KRIM - Klimawandel und präventives Risiko- und Küstenschutzmanagement an der deutschen Nordseeküste

Hintergrund und Ziele

Das deutsche Klimaforschungsprogramm (DEKLIM) fordert für den Bereich der Klimawirkungsforschung die Bereitstellung von vernetztem Orientierungs- und Handlungswissen über die Wirkungen von Klimaänderungen. Insbesondere durch die Projekte "Fallstudie Sylt" und "KLIMU" ist deutlich geworden, dass der prognostizierte beschleunigte Meeresspiegelanstieg bereits mittelfristig verstärkt vorsorgendes Handeln erfordert. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der im Küstenschutz unvermeidlichen langen Planungszeiträume, wegen der erheblichen Risiken und Kosten und auch, weil der Küstenschutz traditionelle, historisch gewachsene komplexe Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Organisationsmuster besitzt, ist es notwendig, den Aspekt "Wirkungen des beschleunigten Meeresspiegelanstiegs und erforderliche Gegenmaßnahmen" zu bearbeiten. Im Projekt werden daher die naturwissenschaftlichen, technischen und sozialwissenschaftlichen Grundlagen für ein umfassendes präventives, vermeidungsorientiertes Krisenmanagement und ein integriertes Küstenzonenmanagement geschaffen.

Das interdisziplinäre Verbundvorhaben hat das Ziel, Orientierungs- und Handlungswissen für die gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe "Risikomanagement im Küstenschutz unter Unsicherheitsbedingungen" bereitzustellen. Die Ausgangslage und die gesellschaftlichen Erwartungen an einen zukunftsorientierten Küstenschutz lassen erkennen, dass es dringend erforderlich ist, ziel- und praxisorientiert wissenschaftliche Beiträge zu Themen zu leisten, wo dieses bisher nicht notwendig war oder schien. Dieses läßt sich in der zentralen Frage des Verbundvorhabens zusammenfassen:

Welche Anforderungen stellen ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg und verstärkte Extremereignisse an den in ein integriertes Küstenzonenmanagement einzubindenden zukünftigen Küstenschutz und welche gesellschaftlichen Interpretationsmuster und Entscheidungsvorgänge beeinflussen diesen Prozess?

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Bremen
  • Niedersachsen
Naturräumliche Zuordnung
  • Küste
  • Nordwestdeutsches Tiefland
Räumliche Auflösung / Zusatzinformationen 

Jade-Weser-Region

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Regionale Differenzierung durch ⁠Downscaling⁠ aus globalem Modell ECHAM4 / OPYC3 mit ⁠IPCC⁠-⁠Szenario⁠ IS92a;

Anstieg des atmosphärischen ⁠CO2⁠-Gehalts auf 2x360 ⁠ppm⁠; Temperaturerhöhung im Jahresmittel um 2,7°C mit jahreszeitlicher Differenzierung; Niederschlagszunahme um +10% mit jahreszeitlicher Differenzierung; Windgeschwindigkeiten +3,8% mit jahreszeitlicher Differenzierung; windbedingte Zunahme des Tidehochwasserstands; Meeresspiegel- und Tidehubänderung (mittleres Tidehochwasser +65 cm, mittleres Tideniedrigwasser +40 cm);

Parameter (Klimasignale)
  • Veränderte Niederschlagsmuster
  • Höhere mittlere Temperaturen
  • Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten
  • Sturm
Zeithorizont
  • mittelfristig = bis 2050

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Betrachtung der Erhöhung der Versagenswahrscheinlichkeiten der Küstenschutzelemente mit Deichbruchannahmen, der aus Überflutungen resultierenden Schäden (Vermögensschäden, ökologische Schäden) und ökonomischen Folgen für Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigenzahl, der Veränderungen in der Hydro- und Morphologie der Weser und im Küstenvorfeld bzw. Wattenmeer sowie die ökologischen Folgen für Vor- und Binnenland mit ihren ökosystemaren Dienstleistungen (ecosystem services) für gesellschaftliche Nutzergruppen (v.a. Küstenschutz, Landwirtschaft, Naturschutz).

