Stickstoffeintrag aus der Landwirtschaft und Stickstoffüberschuss

Stickstoff ist ein essenzieller Nährstoff für alle Lebewesen. Im Übermaß in die Umwelt eingebrachter Stickstoff führt aber zu enormen Belastungen von Ökosystemen.

Inhaltsverzeichnis

 

Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft

Eine Maßzahl für die Stickstoffeinträge in Grundwasser, Oberflächengewässer, Böden und die Luft aus der Landwirtschaft ist der aus der landwirtschaftlichen Stickstoff-Gesamtbilanz ermittelte Stickstoffüberschuss (siehe Abb. „Saldo der landwirtschaftlichen Stickstoff-Gesamtbilanz in Bezug auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche“).

Die Stickstoff-Gesamtbilanz setzt sich zusammen aus den Komponenten Flächenbilanz (Bilanzierung der Pflanzen- bzw. Bodenproduktion), Stallbilanz (Bilanzierung der tierischen Erzeugung) und der Biogasbilanz (Bilanzierung der Erzeugung von Biogas in landwirtschaftlichen Biogasanlagen). Der Stickstoffüberschuss der Gesamtbilanz ergibt sich aus der Differenz von Stickstoffzufuhr in und Stickstoffabfuhr aus dem gesamten Sektor Landwirtschaft (siehe Schaubild „Schema der Stickstoff-Gesamtbilanz der Landwirtschaft“). Der ⁠Indikator⁠ wird vom Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des Julius Kühn-Instituts und dem Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Universität Gießen berechnet und jährlich vom ⁠BMEL⁠ veröffentlicht (siehe BMEL, Tabellen zur Landwirtschaft, MBT-0111-260-0000).

Der Stickstoffüberschuss der Gesamtbilanz wird als Mittelwert für Deutschland angegeben. Regional können sich Überschüsse sehr stark unterscheiden. Grund dafür sind vorrangig unterschiedliche Viehbesatzdichten und daraus resultierende Differenzen beim Anfall von Wirtschaftsdünger. Um durch ⁠Witterung⁠ und Düngerpreis verursachte jährliche Schwankungen auszugleichen wird ein gleitendes 5-Jahresmittel errechnet.

Die Ergebnisse der Bilanzierung zeigen einen abnehmenden Trend bei den Stickstoffüberschüssen über die erfasste Zeitreihe (siehe Abb. „Saldo der landwirtschaftlichen Stickstoff-Gesamtbilanz in Bezug auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche“). Im Zeitraum 1992 bis 2019 ist der Stickstoffüberschuss im gleitenden 5-Jahresmittel von 117 Kilogramm pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche und Jahr (kg/ha*a) auf 82 kg/ha*a gesunken. Das entspricht einem jährlichen Rückgang von 1% sowie einem Rückgang über die Zeit um 30 %. Die Reduktion des Stickstoffüberschusses zu Beginn der 1990er Jahre ist größtenteils auf den Abbau der Tierbestände in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Der durchschnittliche Rückgang des Stickstoffüberschusses über die gesamte Zeit von 1992 bis 2019 beruht auf Effizienzgewinnen bei der Stickstoffnutzung (Ertragssteigerungen in der Pflanzenproduktion und höhere Futterverwertung bei Nutztieren). In den Jahren seit 2015 ist der Überschuss besonders stark gesunken. Grund dafür sind neben einer veränderten und wirksameren Gesetzgebung, gesunkene Tierzahlen sowie Dürrejahre und höhere Mineraldüngerpreise und der damit einhergehende verminderte Einsatz von Mineraldüngern.

Im Jahr 2016 wurde in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (BReg 2016) ein Zielwert von 70 kg/ha*a für das gleitende 5-Jahresmittel von 2028-2032 verankert. Von 1992 bis 2019, also in 27 Jahren, wurde somit etwa dreiviertel der angestrebten Reduktion erreicht.

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Bewertung der Entwicklung

Wenn die Stickstoffüberschüsse weiterhin so schnell sinken wie in den letzten Jahren wird das Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie voraussichtlich in den nächsten Jahren erreicht werden. Für einen umfassenden Schutz von Umwelt und ⁠Klima⁠ ist dies aber noch nicht ausreichend. Die in 2016 in Kraft getretene politische Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (⁠NEC-Richtlinie⁠) verpflichtet Deutschland bis 2030 dazu 29 % der Ammoniak-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2005 zu reduzieren. Bis zum Jahr 2021 wurde hier nur eine Minderung von 16 % erreicht. Da der Sektor Landwirtschaft der größte Verursacher von Ammoniak-Emissionen ist, sind hier also noch weitere Maßnahmen für die Zielerreichung nötig. Aber auch für das Erreichen von weiteren Zielen, wie Nitrat im Grundwasser, Stickstoffeintrag über die Zuflüsse in Nord- und Ostsee und ⁠Eutrophierung⁠ der Ökosysteme wird voraussichtlich das Erreichen des 70 kg-Ziels nicht ausreichen, denn hier kommt es weniger auf den durchschnittlichen nationalen Stickstoffüberschuss, sondern eher auf die regionale Verteilung der Stickstoffüberschüsse an. Einen Überblick über die Verteilung der Überschüsse finden Sie hier.

