Jugendforum „Umwelt. Krise. Zukunft?“
Welche Rolle spielt der Schutz von Umwelt und Klima angesichts der vielfältigen Krisen für Jugendliche? Was erwarten sie von der Politik, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft? Und wo verorten sich junge Menschen selbst dabei aktuell? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wurde die Studie „Zukunft? Jugend fragen! 2023“ durchgeführt.
Die Studie wurde inzwischen zum vierten Mal erstellt, diesmal vom Forschungsinstitut Verian, im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). In einer Repräsentativerhebung wurden rund 1.100 junge Menschen im Alter von 14 bis 22 Jahren zu Umwelt- und Klimathemen befragt. Ein besonderer Fokus lag in diesem Jahr auf den Themen Wirtschaft und Bildung. Acht junge Menschen unterstützten als Jugendprojektbeirat das Forschungsteam und gestalteten die Studie maßgeblich mit.
Anlässlich der Veröffentlichung der Studie waren junge Menschen von 16 bis 22 Jahren aus ganz Deutschland zum Jugendforum „Umwelt. Krise. Zukunft?“ am 31. Mai 2024 nach Berlin in die Fabrik23 eingeladen. Im Vordergrund stand dabei, Einblicke in die Studienergebnisse zu vermitteln. Außerdem sollte eine Gelegenheit geboten werden, um sich über Gedanken, Ideen und Forderungen zu Umwelt und Klima mit Gleichaltrigen und Expert*innen aus dem Umweltbereich auszutauschen. Rund 50 Teilnehmende waren der Einladung gefolgt und beteiligten sich aktiv an der Veranstaltung.
13:00 Uhr, Begrüßung mit Dr. Lilian Busse (Vizepräsidentin UBA)
Zum Auftakt der Veranstaltung stellte Moderatorin Jasmin Möller vom Jugendprojektbeirat der UBA-Vizepräsidentin Lilian Busse einige Fragen zur Bedeutung der Studie und zur Einordnung der Studienergebnisse angesichts der bevorstehenden EU-Wahlen. Lilian Busse unterstrich, wie relevant die Europäische Union mit Blick auf den Umwelt- und Klimaschutz in Europa ist sowie für das alltägliche Leben der Menschen in Deutschland und somit auch für eine lebenswerte Zukunft. Deswegen äußerte sie die Hoffnung, dass viele der wahlberechtigten jungen Menschen die Chance ergreifen und sich am 9. Juni an der Wahl des EU-Parlaments beteiligen werden. Angesichts der Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass der Schutz von Umwelt und Klima etwas an Priorität bei jungen Menschen eingebüßt hat, äußerte sie sich besorgt.
13:10 Uhr, Vorstellung der Studie „Zukunft? Jugend fragen!“
Emily Noack vom Jugendprojektbeirat und Thomas Niedermeier von Verian stellten die Kernergebnisse der Studie „Zukunft? Jugend fragen! 2023“ vor:
- Der Schutz von Umwelt und Klima bleibt für einen großen Teil (78 Prozent) der jungen Menschen ein wichtiges Thema. Im Jahr 2021 waren es 85 Prozent.
- Junge Menschen sehen die Verantwortung für mehr Umwelt- und Klimaschutz vor allem bei Politik, Wirtschaft und jeder und jedem Einzelnen.
- Die Mehrheit junger Menschen ist der Auffassung, dass der Staat der Wirtschaft stärker vorgeben sollte, sich um den Schutz von Umwelt und Klima zu kümmern, wie etwa zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2045.
- Nachhaltige Konsumweisen im Alltag sowie kollektives Engagement für Umwelt- und Klimaschutz werden von jungen Menschen weniger häufig praktiziert als im Jahr 2021.
- 72 Prozent der befragten sehen den Zustand der Umwelt und des Klimas in 20 Jahren pessimistisch – diese Einschätzung hat sich gegenüber 2021 leicht verschlechtert.
- Der gesellschaftlichen Zukunft sehen 64 Prozent der Befragten ebenfalls mehrheitlich pessimistisch entgegen. Dies ist ein deutlich größerer Anteil als 2021, da war es noch etwa die Hälfte (53 Prozent).
