Geoengineering-Governance

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Eingriffe in die komplexen Gefüge der Atmosphäre können unkalkulierbare irreversible Folgen haben.
Quelle: Kobes / Fotolia.com

Seit einigen Jahren gibt es verschiedene Ideen, durch Eingriffe ins Klimasystem der Erderwärmung entgegenzuwirken. Diesen so genannten Geoengineering-Maßnahmen ist gemein: Sie bergen Risiken für Mensch und Umwelt, die sich weltweit auswirken könnten. Deshalb sollten sie auch weltweit reguliert werden.

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist Geoengineering?

Geoengineering umfasst bewusste und zielgerichtete – meist in großem Maßstab durchgeführte – Eingriffe in das ⁠Klimasystem⁠ mit dem Ziel, die vom Menschen gemachte (anthropogene) Klimaerwärmung zu mildern (Royal Society 2009). Statt die Ursache – die anthropogenen Treibhausgasemissionen – des Klimawandels zu bekämpfen, könnte Geoengineering vielmehr nur die Auswirkungen beeinflussen und mindern. Solche Eingriffe werden meistens in zwei Gruppen eingeteilt:

  1. Strahlungshaushalt beeinflussen (Solar Radiation Management – SRM)
    Ziel solcher Ansätze ist es, die auf die Erde eintreffende Sonneneinstrahlung zu verringern und damit die globale Durchschnittstemperatur zu reduzieren. Dazu gehören Vorschläge wie die Installation von Spiegeln im Weltraum oder die Erhöhung der Rückstrahlung des Sonnenlichts (Albedo) durch die Aufhellung von Siedlungen (z.B. Weißen von Dächern). Der am häufigsten diskutierte Ansatz in der Literatur ist die Ausbringung von Gasen mit Schwebeteilchen (Aerosolen) in der Stratosphäre, um das Sonnenlicht zu streuen und damit eine geringere Sonneneinstrahlung an der Erdoberfläche zu bewirken.
  2. Der ⁠Atmosphäre⁠ Kohlendioxid entziehen (Carbon Dioxide Removal - CDR)
    Ziel dieser Ansätze ist es, die Konzentration des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre zu verringern. Dies soll dadurch erreicht werden, dass das ausgestoßene CO2 „zurückgeholt“ und dem ⁠Kohlenstoffkreislauf⁠ möglichst dauerhaft (z.B. durch unterirdische Speicherung) entzogen wird (engl.: Carbon Dioxide Removal, CDR). Pflanzen entziehen der Atmosphäre Kohlendioxid (C02) während der ⁠Photosynthese⁠ und binden Kohlenstoff in ⁠Biomasse⁠. Jedoch wird CO2 wieder freigesetzt, wenn die Biomasse zersetzt oder verbrannt wird. Einige CDR-Ansätze zielen darauf ab, diese natürlichen Prozesse zu nutzen. Beispiele dafür auf dem Land sind die großflächige Aufforstung oder die Verwendung von Bioenergie verknüpft mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung, auch BECCS genannt. Ein Beispiel im Meer ist die Ozeandüngung, mit der das Algenwachstum gefördert und so mehr CO2 gebunden werden soll. Andere Ansätze versuchen mit Hilfe von Chemikalien und unter hohem Energieeinsatz, diese natürlichen Prozesse technisch nachzuahmen, z.B. durch direkte atmosphärische Kohlendioxidfilterung, -abscheidung und -speicherung (DACCS). Andere Methoden setzen an chemischen Reaktionen zwischen Atmosphäre und Gesteinen an  (Verstärkte Verwitterung –„Enhanced Weathering“).
 

Wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn?

Das ⁠UBA⁠ hat 2011 eine systematische Analyse der Geoengineering Ansätze veröffentlicht. In Geo-Engineering – wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? betrachtet das UBA Geoengineering aus Sicht des Vorsorgeprinzips. Danach ist von der Anwendung von Geoengineerings abzuraten, weil alle Ansätze potenzielle Nutzungskonflikte von Ressourcen mit sich bringen und mögliche unvorhersehbare globale Risiken bergen. Weiterhin sind die meisten potenziellen Ansätze entweder in einem sehr niedrigen Entwicklungsstadium oder nur theoretische Gedankenspiele, so dass sie für die jetzt notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung gar nicht zur Verfügung stehen.

