Rohstoffproduktivität

Die Rohstoffproduktivität stieg in Deutschland zwischen 1994 und 2020 um rund 74 Prozent. Ziel des „Deutschen Ressourceneffizienzprogramms“ (ProgRess) war es, die Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994 zu verdoppeln. Dieses Ziel wurde deutlich verfehlt. Seit der Veröffentlichung von ProgRess III im Jahr 2020 wird der weitentwickelte Indikator „Gesamtrohstoffproduktivität“ abgebildet.

Inhaltsverzeichnis

 

Entwicklung der Rohstoffproduktivität

Die Rohstoffproduktivität in Deutschland stieg laut Daten des Statistischen Bundesamtes von 1994 bis 2020 um 73,6 %. Der abiotische Direkte Materialeinsatz sank in diesem Zeitraum um 21,6 %. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im selben Zeitraum um 36,0 % (siehe Abb. „Rohstoffproduktivität“). Das Jahr 2020 war allerdings durch die Lockdowns der Corona-Pandemie und damit verbundener geringerer wirtschaftlicher Aktivität und Nachfrage nach Rohstoffen geprägt.

Die Rohstoffproduktivität stieg in diesem Zeitraum nicht stetig. Drei Beispiele:

  • Die Rohstoffproduktivität nahm zwischen den Jahren 2008 und 2009 um ca. 4 % zu. In dieser Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise verringerten sich sowohl das BIP als auch der abiotische Direkte Materialeinsatz. Da der Materialeinsatz stärker sank als das BIP, stieg die Rohstoffproduktivität. Der Hauptgrund dafür waren die gesunkenen Einfuhren.
  • Vom Jahr 2010 auf das Jahr 2011 sank die Rohstoffproduktivität um rund 3,6 %. Der Grund dafür war, dass in diesem Zeitraum der Anstieg des Materialeinsatzes das wirtschaftliche Wachstum überkompensierte.
  • Von 2011 bis 2019 (vor-Corona-Jahr) ist die Rohstoffproduktivität wieder um knapp 28 % angestiegen: Das BIP stieg um etwa 15 %, der Materialeinsatz sank um ca. 5 %.

Insgesamt entwickelte sich die Rohstoffproduktivität in die angestrebte Richtung. Allerdings wurde seit dem Jahr 1994 das ursprünglich gesetzte Ziel des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess) nicht realisiert: eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität bis 2020. 

Diagramm: Das Bruttoinlandsprodukt stieg in den Jahren 1994 bis 2020 preisbereinigt um 36 Prozent. Im gleichen Zeitraum sanken die Einfuhren und die eingesetzten heimischen Rohstoffe um 21.6 Prozent, die Rohstoffproduktivität stieg infolgedessen um 73,6 Prozent.
Rohstoffproduktivität
Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
 

Indikator "Rohstoffproduktivität"

Der ⁠Indikator⁠ „Rohstoffproduktivität“ drückt aus, wie effizient abiotische Primärmaterialien in Deutschland eingesetzt wurden, um das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu erwirtschaften. Die Bundesregierung hat mit dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm ursprünglich das Ziel vorgegeben, die Rohstoffproduktivität bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1994 zu verdoppeln. Mit der Verabschiedung des dritten Deutschen Ressourceneffizienzprogramms im Jahre 2020 wurde der Indikator durch die „Gesamtrohstoffproduktivität“ als zentraler Indikator weiterentwickelt (s. unten).

Um die Rohstoffproduktivität zu ermitteln, wird ein Quotient gebildet (siehe Schaubild „Stoffstromindikatoren“): Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird mit den in Deutschland eingesetzten abiotischen Materialien in Beziehung gesetzt. Die abiotischen Materialien umfassen inländische Rohstoffentnahmen und importierte Materialien (abiotischer Direkter Materialeinsatz, siehe auch ⁠DMI⁠ im Schaubild „Stoffstromindikatoren“). Die Rohstoffproduktivität erlaubt eine erste Trendaussage zur Effizienz der Rohstoffnutzung in unserer Wirtschaft über einen langen Zeitraum.

