Industrieemissionsrichtlinie

Die Industrieemissionsrichtlinie bildet die gesetzliche Grundlage für den industriellen Umweltschutz in Europa. Ziel ist es auf einem hohem Umweltschutzniveau Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu mindern, Innovation zu fördern und die Information der Öffentlichkeit zu stärken.

Inhaltsverzeichnis

Die Industrieemissionsrichtlinie (⁠IE-Richtlinie⁠) bildet EU-weit die Grundlage für die Genehmigung, den Betrieb, die Überwachung sowie die Stilllegung besonders umweltrelevanter Industrieanlagen. Sie wurde unter dem Namen Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) veröffentlicht und 2024 in Form einer Änderungsrichtlinie (Richtlinie 2024/1785/EU) revidiert. Die IE-Richtlinie ist Nachfolgerin der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (⁠IVU-Richtlinie⁠) von 1996 und sechs weiterer Sektor-Richtlinien (zu Großfeuerungsanlagen, Abfallverbrennung, Verwendung von Lösemitteln und Herstellung von Titandioxid).

Mit der IE-Richtlinie wird das Leitbild der nachhaltigen Produktion weiterentwickelt. Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen. Dazu dient der integrative Ansatz: Es müssen neben den Schadstoffemissionen in die verschiedenen Medien, auch weitere Aspekte des Produktionsprozesses berücksichtigt werden, um den Verbrauch an Ressourcen und Energie und sonstige Umweltbelastungen während des Betriebs und nach der Stilllegung einer Industrieanlage zu verringern. Zusätzlich soll die IE-Richtlinie Innovationen fördern und damit der industriellen Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie Vorschub verleihen sowie zu einer Verminderung von Unfällen beitragen. Vom Regelungsregime der IE-Richtlinie werden ca. 55.000 Industrieanlagen in Europa erfasst, darunter ca. 13.000 in Deutschland. Dabei werden besonders emissionsreiche Industriezweige wie die chemische Industrie, Feuerungsanlagen, Nahrungsmittelindustrie, rohstoffverarbeitende Industrie (Mineralische Rohstoffe, Eisen- und Nichteisenmetalle, Holz), Abfallbehandlung und -verbrennung und die Textil- und Lederindustrie berücksichtigt. Die Auswahl der Industriezweige und deren Anlagengröße ist mit der 4. ⁠BImSchV⁠ (Bundesimmissionsschutzverordnung) über genehmigungspflichtige Anlagen harmonisiert und dort mit E gekennzeichnet.

Die IE-Richtlinie ist die wichtigste europäische Regelungsgrundlage für die Zulassung und den Betrieb von Industrieanlagen. Sie verfolgt insbesondere das Ziel, Umweltstandards in Europa anzugleichen und dadurch gerechtere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Eine der wesentlichen Weiterentwicklungen gegenüber der IVU-Richtlinie ist die Stärkung der BVT-Merkblätter , welche Regelungen über die besten verfügbaren Techniken in den Bereichen der besonders umweltrelevanten Industrieanlagen enthalten und die in einem Informationsaustausch gemäß Art. 13 IE-Richtlinie, im sogenannten Sevilla-Prozess,  erarbeitet werden. Ein Kapitel der BVT-Merkblätter sind die sogenannten BVT-Schlussfolgerungen, die für alle Mitgliedsstaaten verbindlich sind und entweder direkt angewendet oder in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

 

 

 

Umsetzung der IE-Richtlinie in deutsches Recht

Der deutsche Gesetzgeber hat die ⁠IE-Richtlinie⁠ mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen – IndEmissRLUG vom 08.04.2013 und zwei Artikelverordnungen vom 02.05.2013 in nationales Recht umgesetzt. Die Vorschriften sind seit dem 02.05.2013 in Kraft. Änderungen erfolgten vor allem im Bundes-Immissionsschutzgesetz (⁠BImSchG⁠), im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG) und im Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Die Umsetzung der Änderungsrichtlinie 2024/1785/EU muss bis zum 01.07.2026 abgeschlossen sein.

 

Immissionsschutzgesetz (BImSchG)

Die Anlagenbetreiber sind verpflichtet, gegenüber der Behörde umfassender über die Einhaltung der Vorgaben der Genehmigung zu berichten. Die Vorgaben für die Überwachung werden generell gestärkt (Durchführung von Umweltinspektionen, Aufstellung von Umweltinspektionsplänen durch Behörden). Zur Erhöhung der Transparenz gibt es darüber hinaus erweiterte Pflichten zur öffentlichen Bekanntmachung.

Anlagenbetreiber müssen unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgangszustandsbericht für das Anlagengrundstück erstellen und bei der Stilllegung von Betrieben ergibt sich gegebenenfalls eine Rückführungspflicht in den Ausgangszustand.