Geoengineering-Maßnahmen erscheinen attraktiv, weil eine technische Lösung des Klimaproblems scheinbar ein „Weiter so“ ermöglicht und internationale Verhandlungen sowie Anstrengungen zur Emissionsvermeidung weniger dringlich macht. Die Anwendung von Geoengineering-Maßnahmen könnte aber zu einem Paradigmenwechsel in dreifacher Hinsicht führen, den das Umweltbundesamt im Grundsatz ablehnt. Erstens zu der Annahme, der Mensch wäre in der Lage, globale Umweltprozesse zu verstehen und zu steuern, zweitens zu der Einschätzung, Geoengineering könnte Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen ersetzen und drittens zu dem Kurswechsel, grundsätzliche Konzepte des Umweltvölkerrechts, wie die Minderung des Schadstoffeintrags in die Umwelt, über Bord zu werfen.

Die bisherige Einigkeit, dass ⁠Treibhausgas⁠-Minderungsmaßnahmen in erheblichem Ausmaß erforderlich sind, könnte in Frage gestellt werden. Es besteht die Gefahr, dass die Bekämpfung der Ursachen, also der zu hohe  Treibhausgasausstoß, vernachlässigt wird, weil vermeintliche „Rettungsschirme“ zur Verfügung stehen. Es besteht die Gefahr, dass die Menschheit sowohl mit den Folgen eines gefährlichen Klimawandels als auch zusätzlich  mit den negativen Nebenwirkungen des Geoengineering konfrontiert wird.

 

Die Notwendigkeit globaler Regulierung von Geoengineering

Weil Geoengineering-Maßnahmen eines Staates globale Auswirkungen haben könnten, ist eine globale Regulierung notwendig. Selbst bereits Feldforschungsaktivitäten können negative Auswirkungen haben, z.B. durch große Feldversuche in der ⁠Atmosphäre⁠. Bisher wurden keine Geoengineering-Maßnahmen ergriffen. Jedoch forschen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler theoretisch an solchen Ansätzen, z.B. durch Modellierung oder Laborforschung. Einige CDR-Technologien werden bereits kleinflächig getestet, z.B. DACCS und BECCS. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen erste Feldforschung zu SRM-Maßnahmen in Nordamerika. Dies zeigt, dass eine globale Regulierung kein Zukunftsthema sondern bereits heute notwendig ist.

Die Düngung von Ozeanen, um CO2-bindende Algen zu fördern, ist bisher die einzige Geoengineering-Maßnahme, für die es eine völkerrechtlich verbindliche Kontrolle gibt. Dem Vorsorgeprinzip folgend sollten jedoch alle Geoengineering-Handlungen mit grenzüberschreitenden Risiken international verboten werden. Zum Beispiel das Ausbringen von Schwefelverbindungen in der Stratosphäre, um Sonnenlicht von der Erde abzuhalten. Nur für Forschungszwecke sollten Ausnahmen genehmigt werden können.

 

Umfassender globaler Kontrollmechanismus unter der Biodiversitätskonvention?

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt könnte den Rahmen für den Informationsaustausch und das Entwickeln von Leitlinien für die globale Kontrolle von Geoengineering bieten. Unter dem Dach des Übereinkommens für biologische Vielfalt haben sich im Jahr 2010 zumindest auf vorläufiger Basis 196 Staaten zu einem solchen Verbot von Geoengineering bekannt. Bestimmte Formen der Kohlenstoffspeicherung sind aber nicht erfasst. Dieses Verbot haben die Vertragsstaaten 2016 nochmals bekräftigt. Zu diesem sogenannten „De-Facto-Moratorium“ hat das Umweltbundesamt ein Fact Sheet erstellt.

 

Geoengineering in Meeren: Regelung unter dem Londoner Protokoll

Eine viel diskutierte Methode ist die Meeresdüngung. Die Idee: Durch Zugabe großer Mengen von Eisenverbindungen in das Meerwasser wird eine großflächige Algenblüte erzeugt. Das in den Algen gebundene CO2 sinkt nach deren Absterben auf den Meeresboden ab. Theoretische Annahmen über das Potenzial der Ozeandüngung für die Speicherung von CO2 konnten bislang in Experimenten nicht bestätigt werden. Hinzu kommen erhebliche Risiken, wie der Eintrag zusätzlicher Schadstoffe in die Meere.
Im Jahr 2013 haben sich 43 Staaten auf eine verbindliche internationale Regelung geeinigt. Hierin ist ein Verbot kommerzieller Forschungsversuche vorgesehen. Mehr dazu im Themenartikel „Klimawandel der Meere“.

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Schlagworte:
 geoengineering  Meeresdüngung  Solar Radiation Management  Negative Emissionen  Climate Engineering