Umweltpolitik sozialverträglich gestalten
Soziale Fragen gewinnen in der Umweltpolitik immer stärker an Bedeutung. Es besteht dringender Bedarf, die Umweltpolitik sozialverträglich zu gestalten und für mehr ökologische Gerechtigkeit zu sorgen.
Soziale Fragen gewinnen in der Umweltpolitik immer stärker an Bedeutung. Es besteht dringender Bedarf, die Umweltpolitik sozialverträglich zu gestalten und für mehr ökologische Gerechtigkeit zu sorgen.
Seit einigen Jahren gewinnt das Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit für die Gestaltung von Umweltpolitik zunehmend an Bedeutung. Viele Menschen befürchten, dass ambitionierte umwelt- und klimapolitische Maßnahmen zu großen finanziellen Belastungen führen. Die regelmäßigen Repräsentativumfragen von Bundesumweltministerium und UBA zum „Umweltbewusstsein in Deutschland” zeigen, dass solche Befürchtungen in Deutschland in allen soziokulturellen Milieus bestehen.
Eine ambitionierte Umwelt- und Klimapolitik bietet große Chancen, existierende soziale Ungleichheit zu verringern, wenn sie Umweltbelastungen und Klimawandelfolgen reduziert. Zahlreiche Studien zeigen, dass ärmere Menschen häufig in einer stärker belasteten Umwelt leben und auch häufiger von Klimawandelfolgen, etwa Hitzestress , betroffen sind. Daraus entstehen erhebliche gesundheitlich bedingte Folgekosten, die von der Gesamtgesellschaft getragen werden müssen.
Eine ambitionierte Umweltpolitik hat damit auf der einen Seite einen klaren volkswirtschaftlichen Nutzen. Auf der anderen Seite bedeutet dies auch, dass ärmere Bevölkerungsgruppen von einer anspruchsvollen Umweltpolitik überdurchschnittlich profitieren können.
Zunehmend werden Umweltschutzinstrumente erforderlich, die verursacherorientiert wirken. Diese Maßnahmen bringen Belastungen für private Haushalte mit sich, sofern sie darauf nicht mit Anpassungsverhalten und Anpassungsinvestitionen reagieren können. Das kann der Fall sein, weil ihnen die finanziellen Mittel für Investitionen fehlen, sie nicht über die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse verfügen oder ihnen das erforderliche Wissen fehlt.
Wenn Umweltpolitik die Kosten für zentrale Bedürfnisse wie Wohnen, Ernährung oder Mobilität erhöht, kann sie soziale Ungleichheit auch verschärfen und ihre politische Legitimation gefährden. Die Bürger*innen werden die Umwelt- und Klimapolitik nur unterstützen, wenn sie die Maßnahmen als nützlich und gerecht wahrnehmen und an ihrer Gestaltung teilhaben können.
Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag für eine sozialverträgliche Gestaltung von Umweltpolitik. Der aus umweltpolitischer Sicht langfristig effektivste Ansatz dafür ist eine zielgruppengenaue Stärkung der Handlungsspielräume privater Haushalte für nachhaltige Konsum- und Lebensweisen.
Dabei sollten ihre jeweiligen Handlungsbeschränkungen beachtet werden. So kann etwa ein geringes Einkommen den Handlungsspielraum für Investitionen in effiziente Geräte, die energetische Sanierung von Wohnraum oder den Heizungstausch massiv einschränken. Auch mangelnde Entscheidungsbefugnisse über Sanierungsmaßnahmen bei Mieter*innen verengen die Anpassungsspielräume der Haushalte.
Ebenso können fehlende Infrastrukturen den Umstieg auf weniger umweltschädliche Formen der Bedürfnisbefriedigung erschweren –etwa die mangelnde Verfügbarkeit attraktiver ÖPNV-Angebote im ländlichen Raum. Ein Mangel an oder widersprüchliche Informationen können ebenfalls die Handlungsfähigkeit einschränken. Das zeigt sich beispielhaft bei der Herausforderung, sich nicht nur gesundheitsförderlich, sondern auch ökologisch-nachhaltig zu ernähren.
Umweltpolitik sozialverträglich zu gestalten, heißt also, Verbraucher*innen Veränderungen zu ermöglichen. So sollte zum Beispiel auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Internalisierung externer Umweltkosten durch Umweltsteuern schrittweise erfolgen, so dass den Betroffenen ausreichend Zeit zur Anpassung bleibt. Ergänzend sind zielgruppengenaue Förderprogramme und bedarfsgenaue Beratung notwendig. Sie können Anpassungshemmnisse gezielt adressieren, Handlungsoptionen aufzeigen und somit unzumutbare Belastungen für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen vermeiden.
Aktuell besteht noch großer Forschungsbedarf, welche konkreten Unterstützungsmaßnahmen diese Herausforderungen effektiv adressieren können. Diese müssen spezifisch genug sein, um die zentralen „Lock-in“-Effekte zu adressieren, jene Hemmnisse also, die Haushalte strukturell in nicht-nachhaltigen Konsum- und Lebensweisen „gefangen“ halten.
Diese Anforderungen an die Gestaltung einer sozialverträglichen Umweltpolitik erfordern ein hohes Maß an Koordination und Kooperation zwischen gesellschaftlichen Akteuren. Der Austausch zwischen ökologischen und sozialen Akteuren kann hier Perspektivwechsel ermöglichen, um Spannungsfelder frühzeitig zu erkennen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. So ließe sich auch die gesellschaftliche Akzeptanz und die Wirksamkeit von Umweltpolitik erhöhen.