Noch zu wenig Schutzgebiete
Die Antarktis-Vertragsstaatengemeinschaft ist sich darüber bewusst, dass es aktuell noch zu wenige Schutzgebiete in der Antarktis gibt, ihre Verteilung ungleich ausfällt und die antarktischen Schutzgüter nur eingeschränkt repräsentieren. Daher sind die Staaten seit einiger Zeit bemüht, ein zusammenhängendes Netzwerk von Schutzgebieten in der Antarktis auf der Grundlage der bestehenden Schutzgebietskulisse aufzubauen. Dazu hat Deutschland nun erstmalig einen eigenen Beitrag geleistet.
Erfolgreiche Suche nach Schutzgebietskandidaten
Mit Hilfe eines Forschungsprojekts und unter Einsatz fernerkundlicher Methoden wurden zunächst verschiedene potenziell geeignete Gebiete für die Ausweisung als ASPA (Antarctic Specially Protected Area) identifiziert und bewertet. In die Endauswahl gelangten die Inselgruppe Danger Islands an der nordöstlichen Spitze der Antarktischen Halbinsel und das Otto-von-Gruber-Gebirge im Dronning Maud Land in der Ostantarktis. Für beide Gebiete wurde jeweils ein Managementplan erarbeitet, der die rechtliche Grundlage des ASPA darstellt und der alle bindenden Regelungen zum zukünftigen Schutzgebiet enthält. In einem mehrstufigen Verfahren hat Deutschland zusammen mit den USA beide Schutzgebietsvorschläge bei den jährlichen Antarktis-Vertragsstaatenkonferenzen eingebracht. Über den ASPA-Vorschlag in der Ostantarktis wird aktuell noch diskutiert.
Im Juni 2024 wurde auf der Antarktis-Vertragsstaatenkonferenz das erste von Deutschland initiierte Schutzgebiet als ASPA Nr. 180 Danger Islands ausgewiesen. Dabei handelt es sich um ein Inselarchipel, das aus sieben Inseln mit einer Gesamtgröße von rund 4,5 km2 besteht. Die Inseln sind überwiegend felsig und die Topografie reicht von flachen Ebenen, über ansteigende Hänge bis hin zu steilen Klippen. Das ASPA umfasst bislang allerdings nur die Inseln selbst, die dazwischenliegenden Meeresgebiete gehören nicht dazu.
Eine herausragende Eigenschaft und gleichzeitig primäres Schutzgut ist die hohe Diversität unter den dort brütenden Vogelarten. Zehn Brutvogelarten sind bislang auf den Danger Islands bekannt. Dominiert wird die Vogelfauna allerdings vom Adeliepinguin, dessen weltweit größte lokale Brutpopulation sich im neuen ASPA Nr. 180 befindet. Letzten Zählungen zufolge bestand diese im Südsommer 2023/2024 aus etwa 1,14 Mio. Brutpaaren.
Management und Monitoring notwendig
Mit der Ausweisung des ASPA Nr. 180 Danger Islands hat Deutschland nun auch die Verantwortung für das Management des Schutzgebietes. Das bedeutet, es muss regelmäßig überprüft werden, ob das Schutzgebiet seinen Schutzzweck auch erfüllt und ob eventuell Anpassungen am Managementplan notwendig sind. Der Managementplan muss ohnehin spätestens alle 5 Jahre überarbeitet werden. Um dies zu gewährleisten, ist die Beobachtung (Monitoring) der Vogelbestände als primäre Schutzgüter unablässig.
Auch Meeresgebiete sollen geschützt werden
Erste Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Nahrungsgebiete der Pinguine auf den Danger Islands sich auf die umliegenden Meeresgebiete erstrecken. Der umfassende Schutz der Tiere kann also nur gewährleistet werden, wenn auch die Nahrungsgründe vor direkten menschlichen Einflüssen – wie etwa der (Krill-)Fischerei geschützt sind. Hierzu soll weiter geforscht werden, um die entsprechenden Meeresgebiete genauer zu verorten und diese dann als marine Komponente des ASPA zu bewahren.
Das Otto-von-Gruber-Gebirge, das als zweites besonders schützenswertes Gebiet identifiziert wurde, ist ein Teil des Wohlthat Massiv Gebirgszugs in der Ostantarktis. Mehrere der Berggipfel erreichen hier fast 2800 m Höhe. Das Gebiet umfasst aber auch zwei Seen, deren Einzugsgebiet und ein Gletscher. Die Oberflächen der Seen - Unter- und Obersee genannt – sind permanent gefroren. Im Inneren dieser extrem alkalischen Seen finden sich neben einzigartigen mikrobiellen Lebensgemeinschaften auch sogenannte Stromatolithen. Dabei handelt es sich um geschichtete Gesteinsstrukturen, die von Bakterien in flachen Gewässern gebildet werden. Die Bakterien scheiden durch ihre Stoffwechselprozesse eine Substanz aus, an der sich Sedimente festsetzen. Mit der Zeit wachsen die Bakterien weiter nach oben, während die unteren Schichten verhärten und schließlich versteinern. Diese bis zu 3,5 Milliarden Jahr alte Lebensform gilt heute als weitgehend ausgestorben und ist nur noch an wenigen Stellen der Erde zu finden. Das Otto-von-Gruber-Gebirge beherbergt außerdem eine der größten bekannten Kolonien des Schneesturmvogels. Vor allem die beiden Seen sind Gegenstand laufender wissenschaftlicher Forschung, für die das Gebiet auch weiterhin zur Verfügung stehen soll.