Wirkungen auf Ökosysteme

Das Bild zeigt Kronenverlichtung der Bäume des Ökosystems Wald im Unterholz und einen undurchdringlichen Zuwachs an Brombeergestrüpp.zum Vergrößern anklicken
Der Einfluss von Luftschadstoffen auf Ökosysteme
Quelle: Umweltbundesamt FG II 4.3

Inhaltsverzeichnis

 

Einführung

Nicht jede in der ⁠Atmosphäre⁠ transportierte Substanz ist per se ein Luftschadstoff. Eine Schadwirkung tritt erst auf, wenn essentielle Substanzen beispielsweise im Übermaß vorliegen. Im Gegensatz dazu führen nicht essentielle Substanzen in jedem Fall zu Abwehrreaktionen der Pflanzen. Luftschadstoffe breiten sich in der ⁠Atmosphäre⁠ aus und werden großflächig in Ökosysteme eingetragen. Werden terrestrische Ökosysteme exponiert, treten durch unterschiedliche biochemische Mechanismen, Schadwirkungen auf. Luftschadstoffe können direkt oberirdische Pflanzenbestandteile exponieren, oder aber durch ⁠Deposition⁠ auf den Boden über das Wurzelwerk aufgenommen werden, wobei sich zudem die abiotischen Parameter des Bodens verändern können. Es gibt zwei Hauptwirkungsweisen von Luftschadstoffen auf die Vegetation und zwar können diese sofort toxisch wirken (z.B. Verätzungen der Blattoberfläche) oder chronisch toxisch (z.B. schleichender Effekt durch Mineralienentzug) wirken. Bei einer chronischen, schleichenden Vergiftung greifen die Entgiftungsmechanismen der Pflanzen. Die Auswirkungen auf Pflanzen oder ganze Ökosysteme können dabei über Jahre hinweg beobachtet werden, denn die Pflanzen-physiologischen Vorgänge kann man nicht beobachten. Diverse Effekte werden erst nach einer gewissen Zeit sichtbar wie z.B. Nekrosen oder der Niedergang ganzer Organismen oder eine Verschiebung von Organismusstrukturen.

Je höher der Genpool der in einem ⁠Habitat⁠ existierenden Arten ist, desto resilienter kann ein ⁠Ökosystem⁠ auf Stressoren, wie hier die Luftschadstoffe, reagieren (Artikel: Ökosystemintegrität). Das bedeutet, dass das Ökosystem seine Organisation erhalten kann und nicht auf einen qualitativ ärmeren Zustand verfällt.

Im Falle einer Schädigung terrestrischer Ökosysteme durch Luftschadstoffe, können diese ihre vielfältigen Funktionen im Naturhaushalt (zum Beispiel Puffer- und Filterfunktionen), die häufig auch für den Menschen von vitaler Bedeutung sind, nur noch eingeschränkt erfüllen. Es handelt sich dabei um sognannte Ökosystemdienstleistungen wie die Bereitstellung von sauberem Grundwasser und anderen Ressourcen, Hochwasserschutz oder die Eignung für Erholungszwecke. Bewertungsmethoden stellen deshalb zunehmend die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen und deren Beeinträchtigung, zum Beispiel durch Schadstoffbelastungen, in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Begrenzung der Luftbelastung ist deshalb ein entscheidender Schritt zum Schutz der Umwelt. Um das Ausmaß der Gefährdung von Ökosystemen durch Luftschadstoffe abzuschätzen, werden die eingetragen Schadstoffmengen mit ökosystemspezifischen kritischen Belastungsgrenzen (⁠Critical Loads⁠) verglichen. Dadurch ist es möglich, Belastungsschwerpunkte zu erkennen und Minderungsmaßnahmen zu optimieren

 

