörden aus neun Ministerien und ein wissenschaftliches Konsortium mitgewirkt. Insgesamt waren über 180 Personen daran beteiligt. Die Ergebnisse der Analyse gelten als wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der deutschen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. 

Die KWRA entwirft zwei Szenarien bis zum Jahr 2100. Ein pessimistischer Fall geht von einem starken weltweiten Klimawandel aus: plus 3 Grad Celsius zur Mitte des Jahrhunderts als Jahresmittelwert und gegenüber der frühindustriellen Zeit. Ein optimistischerer Fall beschreibt einen schwächeren Klimawandel mit einem Anstieg der Temperatur um 2 Grad Celsius weltweit. Beide Szenarien hätten gravierende Auswirkungen für Deutschland.

In der KWRA wurden mehr als 100 Wirkungen des Klimawandels in Deutschland und deren Wechselwirkungen untersucht. Unterteilt sind sie nach den Auswirkungen heute, zur Mitte und zum Ende des Jahrhunderts. Die leitenden Fragen waren: Welche Regionen und welche Lebensbereiche sind vom Klimawandel besonders betroffen? Wie können wir die Klimarisiken durch Anpassung reduzieren? Und wie lange haben wir noch Zeit um zu handeln?

Die Studie zeigt: Alle Lebewesen und Systeme in Deutschland sind vom Klimawandel betroffen, aber räumlich und zeitlich unterschiedlich. Bisher zeigt sich eine intensive Betroffenheit von Hitze, Trockenheit oder ⁠Starkregen⁠ in nur wenigen Regionen in Deutschland. Bei einem starken Klimawandel würden bis Mitte des Jahrhunderts sehr viel mehr Regionen damit konfrontiert sein. Die Leidtragenden sind zukünftige Generationen. Eine Hotspotanalyse hat gezeigt, dass sich bei einem weiter fortschreitenden Klimawandel im Westen und Süden Deutschlands das ⁠Klima⁠ relativ zu heute am stärksten verändern wird. Im Südwesten und Osten werden klimatische Extreme am häufigsten vorkommen. Die Flüsse und Flusstäler werden durch Folgen von wasserspezifischen Risiken, wie Niedrig- und Hochwasser, betroffen sein. In der zweiten Jahrhunderthälfte werden an der Küste die Gefahren aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels deutlich steigen. 

 

Keine guten Aussichten: Ende des Jahrhunderts kann ganz Deutschland ein Hotspot sein

Die natürlichen Systeme und Ressourcen, wie Wasser, Boden, Arten, Ökosysteme, sind vom ⁠Klimawandel⁠ besonders bedroht. Das hat Dominoeffekte etwa auf die Fischerei, die Land- und Forstwirtschaft sowie auf die menschliche Gesundheit. Die Studie sagt klar: Konsequenter ⁠Klimaschutz⁠ ist besonders wichtig. Zudem müssen die natürlichen Systeme von der von Menschen verursachten Verschmutzung und Übernutzung entlastet werden. Denn nur so können sie sich anpassen und Dominoeffekte verhindert werden. Das ist besonders herausfordernd, weil relativ wenige Anpassungspotenziale vorhanden sind und Grenzen der Anpassung schnell erreicht werden. Beispielsweise sind Ökosysteme wie in den Gebirgen und einzelne Arten an ein bestimmtes ⁠Klima⁠ und Umfeld angepasst und können nur langsam reagieren, teils zu langsam. Bereits zur Mitte des Jahrhunderts können die Klimarisiken erheblich sein, besonders wenn ein starker Klimawandel eintritt und keine Anpassungsmaßnahmen getroffen werden.

Die gute Nachricht: Es gibt in Deutschland (noch!) viele Anpassungsmöglichkeiten. Die Studie zeigt aber auch: Bei einem starken Klimawandel benötigen wir weitere, teils tiefgreifende Anpassungsmaßnahmen. Risiken durch den Klimawandel werden in Zukunft immer mehr Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfassen. Bei einem starken Klimawandel werden sehr viele Lebensbereiche in Deutschland von hohen Klimarisiken bedroht sein. Dann könnten die in Deutschland bereits eingeleiteten Maßnahmen oft nicht ausreichen. Die Studie benennt 31 Wirkungen des Klimawandels mit sehr dringendem Handlungsbedarf. Zentral sind die Klimarisiken infolge von Hitze auf die Gesundheit, von Trockenheit und Niedrigwasser auf wasserabhängige Systeme wie Ökosysteme, von ⁠Starkregen⁠ und Sturzfluten besonders für Infrastrukturen und Gebäude sowie die Auswirkungen der graduellen Erderwärmung etwa auf den Meeresspiegel an den Küsten oder in den Gebirgen. 

