Konferenz „Sustainable Finance – Wissenschaft und Praxis“

in modernen Gebäuden spiegeln sich grüne Bäume in den Glasfassaden, oben ein blauer Himmel mit weißen Wolken
© zlikovec / AdobeStock

Fachkonferenz des Umweltbundesamtes am 09./10.03.2023 in München

Am 09./10.03.2023 fand die Konferenz "Sustainable Finance – Wissenschaft und Praxis" mit 100 Teilnehmenden im Holiday Inn Munich – City Centre in München statt. Das Umweltbundesamt lud, in Zusammenarbeit mit Invesco Real Estate, Vertreter*innen des privaten und öffentlichen Kapitalmarkts, der Politik, der Gesellschaft und der Wissenschaft zu einem Austausch ein.

Die Nachhaltigkeitstransformation im Finanzsystem auf den Weg bringen

Bereits seit Langem warnen Wissenschaftler*innen weltweit, dass die derzeitige Wirtschaftsweise ihre natürlichen Grundlagen zerstört. Weder die Realwirtschaft, noch die Finanzwirtschaft sind mit ihren aktuellen Geschäftstätigkeiten auf dem Weg in eine Welt, in der die globale Erwärmung auf maximal 2°C oder gar 1,5°C begrenzt bleibt. In der Transformation kommt dem Finanzsystem eine zentrale Rolle zu. Durch eine Risiko- und Wirkungssteuerung, die systematisch Nachhaltigkeitskriterien integriert, kann das Finanzsystem eine nachhaltigere Wirtschaftsweise effektiv anregen. Die entsprechenden Prozesse zu verändern, bleibt eine wichtige Aufgabe, so unterstrich die Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Sustainable Finance muss noch mehr in die ganze Breite des Finanzsystems getragen werden.“

Geführt wird dieser Wandel durch unterschiedliche regulatorische und betriebliche Entwicklungen. Die EU gibt mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), der Taxonomie und vielen weiteren Nachhaltigkeitsregulierungen einen gesetzlichen Rahmen vor. Umsetzen müssen diesen die Finanzmarktakteure, die hierbei durch die Wissenschaft und Politik unterstützt werden können. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, brachte es auf der Konferenz auf den Punkt: „Es müssen zwei Seiten ihre Hausaufgaben machen. Sie als Investoren und wir als Behörden und staatliche Organe.“ Beide Seiten sind aufgerufen, die Transformation anzustoßen, klug mitzugestalten und voranzubringen. Die Zusammenarbeit ist hier ein entscheidender Faktor, um in eine möglichst breite Marktabdeckung zu kommen. Die Sustainable Finance Plattform 2.0, die gerade damit beginnt, ihre Arbeit aufzunehmen und Umsetzungshinweise zu liefern, kann hier als Blaupause dienen. In Deutschland hat der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung als Multistakeholder-Gremium bereits einige Impulse geliefert und auch Investoren bilden Allianzen für den Wandel. Die Transformation ist bereits im Gange.

Die Transformation gestalten

„Mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen liegt Investoren nun ein Klassifizierungssystem vor, das in Richtung ⁠Nachhaltigkeit⁠ weist. Für Finanzakteure kann sie damit in Zukunft eine wichtige Orientierung geben“, die auch Investorin Anja Mikus, die Vorstandsvorsitzende und CIO des KENFO, begrüßt. Sie erläutert: „Die EU-Taxonomie ist eine vielversprechende Basis, um zukünftig eine Datengrundlage für nachhaltige Investitionen zu bekommen.“ Zurzeit sei diese für Steuerungszwecke im Portfoliomanagement noch nicht ausreichend, so Mikus weiter.

Im Blick behalten werden sollte hierbei, dass die Transformation global stattfinden muss. Am Beispiel der Gebäudesanierungen, für den heute bereits beträchtliche (wenngleich nicht ausreichende) Summen investiert werden, lässt sich dies exemplarisch festmachen. So verdeutlichte Kristina Haverkamp, Geschäftsführerin der Deutschen Energie-Agentur: „Der Großteil der Beiträge zur Gebäudesanierung wird in Industrieländern investiert; ein Großteil der Menschen lebt aber im globalen Süden.“ Die Transformation über die Grenzen Europas hinweg auszudehnen sollte im Blickfeld der politischen Verhandlungen bleiben. 

