SiK - Stadtbäume im Klimawandel: Klimafolgen-Monitoring und Anpassung

Hintergrund und Ziele

Heißere Sommer, Stürme, ⁠Starkregen⁠ oder Trockenheit: Was bedeutet das für die Hamburger Bäume? Wie reagieren sie auf die veränderten Bedingungen? Welche Strategien können entwickelt werden, damit die Bäume mit den neuen Anforderungen zu Recht kommen? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das ⁠Monitoring⁠ Programm „Stadtbäume im ⁠Klimawandel⁠ (SiK): Monitoring und Anpassung“. Hamburgs rund 250.000 Straßenbäume und etwa 600.000 Parkbäume tragen wesentlich dazu bei, dass die Hansestadt als grüne Metropole am Wasser wahrgenommen wird. Stadtbäume haben ohnehin erschwerte Lebensbedingungen. Verdichtete Böden, versiegelte Flächen oder auch Wurzelverletzungen durch Arbeiten an Leitungen machen ihnen zu schaffen. Zunehmende sommerliche Hitze- und Trockenperioden und Stürme stellen die Stadtbäume vor neue Herausforderungen.

Mit dem Projekt SiK wurde ein integrierendes Konzept zur Anpassung des Hamburger Baumbestandes an den Klimawandel entwickelt. Zunächst wurde die ⁠Verwundbarkeit⁠ der Bäume durch Klimaveränderungen langfristig beobachtet und dokumentiert. Anschließend wurden Maßnahmen und Instrumente entwickelt, um den Baumbestand in Zeiten des Klimawandels zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Hamburg

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Bäume im gleichen Raum mit allen baulichen Veränderungen, z.B. der Innenverdichtung in Hamburg, stehen in Konkurrenz zueinander. Straßen- und  Radwegeausbau, Busbeschleunigung, Streckenausbau des ÖPNV, neue Versorgungstrassen für Wasser, Gas, Strom oder Internet und die kompakte Bebauung mit 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr, sind unverzichtbar, aber sie gehen zu Lasten der innerstädtischen Freiräume, auch am Straßenrand. Es kann ein Ausgleich im Sinne von Ersatzstandorten für die Nachpflanzung der bei Bebauung verloren gegangenen Bäume stattfinden, jedoch geht selbst bei ausgeglichenen Bilanzen immer auch ein Teil wertvoller Baumsubstanz - i.d.R. älter als 50 Jahre – im Tausch gegen Neupflanzungen verloren. Dies ist ein Qualitätsverlust sowohl mit Blick auf die Wohlfahrtswirkung, als auch aus ökologischer und stadtklimatischer Sicht. Insbesondere die Altbäume leisten einen großen Beitrag zum Stadtklima bei, aufgrund ihres ausreichenden Wurzelraumes und ihrer Wasserquellen und können so  Trockenphase ohne Stress überstehen. Vor diesem Hintergrund sollten Stadtentwicklungsziele die Bedeutung des eindrucksvollen Hamburger Baumbestandes in Augenhöhe mit allen anderen berechtigten Interessen berücksichtigen. Dies betrifft sowohl gesamtstädtische Planungsprozesse als auch kurzfristige Entscheidungen bei lokalen Umbauplanungen.

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

Die Bedeutung von Altbäumen

Die Untersuchungen zur Förderung der ⁠Resilienz⁠ des zukünftigen Stadtbaumbestandes gegenüber verlängerten, sommerlichen Trockenphasen sollen erweitert werden. Im Fokus stehen die Auswahl und Einsatz geeigneter regional verfügbarer Bodensubstrate für Baumpflanzungen in Kombination mit der Wahl von Baumarten und -sorten, die aktuell als aussichtsreich für eine klimaangepasste Bepflanzung in Städten gelten. Dieser Ansatz könnte vergleichend an Gunststandorten (z.B. Baumschulen) und an realen Stadtstandort durchgeführt werden.

Die Grundvoraussetzung für die Widerstandsfähigkeit eines Baumes gegenüber Klimaveränderungen ist ein angemessen großer und gut ausgestatteter Baumstandort. Nur wenn der Baum ober- und unterirdisch ausreichend Platz hat, kann er sich beispielsweise Wasserressourcen erschließen und Trockenzeiten besser überstehen. Gerade Jungbäume sind deshalb schnell von ⁠Trockenstress⁠ betroffen, da sie auf die nähere Umgebung des Baumstandortes angewiesen sind. Altbäume sind demnach die besten Klimabäume, da sie über Jahre bereits tiefer liegende Nährstoff- und Wasserquellen erschlossen haben und Trockenperioden gut überstehen. Die Zwischenergebnisse aus dem SiK-⁠Monitoring⁠ ausgewählter Baumstandorte in Hamburg zeigen positive und negative Beispiele, wie viel Platz Stadtbäume haben, mit welchem Nutzungsdruck sie konfrontiert sind oder welche  Gestaltungsmerkmale die Standorte kennzeichnen.