Wirkungen von Luftschadstoffen in Ökosystemen

Luftschadstoffe können in der ⁠Atmosphäre⁠ über weite Strecken transportiert und anschließend in Ökosysteme eingetragen werden. Dieser Austrag von Luftschadstoffen aus der Atmosphäre an die Erdoberfläche wird ⁠Deposition⁠ genannt. Für naturnahe Landökosysteme stellt der Schadstoffeintrag über die Atmosphäre häufig den wichtigsten Belastungspfad dar (Artikel: Einträge von Schadstoffen). Dort üben sie in unterschiedlicher Weise Wirkungen auf ⁠Flora⁠ und ⁠Fauna⁠ aus und beeinflussen somit die biologische Vielfalt. Die bedeutendsten Luftschadstoffe für negative Wirkungen in Ökosystemen sind versauernde Schwefelverbindungen, Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und Stickstoffoxide, Ozon sowie Schwermetalle

Übermäßige Einträge von Schwefel- und Stickstoffverbindungen und im geringen Maße auch Halogenwasserstoffe führen im Boden zur ⁠Versauerung. Damit einhergehend ändern sich Menge und Zusammensetzung des Nährstoffangebotes. Pflanzen und Pflanzengesellschaften, die auf neutrale Bodenverhältnisse angewiesen sind, haben bei solchen Immissionen langfristig keine Überlebenschance. Die entsprechenden Ökosystemtypen verschwinden und die Vielfalt der Ökosysteme wird verringert (Artikel Daten zur Umwelt: Überschreitung der Belastungsgrenzen für Versauerung).

Stickstoffverbindungen wirken darüber hinaus eutrophierend auf naturnahe terrestrische Ökosysteme. Langanhaltende, erhöhte Stickstoffeinträge über die Luft verändern die Gleichgewichte zwischen bioverfügbaren Stickstoffspezies und anderen Nährstoffen (wie Magnesium, Phosphor und Kalium) im Boden und damit auch ihre ausgewogene Aufnahme durch die Pflanzen. Der unausgewogene Ernährungsstatus im ⁠Ökosystem⁠ führt zu einer Abnahme der Toleranz von Pflanzen gegenüber kurzzeitigen Störungen oder Stress (Frost, Trockenheit, Schädlinge). Eutrophierende Stickstoffeinträge gehören deswegen derzeit zu den Hauptursachen für den Verlust biologischer Vielfalt in Europa, weil Arten und Biotoptypen verdrängt werden, die an geringe Stickstoffverfügbarkeit angepasst sind (Artikel Daten zur Umwelt: Überschreitung der Belastungsgrenzen für Eutrophierung). Weitere schädliche Wirkungen der Stickstoffdeposition können unter anderem Nitratauswaschung und Lachgasemission aus den Böden sein (Artikel: Reaktiver Stickstoff in der Umwelt).

Schwermetalle kommen auf natürliche Weise sowohl in diversen Bodentypen, als auch in Gestein vor. Ein Teil der Schwermetalle ist als Spurenelement für Organismen essentiell, ein anderer Teil ist per se toxisch. Schwermetalle, werden auch durch menschliches Handeln in die Umwelt freigesetzt und akkumulieren oftmals im Boden. Bei Überschreitung bestimmter Konzentrationen wirken sie toxisch auf die Vegetation was negative Konsequenzen für die Ökosystemfunktionen darstellt.

Bodennahes Ozon hat eine schädigende Wirkung auf die Vegetation. Die Schadwirkung kann innerhalb einer ⁠Vegetationsperiode⁠ zu Ertrags- beziehungsweise Qualitätsverlusten bei Kulturpflanzen führen (zum Beispiel Verfärbungen und Absterben von Blattteilen) oder im Falle von Bäumen auch langfristige Effekte haben, wie etwa die Steigerung der Empfindlichkeit gegenüber Schädlingen.

Grundsätzlich führt anhaltende ⁠Exposition⁠ durch Luftschadstoffe zu Stress und letztendlich zur Destabilisierung von Ökosystemen (zum Beispiel Waldschäden), die dann anderen Stressfaktoren (z.B. ⁠Trockenstress⁠) und Klimaänderungen (z.B. langanhaltende Hitze) gegenüber anfälliger sind.

Alle genannten anthropogenen (das heißt durch den Menschen verursachten) Einflüsse wirken zusammen und gemeinsam mit natürlichen Standortfaktoren sehr unterschiedlich: Die Wirkungen können sich gegenseitig verstärken, additiv sein oder auch abschwächen (weil z.B. Entgiftungsmechanismen bereits durch einen anderen Luftschadstoff aktiviert wurde).

