Wird feiner Saharasand in der Wüste aufgewirbelt und in große Höhen verfrachtet, dann kann er über weite Strecken transportiert werden. So ist es keine Seltenheit, dass wir in Mitteleuropa Staub aus der Sahara beobachten. Im März 2022 wurde bei einem solchen Ereignis besonders viel Saharastaub an der UBA-Messstation Zugspitze/Schneefernerhaus beobachtet.
Hohe PM10-Konzentrationen im März 2022 auf der Zugspitze
Zwischen 15. und 18. März 2022 wurden an der UBA-Messstation Zugspitze/Schneefernerhaus ungewöhnlich hohe Feinstaub (PM10)-Konzentrationen beobachtet: ab Mittag des 15. März stiegen die Stundenmittelwerte kurzzeitig auf über 100 µg/m³ (Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) und fielen zum Abend hin wieder ab. In den Abendstunden des 16.03. stiegen die Werte auf bis zu 400 µg/m³ an. Am 17.03. gingen die Stundenmittelwerte bis zum Morgen auf ca. 100 µg/m³ zurück, um dann abermals bis auf 400 µg/m³ anzusteigen. Erst am 18. März fielen die Werte auf ein übliches Niveau zurück (siehe Abbildung 1).
Der höchste Tagemittelwert dieser Episode liegt bei 218 µg/m³ am 17. März 2022. Zum Vergleich: Die Jahresmittelwerte der Station liegen bei circa 4 µg/m³. Es ist damit die am wenigsten mit Feinstaub belastete Messstation in ganz Deutschland. In den 10 Jahren zwischen 2011 und 2020 gab es keine vergleichbar hohen Werte an dieser Bergstation. Das bisherige Maximum lag bei 74 µg/m³ am 6. April 2016, und auch diese hohe Konzentration ist mit einem Saharastaubereignis verknüpft (siehe Analyse des Observatoriums Hoher Sonnblick der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Österreich). An insgesamt nur 4 Tagen wurde der Tagesmittelwert von 50 µg/m³ (Kurzzeitgrenzwert, erlaubt an höchstens 35 Tagen pro Kalenderjahr) überschritten.
Ursache: Ferntransport von Saharastaub aus Nordafrika
Am 17. März 2022 meldete das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. (TROPOS) in Leipzig eine starke Schicht an Saharastaub in 7-11 km Höhe. Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) wies am 18. März 2022 in einer Pressemitteilung auf Saharastaub aus der algerischen Wüste hin, wobei die durch Flugzeugmessungen gewonnenen Feinstaubkonzentrationen ihr Maximum von rund 2200 µg/m³ in einer Höhe von 2 Kilometern über dem Meeresspiegel erreichten.
Um nachzuvollziehen, woher eine bestimmte Luftmasse kam, können sogenannte Rückwärtstrajektorien verwendet werden. Das Norwegische Institut für Luftforschung (Norwegian Institute for Air Research, NILU) bietet Abbildungen mit Rückwärtstrajektorien in drei verschiedenen Ankunftshöhen für bestimmte Standorte weltweit, darunter auch für die UBA-Messstation Zugspitze/Schneefernerhaus, an (Luftmassentrajektorien berechnet mit dem FLEXTRA-Modell mit Hilfe von meteorologischen Daten vom European Centre for Medium Range Weather Forcast (ECMWF)1. Dabei umfasst jede Trajektorie einen Zeitraum von sieben Tagen, wobei die Farbe auf die jeweilige Höhe über dem Meeresspiegel hinweist. Die Abbildung für den 17. März 2022 um 12 Uhr zeigt für alle drei Ankunftshöhen den Ursprung in Nordafrika, wobei die Rotfärbung auf eine niedrige Ausgangshöhe hinweist (siehe Abbildung 2).
Auch an der auf 1.000 m Höhe gelegenen GAW-Station Hohenpeißenberg vom Deutschen Wetterdienst (DWD) wurden kurzzeitig PM10-Konzentrationen bis ca. 170 µg/m³ gemessen. Dies war allerdings etwas weniger als bei einem besonders starken Saharastaubereignis im Mai/Juni 2008. Flentje et al. (2015) ermittelten an der Station Hohenpeißenberg für den Zeitraum 1997 bis 2013 im Mittel 5-15 Saharastaubereignisse pro Jahr (ungefähr 10-60 Tage pro Jahr). Eine signifikante Zu- oder Abnahme von Saharastaubereignissen wurde in diesem Zeitraum nicht beobachtet. Ein Vergleich mit der Messstation Zugspitze/Schneefernerhaus für den Zeitraum 2011-2013 zeigte, dass ein Saharastaubereignis am Hohenpeißenberg innerhalb einer Abweichung von einem Tag in 90 Prozent der Fälle auch an der Zugspitze beobachtet werden kann.2
1 Stohl, A., G. Wotawa, P. Seibert, and H. Kromp-Kolb (1995): Interpolation errors in wind fields as a function of spatial and temporal resolution and their impact on different types of kinematic trajectories. J. Appl. Meteor. 34, 2149-2165.).