Knapp die Hälfte der Hamburger Straßenbäume ist über 40 Jahre alt und besitzt das Potenzial, zunehmende Probleme mit Baumkrankheiten, Baumschädlingen, Schadstoffen und den sich abzeichnenden Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Der Schutz dieses bereits etablierten Baumbestands ist deshalb ein zentraler Aspekt nachhaltiger Stadtentwicklung.

Beobachtung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf die Sumpf-Eiche (Quercus palustris)

Am Beispiel der Sumpf-Eiche (Quercus palustris), als eine von 23 weiteren Stadtbäumen, wurde die Bodenfeuchtveränderung durch Sensoren automatisch und in einem halbstündigem Rhythmus für den Sommer 2017 erfasst. Erkennbar ist eine fast vollständige Versiegelung des Standorts durch ein Großsteinplaster, durch Bewässerungssäcke kann dem Baum geholfen werden. 

Insgesamt wurden in den sechs Monaten 362 mm Regen gemessen (in Fuhlsbüttel 509 mm), der trockenste Monat war der September (35 mm), der feuchteste der Juni (93 mm), Regen fiel an zwei von drei Tagen. Die Bodenfeuchtverläufe wurden gemittelt für 3 flache Sensoren (30 – 40 cm Einbautiefe), 4 Sensoren aus dem Hauptwurzelbereich (27 – 80 cm Tiefe), 4 Sensoren aus dem Randbereich (40 – 70 cm Tiefe) und 2 Sensoren aus dem Unterboden (100 cm Tiefe). Folgende Vorgänge lassen sich erkennen:

  • Nach dem Winter ist der Boden in allen Tiefen feucht, kurzfristig nach Regen auch sehr feucht, also günstige Startbedingungen für den Baum.
  • Nach dem Blatttrieb beginnt der Wasserverbrauch. Ab dem 15.5. nimmt im zentralen Wurzelbereich die Wasserverfügbarkeit ab, die Abnahme ist aber durch kurze Erholungen infolge einzelner Regen unterbrochen. Trotz der Juniniederschläge wird erstmals am 29.6. der Zustand „trocken“ erreicht.
  • Am 30.6. dringt Wasser nach ergiebigem Regen (31 mm) in den Oberboden und den zentralen Wurzelbereich vor, die Wasserversorgung ist für 6 Tage optimal. Innerhalb von drei Wochen nach dem Regen wird im Wurzelbereich wieder der Zustand „trocken“ erreicht.
  • Ein weiteres Regenereignis am 25. Juli (8,6 mm, auch Bewässerung) bringt sehr kurze Entspannung. Diesmal vergehen 11 Tage, bis der Boden wieder trocken wird.
  • Danach treten zwar regelmäßig Niederschläge auf, die aber nur am 18.9. über 10 mm/d erreichen. Die Bodensensoren zeigen diese nicht an (allerdings waren einige Sensoren vom 28.8. an ausgefallen).
  • Die Sensoren in 100 cm Tiefe werden nicht durch Wurzeln erreicht. Hier reagiert der Boden weder auf die Wasserzufuhr durch Regen noch auf den Wasserverbrauch der Wurzeln.

Die Messergebnisse an der Ericusspitze lassen folgende Ableitungen zu: Die Anforderungen an die Substrate müssten geändert werden, indem mit einer Auswahl von bindigeren Varianten getroffen eine bessere Wasserspeicherung gewährleistet wird. Zudem könnte Trockenstress verhindert werden, indem häufigeres und konsequentes Wässern über einen längeren Zeitraum als bisher als Regelelement in die vertragliche Aufwuchspflege einbezogen wird.