Neue Anforderungen aus den BVT-Schlussfolgerungen werden in sektoralen, allgemeinen Verwaltungsvorschriften umgesetzt bzw. wurden mit der Novelle der ⁠TA Luft⁠ von 2021 umgesetzt und durch Änderung der jeweils relevanten Bundes-Immissionsschutzverordnungen (BImSchVen), beziehungsweise weiterer relevanter Verordnungen, berücksichtigt.

Es ergeben sich Änderungen für zum Beispiel folgende Rechtsverordnungen:

  • Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. ⁠BImSchV⁠)
  • Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV)
  • Deponieverordnung
  • Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen (13. BImSchV)
  • Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen (17. BImSchV)
  • Verordnungen für Lösemittel (2. und 31. BImSchV)
  • Verordnung zur Begrenzung von Emissionen aus der Titandioxid-Industrie (25. BImSchV)

Neu wurde zudem die Industriekläranlagenzulassungs- und Überwachungsverordnung (IZÜV) erlassen.

 

Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG)

In das Kreislaufwirtschaftsrecht wurden u.a. Anforderungen im Zusammenhang mit den Pflichten zur Erstellung von Überwachungsplänen und -programmen durch die Deponie-Überwachungsbehörden aufgenommen und neue Informations- und Datenübermittlungspflicht formuliert. Bei den Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik (Anlage 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) wurden die „Informationen, die in BVT-Merkblättern enthalten sind“ als neues Kriterium aufgenommen.



 

Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und der Abwasserverordnung (AbwV)

Durch das Gesetz zur Umsetzung der alten ⁠IE-Richtlinie⁠ (2010/75/EU) wurden Änderungen des Wasserhaushaltgesetzes vorgenommen, die sicherstellen, dass die wichtigsten europäischen Vorgaben dieser Richtlinie umgesetzt werden. Die umfassen z. B. mit § 54 WHG Begriffsbestimmungen wie BVT-Merkblatt, BVT-Schlussfolgerungen und Emissionsbandbreiten, die man vorher im deutschen Wasserrecht nicht kannte. Insbesondere der § 57 WHG mit den Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer wurde neugefasst, um so die konkreten Vorgaben der IE-Richtlinie zu berücksichtigen. Wichtige Stichworte dazu sind: Vermeidung der Verlagerung von Schadstoffen aus dem Wasser in andere Umweltmedien, verpflichtende Anwendung von BVT-Schlussfolgerungen, Umsetzungsfristen für vorhandene Abwassereinleitungen, Pflichten für Verordnungsgeber, Vollzugsbehörden und Betreiber einschließlich Ausnahmemöglichkeiten.

Die IE-Richtlinie hat auch weitreichende Änderungen der Abwasserverordnung (AbwV) – die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser festlegt und konkretisiert – ausgelöst. War die AbwV früher eine Vorgabe über Mindestanforderungen für die Wasserbehörden, die sie bei der Erteilung der Erlaubnis für das Einleiten zu Grunde zu legen hatten, wendet sich die neue AbwV grundsätzlich unmittelbar an den Einleiter/Betreiber der Anlage. Er hat alle allgemeinen Anforderungen und die in den Anhängen der AbwV gekennzeichneten Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Zusätzlich können weitergehende Anforderungen auf der Basis anderer Anforderungen zu beachten sein, bzw. von der zuständigen Behörde bei der Erteilung einer Einleitungserlaubnis festgesetzt werden.

 

Kontinuierliche Änderungen der Abwasserverordnung durch BVT-Schlussfolgerungen

Wenn im EU-Amtsblatt neue BVT-Schlussfolgerungen veröffentlicht werden, gelten diese für neue Anlagen sofort und für bereits genehmigte Anlagen spätestens nach vier Jahren. In dieser Zeit müssen die betreffenden Anhänge der AbwV (also die entsprechenden Branchen) überprüft und ggf. angepasst werden. Dasselbe gilt ggf. für die Wasserrechtsbescheide und auch die betroffenen Anlagen, welche dann den neuen BVT-Anforderungen entsprechen müssen. Zur Überprüfung, ob die in der AbwV festgelegten nationalen Anforderungen den europäischen BVTs entsprechen, wird für jede neu veröffentlichte BVT-Schlussfolgerung eine aus Experten der Länder und des Bundes bestehende ad hoc Arbeitsgruppe (AG) gebildet. Die ad hoc AG prüft, ob neue BVT-Schlussfolgerungen Anpassungen eines Anhanges erforderlich machen. Zügig werden die nationalen Anforderungen der betroffenen Anhänge der AbwV im Lichte der neuen BVT dann dergestalt überarbeitet, dass sie die Einhaltung der europäischen Vorgaben garantieren. Insofern führen die kontinuierlich veröffentlichten BVT-Schlussfolgerungen zu kontinuierlichen kleinen Novellen der AbwV.