Vom Gehen an Grenzen / Gehen in Wirklichkeit

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Reinhard Krehl - Vom Gehen an Grenzen / Gehen in Wirklichkeit
Quelle: Reinhard Krehl

Promenadologische Erkundungen in Dessau (14.8.) und Berlin (22.8.) mit Reinhard Krehl

Das Spazierengehen ist die natürlichste und einfachste Art, sich eine Landschaft oder eine Stadt zu erschließen. Zu Fuß erkunden wir unsere Umgebung, erreichen unsere Ziele, entdecken die Welt. Und doch ist in Deutschland das Zufußgehen oft nicht besonders attraktiv. Wer läuft, hat unter Abgasen, Lärm und Enge zu leiden. Wir sehen unsere Umwelt immer weniger als Bewohner und Fußgänger, sondern als Autofahrer und Touristen. Dabei geht uns der Blick für das Wesentliche verloren.

Reinhard Krehl, studierter Landschaftsplaner und Künstler, hat für das ⁠UBA⁠ zwei Spaziergänge entwickelt, die sich jeweils an der historischen und kulturellen Entwicklung von Berlin und Dessau orientieren:

Vom Gehen an Grenzen. Promenadologische Erkundung in Dessau

Freitag, 14.08.2020, 15-17 Uhr

Vom ehemaligen Gasviertel zum Georgium und weiter zum Beckerbruch bis hin zur künstlichen Ruine Wallwitzburg und zurück. Der Spaziergang führt an verschiedene Grenzen in der Landschaft, die besonders prädestiniert sind ästhetische Erkenntnisse zu liefern. Wir werden Grenzen der ⁠Landnutzung⁠, Überschneidungen von Sinnsystemen, Übergänge von Kultur und Wildnis erleben.

Diese Systeme und ihre Übergänge sind schon lange zentrales Thema von Kunst und Philosophie – sei es in den „Metamorphosen“ des Ovid oder in den Abbildungen mythologischer Gestalten in der Kunst. Auch in der zeitgenössischen Kunst finden sich Übergänge von Kultur und Natur häufig wieder. Wir werden dies im Gehen entdecken. Das Erlebte, sinnlich Durchdachte und Durchschrittene macht den Spaziergang zu einem Kunstwerk an sich. Er ist ein Erlebnis, das in Schrittgeschwindigkeit stattfindet, also in bewusster Entschleunigung sinnhaft Reize setzt bzw. erfahrbar macht, die bei schnellerer Geschwindigkeit nicht möglich wären. Das Tempo beim Gehen ist die einzig mögliche Geschwindigkeit um den Geist in angemessener Form gleichzeitig in Bewegung und in Einklang mit dem Denken und Erkennen zu bringen.

Treffpunkt: Umweltbundesamt, Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau
Max. Teilnehmer*innenzahl: 20 Personen
Anmeldungen bis zum 13.08.2020 unter fotini [dot] mavromati [at] uba [dot] de, Telefon: 0340/2103-2318
Veranstalter: Umweltbundesamt

Gehen in Wirklichkeit. Promenadologische Erkundung auf dem Teufelsberg/Berlin

Samstag, 22.08.2020, 13-15 Uhr

Wie entsteht Wirklichkeit möchte als Leitmotiv hinter diesem Spaziergang auf dem Teufelsberg in Berlin stehen. Denn beim Spazieren kreuzen sich idealerweise drei verschiedene Bewegungsrichtungen in unserem Geist: Die Bewegung unseres Körpers durch die Landschaft (als sensorische Wahrnehmung), die Bewegung unseres Denkens durch die Landschaft (als interpretierende Wahrnehmung) und die Bewegung unserer Gefühle durch die Landschaft. Alle drei Vorgänge zusammen erschaffen die Landschaft erst. Vorher ist sie nicht existent. Mag sein, dass die Dinge an sich da sind, aber das, was sie sind und was sie darstellen, das erwächst erst in unserem Geist.

Der Spaziergang ist die ideale Form, diesen Vorgang zu erleben und sichtbar zu machen. Der Mensch erhebt sich durch den aufrechten Gang aus der Natur heraus und gleichzeitig erschafft oder erkennt er die Welt in diesem Vorgang. Das Spazierengehen ist jene Kunstform, die Landschaft und Welt gestaltet, ohne sie physisch zu verändern. Im Spaziergang auf dem Teufelsberg werden wir diesen Vorgang erleben. Pflanzen und deren Geschichte oder Namen werden uns begegnen, Landschaftsschichtungen zeigen sich, unerwartete Landschafts-Gestaltungen, Nutzungsformen oder Objekte und darüber Verknüpfungen zu Kunst, Texten und Geschichte, die Teil der Erkundung werden. Dieses Erlebte und sinnlich Durchdachte und Durchschrittene macht den Spaziergang zu einem Kunstwerk in Bewegung.

Diese Veranstaltung findet innerhalb des Begleitprogramms unserer aktuellen Ausstellung „herman de vries: how green is the grass?“ im Georg Kolbe Museum statt.

Treffpunkt: Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, 14055 Berlin
Kosten: 2,- Euro zzgl. Eintritt ins Museum (7,-/5,- Euro)
Max. Teilnehmer*innenzahl: max. 20 Personen
Anmeldungen bis zum 18.08.2020 unter info [at] georg-kolbe-museum [dot] de
Veranstalter: Umweltbundesamt / Georg Kolbe Museum

Reinhard Krehl ist freier Künstler. Als Spaziergangswissenschaftler beschäftigt er sich mit Natur, deren Erkenntnis, Pflanzen und den Ordnungssystemen, die Erfahrungsprozessen zugrunde liegen. Wichtige Impulsgeber für seine Kunst sind Lucius und Annemarie Burckhardt und seine Zeit am Bauhaus Dessau 1998 – 2001. Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland zu zeitgenössischer Kunst und Garten. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u.a. Galerie für zeitg. Kunst Leipzig,  Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, Kartause Ittingen (Schweiz), DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst.  Er fertigt zudem verschiedene Wildblumenmischungen als lebende Kunstwerke.

Lucius Burckhardt (1925-2003) begründete in den 1980er Jahren aus Elementen der Soziologie und des Urbanismus die Promenadologie, die Spaziergangswissenschaft. Das neue Fach entwickelte er zu einer komplexen und weitblickenden Planungs- und Gestaltungswissenschaft. Die Promenadologie ist der Ausgangspunkt für eine realistische Haltung zur Wahrnehmung und Wirklichkeit, für ein anderes Verständnis von Landschaft und urbanem Raum, sowie für eine neue Architektur und Planung.

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Schlagworte:
 Kunst und Umwelt