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Im Rahmen des Projektes wurde ein Konzept entwickelt zur Anpassung der Hamburger Straßenbäume. Es wurden Maßnahmen und Instrumente entwickelt, die geeignet sind, den Baumbestand in Zeiten des Klimawandels zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Baumstandorte und die Begrünung von Bauwerken verbessern die Luftqualität durch die Bindung von Treibhausgasen und Luftschadstoffen, verringern den urbanen ⁠Wärmeinsel⁠-Effekt („urban heat island“ - Effekt) und tragen so zu einem besseren Stadtklima bei. Außerdem dienen sie als Reserveflächen für Hochwasser- und Starkregenereignisse. Um Baumstandorte an den ⁠Klimawandel⁠ anzupassen müssen Baumarten identifiziert werden, die urbanen Stress, darunter Hitze und Wassermangel gut bewältigen können. Eine weitere Maßnahme stellt die Optimierung von Baumstandorten dar. Stellschrauben zur Anpassung der Pflanzstandorte an den Bedarf von Stadtbäumen liegen in der Gestaltung der Pflanzgrube und der Baumscheibe sowie in der Zusammensetzung und ⁠Schichtung⁠ von Pflanzsubstraten. Gegenwärtig werden einige Mindeststandards durch Richtlinien z.B. im Hinblick auf die Dimensionierung von Pflanzgrube und Baumscheibe vorgegeben. Problematisch bleibt jedoch, dass in innerstädtischen Quartieren und Straßenzügen in der Regel kein Platz für angemessen dimensionierte Pflanzgruben und bepflanzte Baumscheiben zur Verfügung steht, d.h. das symptomatisch hohe Risiko von Vitalitätsverlust infolge von ⁠Trockenstress⁠ bleibt trotz „DIN-Pflanzgruben“ bestehen. Eine Pflanzgrubengestaltung mit gezielter Zuleitung von Niederschlagswasser kann Abhilfe verschaffen.

Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Bepflanzung oftmals ein Platzproblem im innerstädtischen Raum

Schritt 5: Monitoring und Evaluation

Ansatz, Ziel und Ergebnisse von Monitoring und/oder Evaluation 

Das Konzept beinhaltet ein ⁠Klimafolgen⁠-⁠Monitoring⁠ für Straßenbäume, um die ⁠Verwundbarkeit⁠ von Baumarten gegenüber Trocken- und ⁠Hitzestress⁠ beurteilen zu können.

Im Rahmen des SIK-Projekts führte das Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg Untersuchungen an ausgewählten Straßenbaumstandorten durch. Innerhalb des Projektes wurde das Monitoring von sowohl Alt- als auch Jungbäumen durchgeführt. Das Monitoring soll auch weiterhin fortgesetzt werden, um das Verhalten der Bäume unter den gewählten Standort-Bedingungen weiter untersuchen zu können und in den nächsten Jahren möglichst auch in ausgeprägten Phasen von Sommertrockenheit zu analysieren. An den Standorten wurden Sensoren und Geräte installiert, mit denen die Wasserspannung, der Wassergehalt und die Zusammensetzung der Luft (⁠CO2⁠, O2) im Boden gemessen sowie zusätzlich die Klimaparameter bestimmt und automatisch erfasst werden können. Ergänzt wird das Monitoring durch Laboranalysen von Bodenproben zum Beispiel zu der Schadstoffbelastung der Straßenbaumstandorte.

Das Ziel ist es, die Empfindlichkeit der Straßenbäume auf klimatischen Stress – vor allem Trockenheit – zu erfassen und zu bewerten. Dies ist durch Kombination dieser Untersuchungen zum Bodenwasserhaushalt mit Messungen von Stressindikatoren an den Bäumen von der AG Pflanzenökologie möglich. Darauf aufbauend sollen Strategien, Maßnahmen und Instrumente entwickelt werden, mit denen der Bestand der Hamburger Straßenbäume in Zeiten des  Klimawandels erhalten und weiterentwickelt werden kann, damit Hamburg auch in Zukunft eine grüne Metropole mit einem gesunden Baumbestand bleibt.

Ergebnisse des Monitoring zeigten, dass eine Ausweitung des Untersuchungsprogramms sinnvoll ist: Bei zukünftigen Neubaustrecken, für die aufgrund von Aufschüttungen oder anderer negativer Rahmenbedingungen ⁠Trockenstress⁠ für die Bäume zu erwarten ist, können neuartige Pflanzgruben und Baumrigolen konzipiert und auf ihre Versickerungspotenziale, Auswirkungen von Bodensubstraten, Schadstoffe und die Baumvitalität hin beurteilt werden. Sie könnten so für eine integrierende Straßenraumkonzeption sowie für Regelentwürfe zum Erhalt und zur Weiterentwicklung urban geprägter Wasserkreisläufe wichtige Weichen stellen.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (⁠BMUB⁠) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Projektleitung 

Universität Hamburg

Beteiligte/Partner 

 

  • Institut für Bodenkunde, Universität Hamburg
  • Angewandte Pflanzenökologie, Universität Hamburg
  • Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung, HafenCity Universität
  • Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, LP2, Freie und Hansestadt Hamburg
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Handlungsfelder:
 Biologische Vielfalt