Hintergrund
Die Landwirtschaft ist für die Versorgung mit Nahrungsmitteln verantwortlich und bildet die Existenzgrundlage für viele Menschen weltweit. Sie spielt damit eine Schlüsselrolle beim Erreichen der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Die Erderwärmung und veränderte Mengen von Niederschlag können jedoch zu Ernteausfällen führen und die Lebensgrundlage einer Vielzahl von Menschen in ländlichen Gebieten bedrohen.
Gleichzeitig ist der landwirtschaftliche Sektor Teil des Problems: Der IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landnutzung schätzt, dass etwa ein Fünftel bis ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen auf unsere Ernährungssysteme zurückzuführen sind: 9-14 % werden durch Pflanzenbau und Viehzucht in landwirtschaftlichen Betrieben verursacht, 5-14 % durch die Landnutzung und 5-10 % durch die Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion.
Im Gegensatz zu anderen Sektoren ist die landwirtschaftliche Produktion mit Treibhausgasemissionen verbunden, die nicht dekarbonisiert werden können. So entstehen durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Böden, Verdauungsprozesse bei Wiederkäuern und die Lagerung von Wirtschaftsdüngern Methan-, Lachgas- und CO2-Emissionen.
Darüber hinaus sind die Intensivierung der Landwirtschaft und Trends hin zu großflächigen Monokulturen auch wichtige Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt und den Druck auf die Wasserressourcen. Der Druck auf die Ökosysteme wird vor allem durch den hohen und zunehmenden Konsum tierischer Produkte verstärkt. Ohne eine Umstellung auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung und die Umsetzung weiterer Klimaschutzmaßnahmen wird es nicht möglich sein, die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen und die Umweltauswirkungen des Ernährungssystems innerhalb der planetaren Grenzen zu halten.
Um das Agrarsystem nachhaltig zu gestalten, müssen mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden: die Erhaltung der Ökosysteme, die Minderung von Treibhausgasen, die Anpassung an die Erderwärmung und die Bereitstellung sicherer und gesunder Nahrungsmittel für alle.
Projektziele
Das Forschungsvorhaben verfolgt zwei übergeordnete inhaltliche Ziele:
- Identifizierung und Strukturierung von Optionen und Hemmnissen für die Minderung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zur Überwindung dieser Hemmnisse;
- Analyse von Hemmnissen und Optionen zu ihrer Überwindung im Kontext von 10 Schwerpunktländern und Erarbeitung von wissenschaftlichen Analysen, wie die nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) dieser Länder durch konkrete Strategien, Maßnahmen und Instrumente für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft ambitionierter gestaltet werden können.
Landwirtschaft im Kontext der UNFCCC-Verhandlungen
Die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, für den im Rahmen der Klimaverhandlungen unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen ein eigener inhaltlicher Agendapunkt besteht. Unter dem Titel „Koronivia Joint Work on Agriculture (KJWA)“ werden sowohl wissenschaftliche Aspekte als auch Umsetzungsaspekte für Minderung und Anpassung in der Landwirtschaft diskutiert. Der Landwirtschaftssektor spielt auch eine wesentliche Rolle bei den national bestimmten Beiträgen (NDCs) der Staaten unter dem Übereinkommen von Paris. Allerdings haben nur wenige Länder quantifizierte Sektorziele für die Emissionsminderung in der Landwirtschaft oder Landnutzung. Der Landwirtschaftssektor ist daher auch ein wichtiger Sektor, der bei der Ambitionssteigerung durch eine Aktualisierung der NDCs betrachtet werden muss. Im Rahmen des Forschungsvorhabens erstellten die Auftragnehmer drei Hintergrundpapiere für die EU-Themengruppe während der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zu agrarbezogenen Verhandlungspunkten unter der UNFCCC sowie eine Analyse internationaler Finanzströme an den Agrarsektor.
Optionen und Hemmnisse für die Minderung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft
Durch die Relevanz des landwirtschaftlichen Sektors in Bezug auf die Ernährungssicherung und die Bereitstellung der Lebensmittel zu sozialverträglichen Preisen wurden und werden ambitionierte Forderungen in Bezug auf den Klimaschutz oft gemieden. Hinzu kommt ein begrenztes technisches Minderungspotenzial, da die landwirtschaftliche Produktion durch ihre biologischen Prozesse per se mit Treibhausgasemissionen verbunden ist.
So stellt die Landwirtschaft ein komplexes System mit einer großen Vielzahl an Akteur*innen und sehr verschiedenen Bedingungen, Hintergründen und Bedürfnissen in verschiedenen Ländern dar. Selbst da, wo Optionen für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft klar ersichtlich sind, werden sie oft nicht umgesetzt.
Das Projektteam analysierte eine Reihe von Minderungsoptionen auf der Angebots- und Nachfrageseite, um die Landwirtschaft und das globale Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten.
Auf der Angebotsseite gehören dazu: extensivere Anbaumethoden, besseres Management von Stickstoff-Düngemitteln, verbessertes Management von Wirtschaftsdünger, Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung, Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlichen Systemen, die Reduzierung von Treibhausgasemissionen aus dem Reisanbau sowie weniger Verbrennung von Ernterückständen.
Auf der Nachfrageseite wurden die Reduzierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten, die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten sowie die draus resultierende verminderte Abholzung untersucht.
Der Umsetzung dieser Optionen stehen Hindernisse auf institutioneller, politischer, finanzieller, soziokultureller, technischer oder biophysikalischer Ebene entgegen. Das Projektteam entwickelte Empfehlungen zur Überwindung dieser Hindernisse. Geeignete Ansätze für die Entwicklung von Lebensmittelsystemen müssen jedoch kontextspezifisch sein, da sowohl die landwirtschaftlichen Systeme als auch die Hindernisse, die der Umsetzung von Minderungsansätzen im Wege stehen, sehr unterschiedlich und spezifisch für die lokalen Gegebenheiten sind. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in einem Zwischenbericht zusammengefasst.
Analysen für zehn Schwerpunktländer
Die Analysen zu Hemmnissen und Potenzialen für Klimaschutz im Landwirtschaftssektor im Allgemeinen werden in der länderspezifischen Analyse auf den nationalen Kontext angewendet werden, um konkret umsetzbare Ansätze für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft in 10 ausgewählten Schwerpunktländern zu identifizieren. Für Ägypten, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Großbritannien, Indonesien, Neuseeland, Südafrika und die USA werden die Potenziale für ambitionierten Klimaschutz in der Landwirtschaft auf der Basis der Literatur analysiert. Pro Land werden ausgewählte Minderungsmaßnahmen vertieft betrachtet und quantifiziert. In Länderpapieren werden diese Analysen zusammengefasst, sowie Hemmnisse für die Umsetzung der Minderungsoptionen identifiziert. Davon ausgehend werden Vorschläge zur ambitionierteren Minderungsanstrengungen der ausgewählten Länder erarbeitet und Instrumente und Maßnahmen zu deren Umsetzung vorgeschlagen. Die Ergebnisse in den Länderpapieren werden ausdrücklich wissenschaftliche Forschungsergebnisse und keine Handlungsempfehlungen für die untersuchten Staaten darstellen.