Bundespreis „Blauer Kompass“ sucht Klimaanpassungsprojekte

Grafik eines Kompass und und Schriftzug Blauer Kompasszum Vergrößern anklicken
Bundespreis Blauer Kompass
Quelle: UBA & BMUV

Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt zeichnen erneut die besten Projekte zur Klimavorsorge und -anpassung mit dem Bundespreis „Blauer Kompass“ 2024 aus. Es werden innovative, wirksame und nachhaltige Lösungen im Umgang mit dem Klimawandel gesucht. Für die Gewinnerinnen und Gewinner birgt der Bundespreis gleich mehrere Vorteile. Bewerbungen sind bis zum 22. März 2024 möglich.

Inhaltsverzeichnis

Am Vormittag des 24. Juni 2016 ruft Landrat Dr. Kai Zwicker im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen den Katastrophenalarm aus. Zuvor hatte es heftige Regenfälle gegeben – nun stehen Straßen unter Wasser, Keller sind vollgelaufen, Deiche drohen zu brechen. Und es ist bereits das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass es im Kreis Borken zu Überschwemmungen kommt. Den betroffenen Kommunen ist klar: Es muss etwas passieren. Denn aufgrund des Klimawandels steigt zunehmend die Gefahr von ⁠Starkregen⁠ und Hochwasser in Deutschland.

Neun Städte und Gemeinden im südlichen Teil des Kreises schließen sich daraufhin für das Klimaprojekt „Hochwasserallianz Bocholter Aa“ zusammen und entwickeln unter anderem ein Schutzkonzept für die Region rund um den Fluss und seine Zuläufe. Ein Warnsystem und naturnahe Lösungen, wie etwa die Schaffung von Überschwemmungsfläche durch artenreiche, breite Auenstrukturen, helfen seither nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei Starkregen. Das ebenso ambitionierte wie erfolgreiche Projekt wurde 2022 vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt mit dem Bundespreis „Blauer Kompass“ ausgezeichnet. Der „Blaue Kompass“ ist die höchste staatliche Auszeichnung in Deutschland, die im Rahmen eines Wettbewerbs für Projekte zur Vorsorge und Anpassung an die Folgen des Klimawandels vergeben wird.

„Die Auszeichnung hat in gewisser Weise auch unsere Sichtweise auf die eigene Tätigkeit verändert“, sagt Rouven Boland von der Stabsstelle Abteilung ⁠Klimaschutz⁠ und ⁠Klimafolgenanpassung⁠ im Kreis Borken. „Hier im Münsterland neigen wir doch zur Bescheidenheit und haben daher die Projekte im Rahmen der Hochwasserallianz und auch die Zusammenarbeit mit und unter den Kommunen als normalen Teil unserer täglichen Arbeit angesehen. Daher war bereits die Nominierung ein starkes Motivationssignal und die nachfolgende Auszeichnung natürlich noch einmal umso mehr.“ Durch den Bundeswettbewerb sei die landesweite Aufmerksamkeit für die „Hochwasserallianz Bocholter Aa“ gestiegen, es habe mehrere Anfragen an den Kreis dazu gegeben. „Auch von der Politik wurde die Auszeichnung äußerst positiv wahrgenommen.“

 

Bundespreis „Blauer Kompass“ zeichnet innovative Lösungen zur Klimaanpassung aus

Und genau das ist auch das Ziel des „Blauen Kompass“: Innovative, wirksame und nachhaltige Lösungen für die Klimavorsorge und -anpassung noch stärker in der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Die Klimakrise und ihre Folgen betreffen uns ganz unmittelbar – nicht irgendwann, sondern jetzt und hier“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke. „Wir alle stehen gemeinsam in der Verantwortung, deren Ausmaß und Folgen zu begrenzen.“ Wirksame Klimavorsorge gelinge nur im Schulterschluss von Staat und Gesellschaft. „Mit dem Bundespreis „Blauer Kompass“ möchten wir deshalb die vielen hervorragenden Projekte zur Klimaanpassung sichtbar machen, mit denen vor Ort in Kommunen, bei Unternehmen und durch die Zivilgesellschaft den Folgen der Klimakrise begegnet wird.“

Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro je Preisträger oder Preisträgerin dotiert. Zusätzlich erhalten die Gewinner und Gewinnerinnen Unterstützung bei der regionalen und bundesweiten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem werden zu allen ausgezeichneten Projekten Kurzfilme produziert, die im Anschluss für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden können. Verliehen wird der Bundespreis „Blauer Kompass“ in vier Kategorien:

  • Kommunen
  • private und kommunale Unternehmen
  • Forschungs- und Bildungseinrichtungen
  • Verbände, Vereine und Stiftungen
 

Auszeichnung 2022 bringt dem Verein MIYA mehr Aufmerksamkeit

In der vergangenen Wettbewerbsrunde des „Blauen Kompass“ hatten sich 240 Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Vereine, Verbände, Stiftungen und Kommunen beworben. Aus ihnen wählte eine hochrangig besetzte Jury die vier besten Projekte aus, unter anderem das EnergieBauZentrum aus Hamburg sowie den Freundeskreis Technisches Denkmal Brikettfabrik Louise e.V. aus der Lausitz. Ein weiteres der prämierten Projekte aus dem Jahr 2022 ist der Verein MIYA, der mithilfe von kleinen Wäldern Bildungsangebote zur Klimaanpassung schafft. Mit Kindern und anderen freiwilligen Helfern werden dabei Bäume auf kleinen Flächen gepflanzt. Diese sogenannten Tiny Forests können dann als eine Art grünes Klassenzimmer genutzt werden, in dem die Kinder die Entwicklung des Ökosystems Wald miterleben können.

