UN-Klima-Sondergipfel: UBA-Mitarbeiter Frank Wolke im Interview

Wehende Flaggen in einer Reihe von vorn nach hinten: Badische Flagge, Frankreich, Europa und Schweiz vor einem blauen Himmelzum Vergrößern anklicken
Die Herausforderung des globalen Klimawandels können wir nur gemeinsam bewältigen.
Quelle: CC Vision

Für September 2014 lud der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, die Staats- und Regierungschefs zum Klima-Sondergipfel nach New York. UBA-Mitarbeiter Frank Wolke war im Rahmen der Klimawoche mit dabei und berichtet.

Frank Wolke ist Leiter des Fachgebietes für internationale Klimaschutzprojekte in der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt. Hier ist er unter anderem für die Erteilung von Zustimmungen zu Klimaschutzprojekten zuständig, die nach den flexiblen Marktmechnismen „Clean Development Mechanism“ (CDM) und „Joint Implementation“ (JI) des Kyoto-Protokolls durchgeführt werden. Diese erlauben es Industrieländern, ihre Kyoto-Klimaschutzverpflichtungen neben der Treibhausgasminderung im eigenen Land ergänzend auch durch Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern beziehungsweise in anderen Industrieländern zu erfüllen. In der Woche vom 22. bis 27.September 2014 war Frank Wolke für das ⁠UBA⁠ beim ⁠UN⁠-Klimagipfel und der dafür arrangierten Klimawoche in New York dabei.

Herr Wolke, was war Ihre Rolle auf dem UN-Klimagipfel?

Rund um den Klimagipfel hat die UN in New York zu einer ganzen Woche mit Veranstaltungen, Workshops und Podiumsdiskussionen zum Thema ⁠Klimaschutz⁠ aufgerufen. Ich habe auf verschiedenen Veranstaltungen und bilateralen Treffen die Rolle von Klimaschutzprojekten nach dem CDM im gegenwärtigen und in einem künftigen Klimaschutzabkommen dargestellt. Der CDM ist bisher sehr erfolgreich gewesen: Er hat weltweit Investitionen von rund 315 Milliarden US-Dollar in Klimaschutzprojekte mobilisiert und bislang Emissionsminderungen von etwa 1,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten erbracht. In New York ging es für mich darum, die Vorteile dieses Instrumentes, aber auch den Verbesserungsbedarf mit Blick auf dessen künftige Rolle im Klimaschutz mit relevanten Interessensgruppen auszuloten.

Wie haben Sie persönlich das Gipfeltreffen erlebt?

Die Woche in New York war geprägt von vielfältigen Aktivitäten und hat dadurch die Bedeutung des Klimaschutzes sicherlich gesteigert. Beeindruckend war nicht zuletzt der Klimaschutzmarsch in New York und vielen anderen Städten weltweit. Das hat gezeigt, wie sensibel mittlerweile viele Menschen für die Probleme einer globalen Erwärmung sind.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse?

Zunächst ist festzuhalten, dass allseits das Ziel bekräftigt wurde, die  globale Erwärmung auf 2 °C zu begrenzen. Darüber hinaus sind wichtige Signale von verschiedenen Staaten gesetzt worden, schon bis 2020 die Ambitionen im Klimaschutz zu erhöhen. Dazu gehört beispielsweise die für New York veröffentlichte Erklärung einer neuen Initiative zum Waldschutz, mit der bis 2020 der Verlust von Waldflächen halbiert und bis 2030 die Abholzung von Wäldern generell gestoppt werden soll. Auch haben sich viele Staaten und Unternehmen in New York zum Prinzip einer Bepreisung von CO2-Emissionen bekannt. Sie haben erklärt, eine Koalition der Weltbank unterstützen zu wollen, mit der entsprechende Maßnahmen, beispielsweise die Entwicklung von Emissionshandels- oder CO2-Steuer-Systemen, umgesetzt werden sollen. Dem Ausstoß von Treibhausgasen einen Preis zuzuordnen, ist meines Erachtens ein richtiger Ansatz für kosteneffizienten Klimaschutz. Die EU geht diesen Weg bereits seit 2005. International ist der Handel mit Gutschriften aus CDM-Projekten ebenfalls ein erfolgreicher Ansatz zur Verminderung von Emissionen in Entwicklungsländern.