- Ihre persönlichen Zukunftsaussichten sehen junge Menschen jedoch weiterhin überwiegend positiv: 75 Prozent sind da optimistisch, 2021 waren dies 78 Prozent.
Im Fokus der Präsentation standen zudem die vier Typen, in die die Jugendlichen in der Studie unterteilt wurden: die „Idealistischen“, die „Pragmatischen“, die „Distanzierten“ und die „Wirtschaftsfokussierten“. Letzterer ist neu hinzugekommen, um die Veränderungen in der Meinungslandschaft unter jungen Menschen abzubilden. Diesen neuen Typ zeichnet aus, dass er zwar politisch interessiert ist, Umwelt- und Klimaschutz jedoch kritisch gegenübersteht. Jugendliche, die hier zugeordnet werden, setzen sich dementsprechend wenig für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit ein.
Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse ist auch in einem Factsheet zu finden.
13:45 Uhr, Gallery Walk zu den Ergebnissen der Studie
Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Studienergebnisse fand im Anschluss an die Präsentation ein sogenannter Gallery Walk statt, also ein Rundgang an vorbereiteten Stellwänden, an denen die zentralen Kapitel der Studie als Poster angepinnt waren. An den Wänden standen Mitglieder aus dem Jugendprojektbeirat und dem Projektteam parat, um die Ergebnisse zu erläutern und mit den Teilnehmenden zu diskutieren.
Es gab Poster zu den Jugendtypen, zu Umwelt- und Klimaschutz im Spannungsfeld multipler Krisen, zu Engagement und Aktivismus, zu Politik und Wirtschaft, zu Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie zu den Generationendialogen, die im Rahmen der Studie durchgeführt wurden. Der Gallery Walk bot einen guten Rahmen, um miteinander ins Gespräch zu kommen, einen gemeinsamen Blick auf die Ergebnisse zu werfen und sich intensiv darüber auszutauschen.
14:45 Uhr, parallele Workshops
Nach einer Kaffeepause, die Raum fürs weitere Kennenlernen und Netzwerken bot, ging es in vier parallelen Kleingruppen zu verschiedenen spannenden Themen weiter.
- „Die Studie vorstellen, verstehen und weiterentwickeln“
Bei diesem Workshop sind die Teilnehmenden, zusammen mit Felix Pohler vom Jugendprojektbeirat und zwei weiteren Personen vom Projektteam, noch einmal ganz tief in die Studie eingestiegen. Im ersten Teil ging es um das methodische Vorgehen und die Klärung offener Fragen. Im zweiten Teil wurden Ideen zur Weiterentwicklung der Studie gesammelt. Eine Anregung bestand beispielsweise darin, in der Studie nicht nur das Problembewusstsein zu erfragen, sondern auch Handlungsoptionen und Lösungsansätze stärker zu thematisieren. Zudem wurde empfohlen, vertiefend auf die Hindernisse, die einem Engagement für Umwelt- und Klimaschutz möglicherweise entgegenstehen, einzugehen. Ein weiterer Wunsch, der geäußert wurde, ging dahin, die Befragungsergebnisse auch über ein interaktives Online-Portal zur Verfügung zu stellen. Anschließend wurden Ideen zur Weiterentwicklung der Studie sowie künftige Möglichkeiten zur Veröffentlichung erarbeitet.
- „Zukunft gestalten, wirksam handeln! Dein Engagement für Klima- und Umweltschutz“
Im Workshop von Julia Pesch (ANU) und Janinka Lutze (Naturfreundejugend) drehte sich alles um politisches Engagement. Nach einem kurzen Input zum „ökologischen Fußabdruck“ versus „ökologischen Handabdruck“ als positives Gegenkonzept, beschäftigten sich die Teilnehmenden anhand von Beispielmaterialien mit den vielfältigen Möglichkeiten und Aktionsformen, die als politisches Engagement zusammengefasst werden können. Im Kern geht es bei politischem Handeln für Klima- und Umweltschutz darum, die Hebelpunkte zu finden, an denen angesetzt werden kann, um strukturelle Gegebenheiten so zu verändern, dass nachhaltige Verhaltensweisen erleichtert und gefördert werden. Die Teilnehmenden konnten aus dem Workshop zahlreiche Anregungen mitnehmen, wie sie eigene Aktionsideen entwickeln und strukturieren können und welche Möglichkeiten sich für ihr eigenes politisches Engagement anbieten. Das Thema „Engagement“ wurde auch in der Jugendstudie behandelt.