Das Schaubild stellt die Zusammenhänge und Unterschiede zwischen den verschiedenen Stoffstromindikatoren dar.
Schaubild: Stoffstromindikatoren
Quelle: Umweltbundesamt
 

Die Basis des Indikators „Rohstoffproduktivität“: der abiotische Direkte Materialeinsatz

Zur Berechnung der Rohstoffproduktivität wird der ⁠Indikator⁠ „abiotischer Direkter Materialeinsatz“ verwendet. Der zugrundeliegende Indikator „Direkter Materialeinsatz“ wird im Englischen als „Direct Material Input“ (⁠DMI⁠) bezeichnet.

Der abiotische Direkte Materialeinsatz ermöglicht es, Umfang und Charakteristik der nicht-erneuerbaren Materialnutzung in einer Volkswirtschaft aus der Perspektive der Produktion darzustellen. Er berücksichtigt inländische Entnahmen von nicht-erneuerbaren Primärrohstoffen aus der Natur. Weiterhin sind alle eingeführten abiotischen Rohstoffe, ⁠Halbwaren⁠ und Fertigwaren mit ihrem Eigengewicht Bestandteil des Indikators.

Der Direkte Materialeinsatz ist zentraler Bestandteil volkswirtschaftlicher Materialflussrechnungen.

 

Entwicklung des abiotischen Direkten Materialeinsatzes

Für die Deutung der Rohstoffproduktivität und deren Verlauf ist die Entwicklung des abiotischen Direkten Materialeinsatzes wichtig. Im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 nutzte die deutsche Wirtschaft 1.203 Millionen Tonnen (Mio. t) nicht-erneuerbarer Materialien. Das waren knapp 21 % weniger als im Jahr 1994.

Im Jahr 2011 stieg der abiotische Direkte Materialeinsatz vorübergehend recht stark auf 1.322 Mio. t an. Dies war vor allem auf eine konjunkturbedingte Steigerung der inländischen Entnahme von mineralischen Baurohstoffen und weiter steigende Importe von Energieträgern und Metallerzeugnissen zurückzuführen. 2020 sank der Materialeinsatz wieder auf 1.187 Mio. t. Damit beträgt das Minus im Jahr 2020 gegenüber 1994 knapp 22 %. Im Jahr 2021 stieg der Direkte Materialeinsatz aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Aktivitäten mit 1.217 Mio. t. wieder an (siehe Abb. „Entwicklung des abiotischen Direkten Materialeinsatzes“).

Diagramm: Die deutsche Gesellschaft benötigte im Jahr 2021 insgesamt 1,22 Milliarden Tonnen an Einfuhren und heimischen nicht erneuerbaren Rohstoffen. Im Jahr 1994 waren es mit 1,52 Milliarden Tonnen etwa 20 Prozent mehr.
Entwicklung des abiotischen Direkten Materialeinsatzes
Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
 

Komponenten des abiotischen Direkten Materialeinsatzes

Das Statistische Bundesamt schlüsselt die Komponenten auf, aus denen sich der abiotische Direkte Materialeinsatz zusammensetzt. In den Jahren von 1994 bis 2021 gab es Veränderungen bei der Entnahme inländischer abiotischer Rohstoffe und der Einfuhr abiotischer Güter: Während die Entnahme von abiotischen Rohstoffen im Inland zwischen 1994 und 2021 um 395 Millionen Tonnen (– 35 %) zurückgegangen ist, stieg die Einfuhr von nicht-erneuerbaren Rohstoffen sowie Halb- und Fertigwaren um 97 Mio. t an (+ 25%). Der Anteil der importierten Güter am gesamten nicht-erneuerbaren Primärmaterialeinsatz erhöhte sich damit von 26 % im Jahre 1994 auf 40 % im Jahre 2021.