„Die Auszeichnung hat uns natürlich mehr in die Öffentlichkeit gerückt“, sagt MIYA-Geschäftsführer Stefan Scharfe. „Vor allem in den Tagen nach der Auszeichnung gab es viele Anfragen aus verschiedenen Richtungen an uns.“ Zudem könne der Verein auch gegenüber potenziellen Kunden oder Partnern und Partnerinnen die Auszeichnung kommunizieren und dadurch seine fachliche Kompetenz hervorheben. „Und zuletzt war selbstverständlich auch das Preisgeld sehr wertvoll für uns, da wir uns ja zu der Zeit noch in einer Aufbau- und Orientierungsphase befanden und 25.000 Euro eine Menge Geld waren.“

Inzwischen ist der Verein MIYA kräftig gewachsen: „Wir haben seit unserer Gründung 2021 über 20 Projekte in ganz Deutschland umsetzen können“, sagt Scharfe. „Die Resonanz zu unserer Arbeit ist enorm hoch, das Team ist auf fünf Kernmitarbeitende und viele Projektmanager und Projektmanagerinnen herangewachsen und die Auftragslage ist sehr gut.“ Gemeinsam mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und internationalen Kooperationspartnern werden die Tiny Forests erforscht. Der Verein hat nach eigenen Angaben unter anderem ein Bildungskonzept für Schulklassen entwickelt und sein Leistungsspektrum auf Waldgärten erweitert.

 

Projekt „Hof Tolle“ gewinnt durch „Blauen Kompass“ an Glaubwürdigkeit

Dass der „Blaue Kompass“ Initiativen stärken und voranbringen kann, hat auch Nils Tolle erlebt, der ebenfalls im Jahr 2022 mit dem Projekt „Hof Tolle“ gewonnen hat: „Wir haben dadurch an Glaubwürdigkeit und auch eine gewisse Kompetenzzuschreibung gewonnen“, sagt der Landwirt und Klimaschutzmanager. „Durch den Preis konnten wir noch deutlicher machen: Das, was wir tun, hat Hand und Fuß.“

Entstanden ist das Projekt „Hof Tolle“ durch die damalige Masterarbeit von Nils Tolle an der Uni Hohenheim. Er setzte sich darin mit der Frage auseinander, wie sich landwirtschaftliche Betriebe gut an den ⁠Klimawandel⁠ anpassen können – und wie sie überhaupt definieren können, woran genau sie sich anpassen müssen. Denn wie sich der Klimawandel regional und ganz spezifisch auf die verschiedenen Betriebe auswirkt, lässt sich nur bedingt vorhersehen: „Unsicherheit ist beim Klimawandel ein bestimmender Faktor“, sagt Tolle.

Tolle kreierte einen Plan mit mehreren Stufen, mit dessen Hilfe landwirtschaftliche Betriebe eine individuell auf sie angepasste Klimastrategie entwerfen können. Momentan entwickeln Tolle und seine Mitstreitenden Workshops, die sich an Beratungsstellen im Bereich der Landwirtschaft richten. „Wir würden gerne auch direkt zu den Höfen gehen, aber das ist zeitlich und ökonomisch für die Betriebe so nicht zu stemmen“, sagt der Landwirt und Klimaschutzmanager. Tolles langfristiges Ziel ist es, noch stärker in der Praxis anzukommen. „Es wäre schön, wenn wir ein Netzwerk mit 10 bis 15 Betrieben aufbauen können, auf denen wir die Methode umsetzen und gemeinsam weiterentwickeln können.“ Denn es sei höchste Zeit, dass sich die Betriebe auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. „Wir müssten spätestens jetzt anfangen.“

 

Neue Runde für den Bundespreis „Blauen Kompass“ – Bewerbungsschluss 22. März 2024

In der diesjährigen Wettbewerbsrunde für den „Blauen Kompass“ können noch bis zum 22. März Projekte und Maßnahmen zur Vorsorge und Anpassung an die Folgen des Klimawandels eingereicht werden. Bewerbungen können online unter www.uba.de/blauerkompass eingereicht werden. Fragen rund um die Bewerbung beantwortet das Wettbewerbsbüro co2online (blauerkompass [at] co2online [dot] de). Unterstützung bei der Bewerbung erhalten Sie auch im Rahmen eines Spotlights des Zentrums KlimaAnpassung, das am 28. Februar 2024 stattfindet.

Die eingegangenen Bewerbungen werden entlang der sechs Kriterien guter Praxis der Anpassung des Umweltbundesamtes bewertet. Neben der Wirksamkeit, der finanziellen Tragbarkeit und der ⁠Nachhaltigkeit⁠ geht es dabei beispielsweise auch um die Frage nach positiven Nebeneffekten und der Flexibilität des Projekts.

Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt werden mit Unterstützung des Institutes für ökologische Wirtschaftsforschung und dem Wettbewerbsbüro co2online im Mai 2024 insgesamt zwanzig Projekte für den Preis nominieren. Eine Expertenjury des Bundesumweltministeriums, des Umweltbundesamtes, der kommunalen Spitzenverbände sowie Vertreter und Vertreterinnen aus den Bereichen der Wirtschaft, Forschung und Klimakommunikation wählt anschließend aus den nominierten Projekten Ende Juni 2024 je einen Gewinner oder eine Gewinnerin pro Kategorie. Zudem wird über ein Online-Voting auf der Tatenbank des Umweltbundesamts ab dem 28. Mai 2024 ein Community-Preis vergeben. Die Sieger und Siegerinnen des Bundespreises „Blauer Kompass“ werden am 19. September 2024 während der Woche der Klimaanpassung im Bundesumweltministerium in Berlin im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung öffentlichkeitswirksam ausgezeichnet.

 

Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter ⁠Klimafolgen⁠ und Anpassung Nr. 88 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.