- „Wie wir die Online-Diskurshoheit von Rechtsextremen zurückerobern“
Anhand der Social-Media-Kampagne #ReclaimTikTok erläuterte Linus Dolder in diesem Workshop die Funktionsweisen und Dynamiken von Social Media Plattformen. Die Kampagne wurde vor dem Hintergrund entwickelt, dass soziale Medien eine der Hauptinformationsquellen für junge Menschen darstellen, was auch die Jugendstudie zeigt. Klima- und umweltpolitische Themen sind auf diesen Plattformen aber eher wenig präsent. Gleichzeitig werden soziale Medien für die Verbreitung von Falschinformationen sowie rechtsextremen oder populistischen Inhalten genutzt, die über die Plattformen eine große Reichweite erhalten. Daher stellte sich die Frage, wie dem begegnet werden kann. Die Kampagne antwortet darauf mit dem Appell, verstärkt Beiträge zu sozial-ökologischen Themen in die Netzwerke hineinzubringen und gibt konkrete Tipps zur Entwicklung und Verbreitung eigener Inhalte.
- „Klima(un)gerechtigkeit: Wenn die Krise nicht alle gleich trifft“
In diesem interaktiven Workshop mit Sima vom BuWa Kollektiv (Bildung für utopischen Wandel) wurden Beispiele dafür, wie die Klimakrise Ungerechtigkeiten und Diskriminierung verschärft, vorgestellt und diskutiert. So sind zum Beispiel Frauen, queere Menschen oder Menschen, die Rassismus oder Klassismus erfahren, deutlich stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen als der Rest der Gesellschaft. Und das, obwohl sie meist einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben und somit insgesamt weniger zur Klimakrise beitragen. Die Teilnehmenden nahmen die Zusammenhänge zwischen Klimakrise, Klimaaktivismus sowie Klimapolitik und Sexismus, Queerfeindlichkeit, Klassismus und Rassismus näher in den Blick und tauschten sich zu den gesellschaftlichen Hintergründen und Herausforderungen aus. Dass der Umwelt- und Klimaschutz die soziale Dimension nicht außer Acht lassen darf, war auch ein Thema der Jugendstudie.
16:45 Uhr, Poetry Slam mit Marc Bobsin
Nach den Workshops trat Nachwuchs-Poetry Slammer Marc Bobsin auf und gab zwei kurzweilige Stücke rund um Jugend, Generationen und Nachhaltigkeit zum Besten.
17:00 Uhr, Feedback zur Studie in Murmelrunden
Die Teilnehmenden tauschten sich mit ihren Sitznachbar*innen noch einmal abschließend dazu aus, was sie aus der Studie und dem Jugendforum mitnehmen. Einzelne Wortbeiträge wurden im Plenum kurz vorgestellt. Zudem wurde darum gebeten, das Feedback-Formular zur Veranstaltung auszufüllen.
17:15 Uhr, Verabschiedung mit Dr. Christiane Rohleder (Staatssekretärin BMUV)
Zum Ende der Veranstaltung überreichte die BMUV-Staatssekretärin Christiane Rohleder den Mitgliedern des Jugendprojektbeirats eine Urkunde für ihr Engagement im Rahmen der Studie und des Jugendforums und sprach ihnen ein großes Dankeschön dafür aus. Mit einem positiven Resümee zur Veranstaltung verabschiedete sie die Teilnehmenden.
17:30 Ende
Nach angeregtem Austausch und lebhaften Diskussionen endete die Veranstaltung mit einem lockeren Ausklang im Werkloft der Fabrik23. Das Feedback zur Veranstaltung fiel sehr positiv aus.