Betrachtet man die Entwicklung der verschiedenen Rohstoffarten zwischen 1994 und 2021 genauer, fallen folgende Entwicklungen auf (siehe Abb. „Entnahme abiotischer Rohstoffe und Einfuhr abiotischer Güter“):

  • Die inländische Gewinnung von sonstigen Mineralien wie z.B. mineralischen Baurohstoffen sank um 30 % oder 250 Millionen Tonnen (Mio. t).
  • Die Gewinnung von Energieträgern im Inland nahm um 52 % (145 Mio. t) ab. Darin spiegelt sich der Rückgang der Braunkohle- und Steinkohleförderung wider. Im Gegenzug wurden rund 77 Mio. t (33 %) mehr an Energieträgern und deren Erzeugnissen eingeführt.
  • Auch die Importe von Erzen und ihren Erzeugnissen stiegen deutlich um 42 % (37 Mio. t) an. Dabei handelt es sich überwiegend um Metallwaren.
    Diagramm: Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 250 Mio. t weniger sonstige Mineralien wir z.B. Baurohstoffe entnommen als im Jahr 1994 und auch 145 Mio. t weniger Energieträger wie Kohle und Gas. Die Einfuhr von Energieträgern stieg hingegen um 77 und die von Erzen und Metallwaren um 37 Mio. t.
    Entnahme abiotischer Rohstoffe und Einfuhr abiotischer Güter
    Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
     

    Erfassung der indirekten Importe

    Der abiotische Direkte Materialeinsatz berücksichtigt zwar die direkten, aber nicht die sogenannten „indirekten Materialströme“ der Einfuhren. Dazu gehören Rohstoffe, die im Ausland zur Erzeugung der importierten Güter genutzt wurden. Diese sind in den von der Handelsstatistik erfassten Mengen nicht enthalten.

    Der ⁠Indikator⁠ Rohstoffproduktivität kann daher einen vermeintlichen Produktivitätsfortschritt vorspiegeln, wenn im Inland entnommene oder importierte Rohstoffe durch die Einfuhr bereits weiter verarbeiteter Produkte ersetzt werden.

    Das ist durchaus realistisch: So nahmen zwischen den Jahren 1994 und 2021 die Einfuhren an überwiegend abiotischen Fertigwaren um 116 % deutlich stärker zu, als die von ⁠Halbwaren⁠. Deren Importe gingen sogar leicht zurück. Die von Rohstoffen erhöhten sich um 17 % (siehe Abb. „Abiotische Importe nach Deutschland nach Verarbeitungsgrad“). Bei Halbwaren handelt es sich um bereits be- oder verarbeitete Rohstoffe, die im Regelfall weiterer Be- oder Verarbeitung bedürfen, bevor sie als Fertigwaren benutzbar sind. Hierzu zählen beispielsweise Rohmetalle, mineralische Baustoffe wie Zement oder Schnittholz.

    Die starken Anstiege der Fertigwaren gelten gleichermaßen für metallische Güter wie auch für Produkte aus fossilen Energieträgern, etwa Kunststoffe. Mit dem zunehmenden Import von Fertigwaren werden rohstoffintensive Herstellungsprozesse mitsamt den meist erheblichen Umwelteinwirkungen der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung verstärkt ins Ausland verlagert.

