Die Branche und ihre technischen Verfahren
Deutschland ist einer der größten Chlorhersteller Europas. Die Techniken, die für die Chloralkaliproduktion in Elektrolysezellen eingesetzt werden, sind das Quecksilber- oder Amalgamverfahren, das Diaphragmaverfahren und das Membranverfahren.
In Deutschland bestand Anfang 2011 eine Produktionskapazität von rund 4,8 Millionen Tonnen Chlor pro Jahr. Davon entfallen rund 0,88 Millionen Tonnen (18,2 Prozent) auf das Amalgamverfahren und 1,14 Millionen Tonnen (23,6 Prozent) auf das Diaphragmaverfahren. Auf das Membranverfahren entfällt eine Kapazität von rund 2,8 Millionen Tonnen Chlor (58,3 Prozent).
Die Elektrolyse der Natriumchlorid-Lösung erfolgt beim Amalgam-Verfahren zwischen einer Titan-Anode und der Quecksilber-Kathode. An der Anode wird Chlorgas abgeschieden. Das an der Kathode gebildete Natrium löst sich sofort im Quecksilber als Natriumamalgam. Das Amalgam wird danach mit Wasser behandelt, worauf sich Natriumhydroxid und Wasserstoff bilden. Das verbleibende Quecksilber wird in den Prozess zurückgeführt.
Beim Diaphragmaverfahren besteht die Kathode aus Stahl, die Anode aus Titan. Das Diaphragma bestand in der Vergangenheit meist aus Asbest. Heute werden überwiegend Diaphragmen auf Kunststoffbasis eingesetzt. Das Membranverfahren arbeitet mit einer dünnen Ionenaustauschmembran aus perfluoriertem Kunststoff.
Umweltbelastungen
Von besonderer Bedeutung sind die im Amalgamverfahren eingesetzten Quecksilbermengen. Quecksilber wird aus den Amalgamanlagen in geringen Mengen in die Luft und ins Abwasser emittiert. Auch entstehen quecksilberhaltige Abfälle, wenig Quecksilber gelangt in die Produkte. Über die genauen Mengen berichtet die OSPAR-Kommission jährlich.
Darüber hinaus fallen große Mengen an quecksilberhaltigen Abfällen beim Rückbau der Anlagen an. In Europa werden in den nächsten Jahren bis zu 7.600 Tonnen Quecksilber durch Umrüstungen auf das Membranverfahren oder Stilllegung frei.
Bei der Umrüstung der Anlagen gilt es zu verhindern, dass dieses Quecksilber auf dem Weltmarkt und mit der weiteren Nutzung unkontrolliert in die Umwelt gerät. Dazu gehört zum Beispiel die Goldgewinnung mit Hilfe von Quecksilber in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Asbest-Diaphragmen sind in der EU nur noch in einer Anlage im Einsatz. Sie ist so konstruiert, dass Asbest nicht in die Umwelt gerät. Beim Abbau des Asbests im Tagebau gelangen hingegen Asbestfasern in die Luft. Das Membranverfahren verbraucht im Durchschnitt weniger Energie als das Amalgam- und das Diaphragmaverfahren. Eine besonders energiesparende Variante ist das Membranverfahren mit Sauerstoff-Verzehrkathode.
Auf EU-Ebene fordert die Richtlinie über Industrieemissionen (2010/75/EU) den Einsatz der besten verfügbaren Techniken (BVT). Zurzeit gilt noch das BVT-Merkblatt aus dem Jahr 2001. Ein überarbeitetes BVT-Merkblatt wird voraussichtlich im Herbst 2013 in Kraft treten. Dieses legt als beste verfügbare Techniken das Membranverfahren und das asbestfreie Diaphragmaverfahren fest. Bestehende Amalgam- und Asbestdiaphragma-Anlagen müssen vier Jahre nach Inkrafttreten des neuen BVT-Merkblatts umgerüstet oder stillgelegt sein. Darüber hinaus nennt das BVT-Merkblatt beste verfügbare Techniken zur Minderung von Chlor-Emissionen in die Abluft sowie zur Reduzierung der Emissionen von freiem Chlor, Chlorid, Chlorat, halogenierten organischen Stoffen und Sulfat in das Abwasser.
Vorschriften für Quecksilber
In Deutschland legt die Technische Anleitung Luft einen Grenzwert für Quecksilber in der Zellensaalabluft von 1,0 Gramm pro Tonne genehmigter Chlorproduktion fest. Anhang 42 der Abwasser-Verordnung enthält einen Grenzwert von 0,04 Gramm pro Tonne Chlorproduktionskapazität.
Laut Verordnung 1102/2008/EU ist der Export von Quecksilber aus der EU verboten. Quecksilberabfälle aus der Chloralkali-Industrie dürfen nur in der eigenen Branche weiter genutzt werden. Ist dies nicht möglich, sind sie als Abfall zu entsorgen. Auch enthält die Verordnung Vorschriften zur sicheren Lagerung von quecksilberhaltigen Abfällen.
Vorschriften für Asbest
Gemäß Anhang XVII der REACH-Verordnung (1907/2006/EG) sind das Inverkehrbringen und die Verwendung von Asbestprodukten verboten. Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch Diaphragmen, die Chrysotil enthalten, für bestehende Elektrolyseanlagen von dieser Regelung ausnehmen, bis geeignete asbestfreie Substitute verfügbar werden.