 

Bewertung von Luftschadstoffwirkungen im Naturschutz- und Immissionsschutzrecht

Um empfindliche Ökosysteme vor schädlichen Einwirkungen zu schützen, sieht das Immissions- und Naturschutzrecht vor, dass Anlagen (zum Beispiel Straßen, landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen) nur dann genehmigt werden, wenn die Emissionen der geplanten Anlage zu keinen erheblichen Schäden an Pflanzen und Ökosystemen führen.

Standardisierte Leitfäden für diese Prüfungen und Bewertungen tragen zur Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vollzugs bei.

 

Immissionsschutzrecht – Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen

Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (⁠TA Luft⁠) dient unter anderem dem Schutz der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen. Sie ist eine Verwaltungsvorschrift, die immissionsschutzrechtliche Anforderungen an die Genehmigung von Anlagen konkretisiert. Durch die Definition von Immissionswerten schützt die TA Luft die Vegetation und Ökosysteme vor erheblichen Nachteilen. Darüber hinaus fordert sie eine detaillierte Einzelfallprüfung der Genehmigungsfähigkeit, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutz empfindlicher Pflanzen oder sensibler Ökosysteme (zum Beispiel Heide, Moor, Wald) vor erheblichen Nachteilen nicht gewährleistet ist, die durch die Einwirkung von Ammoniak oder den Eintrag von Stickstoff entstehen. In der Praxis betrifft das vor allem den Bau und die Erweiterung von mittleren und großen Feuerungsanlagen sowie Tierhaltungsanlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (⁠BImSchG⁠) genehmigungs¬pflichtig sind.

Die Vorgehensweise zur Bewertung ist in dem Stickstoffleitfaden der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) festgelegt und seit 2012 in Kraft. Seit der Verabschiedung der neuen TA-Luft im Jahr 2021 wurde mit der Überarbeitung des Leitfadens begonnen. Für die Bewertung der Wirkungen in einem Projektantrag wird die voraussichtliche Gesamtbelastung (anlagenspezifische Zusatzbelastung plus Vorbelastung) mit einem ökosystemspezifischen Beurteilungswert verglichen. Zur Ermittlung der Vorbelastung kann der im Auftrag des ⁠UBA⁠ modellierten flächendeckende Datensatz der Stickstoffdeposition (Raster: 1 x 1 km2) verwendet werden. Die Zusatzbelastung wird nach den Vorgaben der TA Luft mit dem Ausbreitungsmodell AUSTAL2000 berechnet. Die Ableitung des ökosystemspezifischen Beurteilungswertes erfolgt ausgehend von empirischen ⁠Critical Loads⁠ unter zusätzlicher Einbeziehung von Zuschlagsfaktoren für die Gefährdungsstufe des jeweiligen Schutzgutes.

 

Naturschutzrecht – Bewertung von Nährstoffeinträgen in FFH-Gebiete

Pläne (zum Beispiel Bebauungspläne) oder Projekte (zum Beispiel Errichtung einer Anlage oder der Bau einer Straße) können Auswirkungen auf Schutzgebiete haben. Nach dem Naturschutzrecht sind sie deshalb vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen europäischer Schutzgebiete (sogenanntes ⁠Flora⁠-⁠Fauna⁠-⁠Habitat⁠, oder kurz, FFH-Gebiete) zu überprüfen. Auch die Auswirkungen eutrophierender Stickstoffeinträge auf FFH-Gebiete oder schützenswerte Bestandteile derselben, zum Beispiel nachteilige Verschiebungen im Artenspektrum, müssen dabei berücksichtigt werden.

Die Forschungsgesellschaft Straßenverkehr und eine Ad-hoc Arbeitsgruppe zusammengesetzt aus Vertretern der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) und der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) legten Leitfäden zum Vorgehen bei der Bewertung der Stickstoffdeposition im Rahmen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen vor.

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 Luftschadstoffe  Wirkung  Eintrag in Boden  FFH  Bewertung