 

Die Botschaft ist klar: Nur wenn wir unverzüglich handeln können viele Maßnahmen rechtzeitig wirksam werden

In vielen Bereichen greifen bereits Anpassungsmaßnahmen oder sind geplant, beispielsweise Dachbegrünungen oder das Pflanzen von Stadtbäumen zur Kühlung der Städte. Es gibt eine gute Basis durch vorhandenes Wissen, aktive Netzwerke und gute Vorbilder. Eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen sind schon heute umsetzbar und können die Klimarisiken bis Mitte des Jahrhunderts für Deutschland wirksam mindern, wie die Humuswirtschaft und andere bodenschonende Landwirtschaftsformen. Doch bei einigen Klimawirkungen benötigen wir innovative, tiefgreifende Maßnahmen und verstärkte Forschung, wie wir beispielsweise unsere Städte zu Schwammstädten umbauen können. Besonders schnell sollte dort gehandelt werden, wo viele Kaskadeneffekte ausgelöst werden können, bereits heute hohe Klimarisiken bestehen oder wo hohe Klimarisiken erwartet werden, aber die Anpassung sehr viel Zeit benötigt, um wirksam zu werden. Allerdings besteht an vielen Stellen ein Umsetzungsdefizit und es muss mehr getan werden. Vor allem auf kommunaler Ebene fehlen finanzielle Mitteln, rechtliche Rahmenbedingungen und Akzeptanz, Klimaanpassungen voranzutreiben.

 

Die KWRA ist für viele Akteure, insbesondere für Entscheidungsträger im Bund, den Ländern und Kommunen, von Interesse.

Die Interministerielle Arbeitsgruppe ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ (IMA-A) weist daher alle Akteure auf die Grundsätze für zukünftiges Anpassungshandeln hin:

  1. Ambitionierten ⁠Klimaschutz⁠ als die zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel vorantreiben.
  2. Natürliche Systeme und Ressourcen von anthropogener Verschmutzung und Übernutzung entlasten, um deren Anpassungsfähigkeiten zu stärken.
  3. Risiken durch den Klimawandel bei zukunftsweisenden Entscheidungen berücksichtigen.
  4. Die Anpassung an den Klimawandel als Chance für ⁠Nachhaltigkeit⁠ und Krisenfestigkeit (⁠Resilienz⁠) nutzen.
  5. Anpassungsmaßnahmen angesichts des gestiegenen und weiterhin steigenden Handlungsdrucks verstärkt und zügig umsetzen.
  6. Die Anpassung an den Klimawandel entsprechend der Dringlichkeit der Handlungserfordernisse laut KWRA 2021 vorantreiben.

Es wird anerkannt, dass für eine verstärkte Umsetzung auf allen Ebenen ein verlässlicher finanzieller und gesetzlicher Rahmen geschaffen und entsprechende Kapazitäten bereitgestellt werden sollen.

Im Angesicht der aufgezeigten Risiken beschloss die IMA-A auch zukünftig die Anpassung an den Klimawandel in Deutschland gemeinsam weiterzuentwickeln, bekannte Anpassungsmaßnahmen umzusetzen und die Forschung zu weiteren, auch tiefgreifenden Maßnahmen zu verstärken. 

 

Autorin und Autor: Dr. Inke Schauser, Dr. Achim Daschkeit (Umweltbundesamt)

Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 77 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

 UBA-Erklärfilm "Klimawirkungs- und Risikoanalyse"
Quelle: KomPass/Umweltbundesamt

UBA-Erklärfilm "Klimawirkungs- und Risikoanalyse"

Hier finden Sie ein Text-Transkript des Videos im Sinne der Barrierefreiheit.

Teilen:
Artikel:
Drucken
Schlagworte:
 KomPass  KomPass-Newsletter  Anpassung an den Klimawandel  Klimaanpassung  Folgen des Klimawandels  IPCC  klimarisiken  Klimafolgen