Die Diskussionen des Finanzsektors fokussieren sich bisher vor allem auf die Klimaziele, die die Wissenschaft am tiefsten durchdrungen hat. Gleichzeitig sind Finanzakteure in dieser Zielkategorie auch am weitesten fortgeschritten (wenngleich nicht am Ziel). Jedoch stellt es keine Option dar, bei den Klimazielen stehenzubleiben. Die Kreislaufwirtschaft muss umgesetzt, die Verschmutzung eingedämmt und ⁠Biodiversität⁠ sowie Wasserressourcen geschützt werden. Alle Ziele bedingen einander und stehen zueinander in Beziehung. Hier stehen Finanzpraktiker*innen zwar am Anfang, jedoch zeichnen sich neue Regulierungen schon heute ab und Transitionsrisiken sind relevant.

Alle Umweltziele berücksichtigen

Auf europäischer Ebene werden aktuell Berichtsstandards zu den vier Umweltzielen verhandelt und Best Practices diskutiert. So zeigten die Vorträge und das Panel zum Umweltziel Biodiversität auf, dass auf europäischer und nationaler Ebene bereits Grundlagen erarbeitet werden, auf die aufgebaut werden kann. Institutionen, wie die Europäische Umweltagentur, sammeln Daten, die verfügbar gemacht werden sollen. Ferner wird angesichts neuer Berichtspflichten an Indikatoren für ⁠Ökosystemleistungen⁠ gearbeitet, zu denen sich auf Finanzunternehmen zukünftig positionieren müssen. Unmittelbar verursachen diese Umstellungen Kosten und tragen auch noch nicht direkt zur Umstellung der Finanzströme bei. Auf Dauer können jedoch, volkswirtschaftlich betrachtet, erhebliche Kosten eingespart werden, die beim Verlust vieler Ökosystemdienstleistungen drohen.

Auch wenn konkrete Anwendungsfälle, wie zum Beispiel eine Feldhamsterpopulation, derzeit nicht mit unserem monetären Rahmen bewertet werden können, stellt der Verlust ganzer Tierarten ein nicht zu unterschätzendes Risiko für komplexe Ökosysteme dar. Ihre Verluste bedeuten finanzielle und physische Risiken für Unternehmen, die erheblich sein können. (Wie) Kann ein Unternehmen wegbrechende Ökosystemleistungen als Ganze adäquat ersetzen? Zusätzlich stellen sich speziell im Bereich Biodiversität auch normative Fragen: Sind wir als Menschen bereit, den Verlust von Tierarten und Ökosystemen vor unseren Kindern und Enkeln zu verantworten?

Mit konkreten Projekten den Wandel schaffen

Mit Pilotprojekten für eine nachhaltige Wirtschaft können wir dafür sorgen, dass Fragen wie diese weniger oft gestellt werden müssen. Pilotprojekten kommt für die Transformation eine herausragende Stellung zu. Sie zeichnen den konkreten Weg vor, den die Wirtschaft beschreiten muss, um die Umweltprobleme nicht entstehen zu lassen oder zu lösen. Im Bauwesen zählt hier insbesondere die Renovierung und Nachverdichtung, die dafür sorgen, dass weniger Materialien und Fläche verbraucht werden. Im Bereich Energie sind der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff relevant, welche große Wachstumschancen für die Zukunft bereithalten. Diese Projekte sind heute rentabel und weisen vor allem auch deutlich geringere Transitionsrisiken als ihre konventionellen Pendants auf.

Auch beim Umweltziel Biodiversität geben staatlich unterstützte Projekte die Richtung zu mehr Nachhaltigkeit vor. Diese sind unter Einbezug der Umweltkosten schon heute rentabel, generieren aber unter den gegenwärtigen Marktbedingungen noch keinen hinreichenden Cashflow. Unter Berücksichtigung künftiger Berichtspflichten sowie vor den Hintergrund der Transitionsrisiken sollten sich Finanzunternehmen schon heute mit ihren Unternehmensrisiken sowie den Wirkungen ihrer Finanzierungen im Bereich Biodiversität beschäftigen. Informationen zur Hilfestellung sowie Projekte zur Umsetzung beginnen bereits verfügbar zu werden.

Präsentationen, Dokumente und Links

Anbei stellen wir Ihnen zur Nachbereitung der Veranstaltung vom 09./10.03.2023 die gezeigten Präsentationen zur Verfügung.

Präsentationen

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