Kann man insgesamt mit dem Ergebnis des Gipfels zufrieden sein?

Meines Erachtens war es wichtig, dass Ban Ki-moon vor den anstehenden Klimaschutzverhandlungen im Dezember 2014 in Lima und vor allem Ende 2015 in Paris die entscheidenden Akteure der Staaten zusammengerufen hat, um sie noch einmal an die Dringlichkeit eines anspruchsvollen Klimaschutzabkommens für die Zeit ab 2020 zu erinnern. Natürlich sind klare Emissionsminderungsziele längst überfällig, aber deren Fehlen kann man nicht diesem Gipfel vorwerfen. Vielmehr müssen sie im Verhandlungsprozess unter der Klimarahmenkonvention herausgearbeitet werden. Weil dieser Prozess langsam ist, hat Ban Ki-moon ja die Notwendigkeit erkannt, neue Dynamik von außen zu entfalten, um bis Ende 2015 ein neues Klimaschutzabkommen beschließen zu können.

Welche Länder hatten ehrgeizige Klimaschutzziele im Angebot und welche tun sich bisher noch schwer?

In Anbetracht der Tatsache, dass der Gipfel in New York nicht Teil des eigentlichen Verhandlungsprozesses gewesen ist, wurden erwartungsgemäß keine verbindlichen Ziele von den Staaten genannt. Dies steht nach dem Fahrplan der Klimaverhandlungen erst Anfang 2015 an. Daher hatte auch die EU noch kein verbindliches Angebot nach New York mitgebracht. Gleichwohl setzen sich mehrere Mitgliedsstaaten, allen voran die deutsche Umweltministerin, für ein EU-Ziel von mindestens 40 Prozent Emissionsminderung bis 2030 ein. Darüber hinaus gab es vielversprechende Signale zu einem neuen Klimaschutzabkommen mit Minderungszielen, gerade auch aus Staaten wie den USA oder China.

Kann auf so einem Gipfel noch erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet werden oder fallen die Entscheidungen nicht schon vorab in den einzelnen Staaten?

Ein solcher Gipfel führt zwar nicht unmittelbar zu Entscheidungen. Er sensibilisiert aber für die drängenden Fragen des Klimaschutzes gerade auch bei Politikerinnen und Politikern. Der Klimaschutzmarsch machte hierbei sicherlich Eindruck. Auch der fachliche Austausch auf den verschiedensten Foren der Klimawoche zeigt den Akteuren Möglichkeiten und Koalitionen für die künftigen Verhandlungen auf.

Was war die Rolle Deutschlands auf dem Gipfel?

Als eine der bedeutendsten Wirtschaftsnationen hört die Staatengemeinschaft sicherlich genau hin, was von Deutschland angekündigt wird. Ich persönlich habe besonders viel Interesse für die deutsche Energiewende erlebt. Länder wie Südafrika, die vor allem Kohle nutzen, schauen genau hin, wie eine Transformation des Energiesektors erfolgreich durchgeführt werden kann.

Haben sich die Industriestaaten ihrer Verantwortung gestellt? Erhalten die Entwicklungsländer die nötige Hilfe, um sich einerseits klimafreundlich weiterzuentwickeln und andererseits an die Folgen des Klimawandels anzupassen?

Auf dem Klimagipfel in New York gab es wichtige Signale zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer. Nachdem Deutschland bereits im Juli 2014 im Rahmen der Petersberger Klimadialoge die Bereitstellung von 1 Milliarde US-Dollar für den UN-Klimafonds GCF bis Ende dieses Jahres angekündigt hatte, sind in New York weitere Staaten diesem Beispiel gefolgt. So hat beispielsweise Frankreich den gleichen Betrag angekündigt und Südkorea wird sich mit 100 Millionen US-Dollar an dem Klimafonds beteiligen. Das sind ermutigende Zeichen, auch wenn die angekündigten Gelder erst ein Anfang zur Auffüllung des Fonds auf die von der internationalen Staatengemeinschaft versprochenen 100 Milliarden US-Dollar bis 2020 sein können.