    Diagramm: Die Einfuhr an Fertigwaren hat sich seit 1994 um 116 Prozent gesteigert. Der Anstieg der Rohstoff- und Halbzeugimporte lag im gleichen Zeitraum nur bei 17 Prozent beziehungsweise ging leicht zurück.
    Abiotische Importe nach Deutschland nach Verarbeitungsgrad
    Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
     

    Ergänzung des Indikators „Rohstoffproduktivität“ um indirekte Importe

    Der Verlagerungseffekt der Rohstoffnutzung ins Ausland lässt sich durch die Umrechnung der Importe in ⁠Rohstoffäquivalente⁠ abbilden – wie etwa beim ⁠Indikator„Rohstoffverbrauch“ (engl. „Raw Material Input“, ⁠RMI⁠). Der Indikator berücksichtigt ergänzend zum direkten Materialeinsatz auch Importgüter mit den Massen an Rohstoffen, die im Ausland zu deren Herstellung erforderlich waren (siehe „Schaubild Stoffstromindikatoren“). Diese werden in der Fachsprache als „indirekte Importe“ bezeichnet. Der RMI stellt also eine Vergleichbarkeit zwischen den Einfuhren und inländischen Entnahmen her, indem der Primärrohstoffverbrauch im In- und Ausland gleichermaßen abgebildet wird.

    Für eine Einschätzung, wie viele Rohstoffe eine Volkswirtschaft verwendet, macht es einen Unterschied, ob indirekte Stoffströme berücksichtigt werden oder nicht. Zwischen den Jahren 2010 und 2021 stieg die Summe aus abiotischer Rohstoffentnahme sowie direkten und indirekten Importen (RMIabiot) um mehr als 6 %. Der ⁠DMIabiot, der die indirekten Importe nicht berücksichtigt, sank im selben Zeitraum jedoch um knapp 2 % (siehe Abb. „Rohstoffproduktivität“).

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    Bedeutung der Biomasse nimmt zu

    Der abiotische Direkte Materialeinsatz bei der Berechnung der Rohstoffproduktivität für das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm erfasst nur nicht-erneuerbare Rohstoffe. Das bedeutet, dass ⁠Biomasse⁠ bei der Berechnung ausgeklammert wird. Doch die Bedeutung von Biomasse für die Rohstoffnutzung steigt, denn durch Biomasse können knapper werdende fossile und mineralische Rohstoffe ersetzt werden.

    Sowohl der Anbau biotischer Rohstoffe als auch ihre Verarbeitung und Nutzung sind mit erheblichen Umwelteinwirkungen verbunden. Weiterhin sind die nachhaltig zu bewirtschaftenden Anbauflächen begrenzt. Deshalb ist es von wachsender Bedeutung, biotische Rohstoffe in die Berechnungen der Materialindikatoren zur Rohstoffproduktivität einfließen zu lassen.

     

    Ein erweiterter Produktivitätsindikator: die Gesamtrohstoffproduktivität

    Mit Verabschiedung des 2. Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess II) und der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wurde dem ⁠Indikator⁠ „Rohstoffproduktivität“ eine weitere Produktivitätsgröße an die Seite gestellt: die „Gesamtrohstoffproduktivität“ (siehe Abb. „Gesamtrohstoffproduktivität“). Diese Größe beinhaltet – anders als der bisherige Indikator – neben den abiotischen auch die biotischen Rohstoffe und berücksichtigt nicht nur die Tonnage der importierten Güter, sondern den gesamten damit verbundenen ⁠Primärrohstoffeinsatz⁠ (⁠Rohstoffäquivalente⁠). Die ⁠Gesamtrohstoffproduktivität⁠ wird seit Veröffentlichung des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms III ausschließlich berichtet.

    Zwischen den Jahren 2010 und 2030 soll der Wert jährlich im Durchschnitt um 1,6 % wachsen. Von 2010 bis 2021 nahm die Gesamtrohstoffproduktivität um 15 % zu. Das durchschnittliche Wachstum lag demnach bei etwa 1,3 % pro Jahr und damit unterhalb des Ziels der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.

    Der Indikator wird hier ausführlich vorgestellt.

    Ein Diagramm zeigt die Gesamtrohstoffproduktivität sowie den „Primärrohstoffeinsatz“ und die Summe aus Bruttoinlandsprodukt und Wert der Importe zwischen 2010 und 2021 (2010 = 100).
    Gesamtrohstoffproduktivität
    Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
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