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

Die ⁠Sensitivität⁠ der Küstenvorlandökosysteme gegenüber einem beschleunigten Meeresspiegelanstieg wird als zum Teil hoch eingeschätzt, ihre ⁠Resilienz⁠ als begrenzt, wobei allerdings noch Unklarheit herrscht. Die Sensitivität der landwirtschaftlich genutzten ökologischen Systeme im Binnenland ist vergleichsweise gering. Allgemein werden im Projekt die möglichen Auswirkungen von Klimaänderungen auf Natur und Gesellschaft mit dem Ziel untersucht, die ökologischen und sozioökonomischen Sensitivitäten festzustellen und vorsorgendes Handeln zu ermöglichen. Durch die Analyse natur- und sozialwissenschaftlicher Zusammenhänge und deren Klimasensitivität kann ein Beitrag für ein zukunftsfähiges Management im Küstenschutz geleistet werden.

Technische und organisatorische ⁠Anpassungskapazität⁠ im Küstenschutz ist aufgrund historischer Erfahrungen hoch.

Im Falle eines Versagens der Küstenschutzelemente ist ein räumlich stark unterschiedliches Schadenspotenzial festzustellen, welches bei der derzeitigen Praxis der Bemessung der Küstenschutzanlagen keine Berücksichtigung findet; es gilt: gleiche Sicherheit für alle bzw. überall eine gleich große Versagenssicherheit. Zusätzlich führt ein erhöhter Meeresspiegel auch bei einem Konstanthalten der Versagenswahrscheinlichkeit durch entsprechende Deichverstärkung zu einer Vergrößerung der potenziellen Schäden, da mehr Wasser einströmen kann. Der Finanzbedarf des Küstenschutzes wird sich daher bei beschleunigtem Meeresspiegelanstieg in Zukunft erhöhen.

Dringlichkeit und Priorisierung von Anpassungsbedarf 

Lange Planungs- und Umsetzungszeiten im Küstenschutz erfordern rechtzeitiges Handeln.

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg reduziert das derzeitige Sicherheitsniveau an der Küste. So führen z.B. klimawandelbedingte Veränderungen der Topographie von Watten und Vorländern zu einer höheren Belastung der Hauptdeiche. Dieses erfordert Anpassungsmaßnahmen des Küstenschutzes, um die Deichsicherheit zukünftig zu erhalten. Natürliche Anpassungsprozesse, die die Wahrscheinlichkeit eines Deichversagens reduzieren, sind ein Mitwachsen von Watt und Vorland.

Trotz noch erforderlicher Weiterentwicklung ist die durchgeführte probabilistische Risikoanalyse (u.a. mit einem erweiterten Schadensbegriff) grundsätzlich geeignet, planungsrelevante Aussagen zu bestehenden und (in Verbindung mit der Szenariotechnik) zukünftigen Risiken zu machen.

Es gibt verschiedene Strategien, mit denen eine Anpassung des Küstenschutzsystems an den beschleunigten Meeresspiegelanstieg erfolgen kann. Von diesen ist eine Verstärkung auf vorhandener Linie oft die mit dem günstigsten Kosten-Nutzen-Verhältnis und der größten Akzeptanz. Kosten-Nutzen-Analysen können zusätzliche Informationen zur Entscheidungsunterstützung beim Vergleich verschiedener Alternativen des Küstenschutzes liefern.

Zeithorizont
  • 2036–2065
Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Konflikte zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus bestehen hinsichtlich der Nutzung ökologischer Dienstleistungen. Interaktionen zwischen Wissenschaftlern und Journalisten verlaufen vergleichsweise harmonisch. Diskurse innerhalb des politisch-administrativen Systems sind zum Teil konfliktträchtig.

Schritt 4: Maßnahmen planen und umsetzen

Kosten 

erweiterte Schadensanalyse, ökonometrische Modellierung der Schadensfolgen, Kosten-Nutzen-Analysen verschiedener Küstenschutzoptionen

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Deutsches Klimaforschungsprogramm (DEKLIM), Bereich C, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Projektleitung 

BioConsult Schuchardt & Scholle GbR

Beteiligte/Partner 

Universität Bremen: Forschungszentrum ⁠Nachhaltigkeit⁠ (artec),

Universität Bremen: Abt. Aquatische Ökologie,

Universität Bremen: Fachbereich Wirtschaftswissenschaften,

Universität Hannover: Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen,

Universität Hannover: Institut für Geographie,

GKSS Forschungszentrum Geesthacht,

Forschungszentrum Jülich,

RIKS - Research Institut for Knowledge Systems,

INFRAM

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Handlungsfelder:
 Biologische Vielfalt  Industrie und Gewerbe  Küsten- und Meeresschutz  Landwirtschaft  Tourismuswirtschaft