Der Norden und Nordosten Deutschlands tragen durch die hohen Ausbaumengen insbesondere der Windenergie besonders dazu bei, dass Deutschland seinem Ziel näherkommt, die Stromerzeugung komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Deren Ausbau führt zu einem hohen Ausbaubedarf des Stromnetzes in diesen Regionen. Stromkund*innen in diesen Regionen müssen somit besonders hohe Netzentgelte zahlen. Mit einer Festlegung der Bundesnetzagentur vom August 2024 wird ab dem Jahr 2025 ein teilweiser Ausgleich erreicht.
Welche Entlastung bringt die Festlegung der Bundesnetzagentur vom August 2024?
Der Haushaltsstrompreis besteht zu etwa einem Drittel aus Netzentgelten. Diese untergliedern sich weiter in Übertragungsnetzentgelte (vier Übertragungsnetzbetreiber, Kostenanteil ca. 30 %) und Verteilnetzentgelte (866 Verteilnetzbetreiber, Kostenanteil ca. 70 %). Während der Anteil der Übertragungsnetzentgelte seit 2023 bereits bundesweit einheitlich ist, führt die hohe Spannweite bei den Verteilnetzentgelten dort bislang tendenziell zu hohen Strombezugskosten, wo die Verteilnetzkosten, mitverursacht durch den Ausbau erneuerbarer Energien, hoch sind.
Die Festlegung der Bundesnetzagentur ermöglicht einen teilweisen Ausgleich überdurchschnittlich hoher Netzkosten in einigen Verteilnetzgebieten. Diese Kosten werden in Form einer Umlage auf alle Stromkunden gewälzt. Für das erste Anwendungsjahr 2025 prognostizieren die Netzbetreiber einen Wälzungsbetrag von 2,4 Milliarden Euro. Für Haushaltskund*innen (außerhalb der entlasteten Verteilnetzgebiete) resultiert daraus eine Kostensteigerung um ca. 1,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh), was bei einem Durchschnittsverbrauch von 3.500 kWh rund 42 Euro/Jahr entspricht. Umgekehrt beträgt die Entlastung bei gleichem Jahresverbrauch in den entlasteten Verteilnetzgebieten circa 200 Euro/Jahr.
Welche zusätzlichen Reformoptionen empfiehlt die Kurzstudie im Auftrag des UBA?
Die Festlegung der Bundesnetzagentur trägt zu einer sachgerechten Verteilung der Stromnetzkosten bei; eine umfassendere Netzentgeltreform sollte sich jedoch anschließen. Für eine solche Reform haben das Öko-Institut und die Stiftung Umweltenergierecht im Auftrag des UBA verschiedene Optionen zur Weiterentwicklung der Netzentgeltstruktur hinsichtlich ihrer Eignung und rechtlichen Umsetzbarkeit bewertet.
Im Ergebnis der Kurzstudie steht die Empfehlung des Öko-Instituts, bundeseinheitliche Netzentgelte anzustreben. Diese beheben regionale Netzentgeltunterschiede und können dadurch die politische Diskussion um die ungerechte Lastenverteilung der Netzkosten entschärfen. Bestehende Gegenargumente werden analysiert und größtenteils entkräftet. Die Stiftung Umweltenergierecht erörtert darauf aufbauen, dass bundeseinheitliche Netzentgelte auch rechtlich umsetzbar sind. Angesichts der bereits einheitlichen Übertragungsnetzentgelte wäre die Übertragung auf die Verteilnetze ein nächster logischer Schritt. Besonders Verbraucher*innen in ländlichen Regionen mit hohen Netzentgelten, die einen großen Beitrag zur Energiewende leisten, würden dadurch entlastet.
Darüber hinaus skizziert die Kurzstudie einen eigenen Reformvorschlag transformationsgekoppelter Netzentgelte. Dabei würden die Verteilnetzentgelte an den Beitrag von Regionen beziehungsweise von Verteilnetzgebieten zur Energiewende gekoppelt. Verteilnetzentgelte würden dort geringer ausfallen, wo mehr erneuerbare Energien ausgebaut werden. Regionen mit einem geringen Ausbau würden hingegen die netzbezogenen Kosten der Energiewende durch höhere Netzentgelte finanzieren.
Dieser Ansatz ginge sowohl über die abfedernde Wirkung (aktuelle Festlegung der Bundesnetzagentur) als auch über eine bundeseinheitliche Angleichung der Netzentgelte hinaus. Angesichts des Ziels einer treibhausgasneutralen Stromversorgung könnte er als gerechtere Lastenteilung empfunden werden: In Regionen, die durch hohen Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) einen besonders hohen Beitrag leisten, sind die Netzentgelte und Strompreise für Verbraucher*innen besonders niedrig. Regionen mit wenig EE-Ausbau profitieren dennoch von dessen strompreissenkenden Effekten, tragen aber anteilig höhere Kosten für den Netzausbau.
Die Forschenden stellen allerdings fest, dass die Umsetzung dieses Modells komplex und rechtlich schwer umsetzbar ist. Hintergrund ist vor allem die adäquate Ableitung beziehungsweise die Grundlage für den Transformationsbeitrag eines Netzgebietes. Die kostensenkende Wirkung einer zusätzlichen EE-Anlage bliebe für die Stromkund*innen unklar; zudem gibt es für eine finanzielle Beteiligung von Bürger*innen auch Instrumente außerhalb der Netzentgelte. Der Ansatz transformationsgekoppelter Netzentgelte trägt gleichwohl dazu bei, die Diskussion zu konkretisieren und einer nachhaltigen und gerechten Lösung näherzukommen.