Was muss bis zu den Klimaverhandlungen Ende 2015 in Paris noch geschehen? Wie geht es weiter?

Der nächste Schritt für einen erfolgreichen Abschluss der Klimaverhandlungen bis zum Treffen in Paris ist sicherlich die Entscheidung über die Modalitäten neuer Minderungsziele in Lima, damit dann tatsächlich Anfang 2015 die Staaten ihre konkreten Minderungsziele verkünden. Dazu gehört auch, dass die EU sich ein ambitioniertes Minderungsziel von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 setzt. Allerdings ist damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. So hat das UBA bereits früher darauf hingewiesen, dass eine weitere Erhöhung dieses EU-Zieles bei flankierender Nutzung von Marktmechanismen wie dem CDM förderlich wäre.

Sehen Sie die Weltgemeinschaft auf einem guten Weg, um das Ziel zu erreichen, die Klimaerwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen?

Dieses Ziel ist sicherlich noch machbar. Allerdings dürfen dazu die ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen nicht mehr lange weiter steigen. Vielmehr muss alsbald die Gesamtmenge an Emissionen rückläufig werden. Wichtig ist ferner, dass die Unterscheidung von Zielen nach Industrie- und Entwicklungsländern aufgehoben wird zugunsten eines allumfassenden Systems an Minderungsambitionen. Aufstrebende Wirtschaftsnationen haben hier genauso ihren Anteil zu erbringen wie hergebrachte Industrienationen.

Was ist, wenn die Klimapolitik scheitert? Und gibt es überhaupt Druckmittel, wenn einzelne Länder ihren Beitrag nicht leisten wollen?

Die Zeichen aus New York stimmen mich eigentlich zuversichtlich, dass wir kein erneutes Scheitern der Verhandlungen wie damals 2009 in Kopenhagen erleben werden. Eine starke Dynamik in den Verhandlungen heute ist sicherlich die Erkenntnis vieler Staaten, dass Klimaschutz letztlich in ihrem eigenen wirtschaftlichem Interesse liegt. Daher werden auch Länder wie China langfristig nicht an einer Abkopplung der Emissionen von der Produktivität herumkommen. Ich denke, in Kopenhagen 2009 war diese Erkenntnis so noch nicht allseits präsent. Das eigene wirtschaftliche Interesse ist ein enormes Druckmittel.

Was kann das UBA als wissenschaftliche Behörde und Berater der Bundesregierung zu einer erfolgreichen Klimapolitik beitragen? Welche Aktivitäten sind bis zu den Klimaverhandlungen Ende 2015 in Paris geplant?

Das UBA kann wissenschaftlich fundierte Wege in eine kohlenstoffarme Wirtschafts- und Lebensweise aufzeigen. Das kann  Politikerinnen und Politikern den nötigen Mut zu ambitionierten Klimaschutzzielen geben. Im Frühjahr 2014 etwa hat das UBA mit einer Studie gezeigt, dass ein treibhausgasneutrales Deutschland machbar ist. Auch die erfolgreiche Umsetzung von marktbezogenen Klimaschutzinstrumenten wie dem Emissionshandel und dem CDM durch das UBA trägt dazu bei, Vertrauen in solche Instrumente aufzubauen. Im Rahmen des Begleitprogramms der Klimaverhandlungen präsentiert das UBA regelmäßig eigene Forschungsergebnisse. So wird es beispielsweise in Lima eine Veranstaltung des UBA zu Emissionsminderungspotenzialen verschiedener Entwicklungsländer in ausgewählten Sektoren wie Haushalten oder dem Energiesektor geben, die Ergebnis eines laufenden Forschungsvorhabens sind. Die Klimaschutzverhandlungen sind ein idealer Rahmen, um mit einem breiten internationalen Publikum derartige Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen. Dadurch erhält man einerseits wertvolle neue Impulse für künftige Forschungen. Wichtig ist aber auch, dass sich das  UBA damit selbst in den Meinungsfindungsprozess für künftige Klimaschutzmaßnahmen einbringt.

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