2 H. Flentje, B. Briel, C. Beck, M. Collaud Coen, M. Fricke, J. Cyrys, J. Gu, M. Pitz, W. Thomas: Identification and monitoring of Saharan dust: An inventory representative for south Germany since 1997, Atmospheric Environment 109 (2015) 87e96, http://dx.doi.org/10.1016/j.atmosenv.2015.02.023.
Keine erhöhten Feinstaub-Konzentrationen deutschlandweit
Am 15. März 2022, als an der UBA-Messstation Zugspitze kurzzeitig Stundenmittelwerte über 100 µg/m³ gemessen wurden, wurde mit 59 µg/m³ im Tagesmittel nur an der zur Zugspitze nahegelegenen Messstation „Bad Hindelang/Oberjoch“ (DEBY122, Höhe: 1169 m) des Bayerischen Landesamts für Umwelt eine Überschreitung des PM10-Kurzzeitgrenzwertes (PM10-Tagesmittel über 50 µg/m³ sind nur 35 mal im Jahr erlaubt) beobachtet. Anders sah es am 17. März 2022 aus: immerhin 21 Stationen überschritten den PM10-Tagesgrenzwert von 50 µg/m³ (höchster Tageswert: 88 µg/m³). Die Feinstaubkarte für Deutschland zeigt höhere Konzentrationen vor allem im Süden und Osten Deutschlands (siehe Abbildung 3).
Die Flextra-Rückwärtstrajektorien für den 17. März 2022 um 12 Uhr für die UBA-Messstation Neuglobsow im nördlichen Brandenburg weisen im Gegensatz zur Zugspitze allerdings nicht auf einen Einfluss aus der Sahara hin (siehe Abbildung 4).
Damit wurden für den 17. März 18 Uhr MEZ Rückwärtstrajektorien für 3 Tage mit einer Ankunftshöhe von 100 m über Geländeniveau für Deutschland berechnet (siehe Abbildung 5). Daraus lässt sich schließen, dass nur für den äußersten Süden Deutschlands die Luftmassen nach Nordafrika zurückverfolgt werden können.
Andererseits wurden in weiten Teilen Deutschlands orangefarbene Staubablagerungen auf der Schneeoberfläche oder auf Autos beobachtet. In der Luft schwebende Partikel können, sofern sie nicht durch Niederschlag gebunden auf die Erdoberfläche treffen, aufgrund ihrer Masse nach unten sinken und sich auf dem Boden niederschlagen. Da die PM10-Messung allerdings nur Partikel mit einem Durchmesser von bis zu 10 Mikrometern (µm) umfasst, ist davon auszugehen, dass die Sahara-Staubteilchen so groß waren, dass sie nicht durch die PM10-Geräte erfasst wurden. In der Atemluft herrschten am 17. März 2022 demnach keine großräumig gesundheitlich bedenklichen Feinstaub-Konzentrationen.
3 Stein, A. F., R. R. Draxler, G. D. Rolph, B. J. B. Stunder, M. D. Cohen und F. Ngan: NOAA’s HYSPLIT Atmospheric Transport and Dispersion Modeling System, Bulletin of the American Meteorological Society 96, 12 (2015): 2059-2077, https://doi.org/10.1175/BAMS-D-14-00110.1
Anders verhielt es sich während eines weiteren Saharastaubereignisses im Februar 2021, bei dem viele der Messtationen in Deutschland erhöhte PM10-Konzentrationen beobachteten. Beginnend überschritten am 22. Februar 18 der ca. 360 Stationen den PM10-Tagesgrenzwert von 50 µg/m³. Am 23. Februar überschritten schon 70 Stationen den PM10-Tagesgrenzwert von 50 µg/m³, am 24. Februar 178 Stationen. Am 25. Februar gab es mit 288 Stationen die meisten Überschreitungen, bevor am 26. Februar die Überschreitungssituation wieder abnahm (73 Stationen). Beispielhaft ist hier die Deutschlandkarte für den 24. Februar mit flächendeckend hohen PM10-Konzentrationen zu sehen (siehe Abbildung 6). Die mit denselben Parametern wie für den 17. März 2022 berechneten NOAA-Hysplit-Trajektorien weisen für den 24. Februar 2021 12 Uhr MEZ deutlich auf Nordafrika hin (siehe Abbildung 7). Es ist davon auszugehen, dass in dieser Episode ein großer Teil der in Deutschland gemessenen Feinstaubkonzentration aus der Sahara stammte. An der UBA-Messstation Zugspitze waren die PM10-Konzentrationen in diesem Zeitraum zwar erhöht, aber mit Stundenmittelwerten bis zu 87 µg/m³ und Tageswerten bis zu 56 µg/m³ weit unter den im März 2022 gemessenen Werten.
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