 

Stickstoffzufuhr und Stickstoffabfuhr in der Landwirtschaft

Die Stickstoffzufuhr zur landwirtschaftlichen Gesamtbilanz berücksichtigt Mineraldünger, Wirtschaftsdüngerimporte, Kompost und Klärschlamm, atmosphärische Stickstoffdeposition, Stickstoffbindung von Leguminosen, Co-Substrate für die Bioenergieproduktion sowie Futtermittelimporte. Die Stickstoffabfuhr berücksichtigt pflanzliche und tierische Marktprodukte. Im Durchschnitt lag die Stickstoffzufuhr zwischen 1990 und 2021 bei 187 Kilogramm pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche und Jahr (kg/ha*a), mit einem Maximum von 209 kg/ha*a im Jahr 1990 und einem Minimum von 158 kg/ha*a im Jahr 2021. Die Zufuhr hat, über die gesamte Zeitreihe gesehen, nur leicht abgenommen. Lediglich in den letzten 5 Jahren gab es einen mittleren Rückgang von 7 kg/ha*a. Die Stickstoffabfuhr betrug im gesamten Betrachtungszeitraum durchschnittlich 86 kg/ha*a, mit einem Maximum von 101 kg/ha*a im Jahr 2014 und einem Minimum von 67 kg/ha*a im Jahr 1990. Im gleitenden 5-Jahresmittel stieg die Abfuhr von 72 kg/ha*a im Jahr 1992 auf 89 kg/ha*a im Jahr 2019 an. Dies entspricht einem Anstieg des über tierische und pflanzliche Produkte abgefahrenen Stickstoffs von etwa 24 %.

2021 stammten 48 % der Stickstoffzufuhr der Landwirtschaft aus Mineraldüngern, 22 % aus inländischem Tierfutter sowie 15 % aus Futtermittelimporten. Wirtschaftsdünger und betriebseigene Futtermittel werden in der Flächenbilanz, nicht aber in der Gesamtbilanz berücksichtigt. 2 % des Stickstoffs wurden über den Luftpfad eingetragen (⁠Deposition⁠ aus Verkehrsabgasen und Verbrennungsanlagen) und 2 % stammte aus Kofermenten für die Biogasproduktion. 9 % sind der biologischen Stickstofffixierung von Leguminosen (zum Beispiel Klee oder Erbsen) anzurechnen, die Luftstickstoff in erheblichem Maße binden. Etwa 1 % der Stickstoffzufuhr stammte aus Saat- und Pflanzgut.

Die Stickstoffabfuhr fand zu 33 % über Fleisch, Schlachtabfälle und sonstige Tierprodukte und zu 66 % über pflanzliche Marktprodukte statt.

 

Umweltwirkungen der Stickstoffüberschüsse

Überschüssiger Stickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen gelangt als Nitrat in Grund- und Oberflächengewässer und als Ammoniak und Lachgas in die Luft. Lachgas trägt als hochwirksames ⁠Treibhausgas⁠ zur Klimaerwärmung bei. Der Eintrag von Nitrat und Ammoniak in Land- oder Wasser-Ökosysteme kann weitreichende Auswirkungen auf den Naturhaushalt haben. Diese sind unter anderem

  • eine Nitratbelastung des Grundwassers,
  • eine ⁠Versauerung⁠ der Böden und Gewässer und somit eine Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt sowie
  • eine Nährstoffanreicherung (⁠Eutrophierung⁠) in Wäldern, Mooren, Heiden, Oberflächengewässern und Meeren.

Im Mittel der Jahre 2012 bis 2016 wurden rund 480 Kilotonnen Stickstoff pro Jahr in die deutschen Oberflächengewässer eingetragen (siehe „Einträge von Nähr- und Schadstoffen in die Oberflächengewässer“). Durchschnittlich stammten in diesem Zeitraum 74 % dieser Einträge aus landwirtschaftlich genutzten Flächen.

 

Die Düngeverordnung

Die Düngeverordnung definiert „die gute fachliche Praxis der Düngung“ und gibt vor, wie die mit der Düngung verbundenen Risiken zu minimieren sind. Sie ist wesentlicher Bestandteil des nationalen Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Nach der Düngeverordnung dürfen Landwirtinnen und Landwirte Pflanzen nur entsprechend ihres Nährstoffbedarfs düngen. Die Düngeverordnung wurde 2017 und 2020 novelliert um Strafzahlungen als Folge des Urteils des EuGHs gegen Deutschland wegen Verletzung der EU-Nitratrichtlinie zu verhindern. Dieses Ziel wurde vorerst erreicht. Die kurzfristige Wirkung der Maßnahmen der novellierten Düngeverordnung werden aktuell im Rahmen eines Effizienzmonitorings geprüft, um die mit Nitrat belasteten und von ⁠Eutrophierung⁠ betroffenen Gebiete zu identifizieren und eine schnelle Nachsteuerung von Maßnahmen in diesen Gebieten zu erreichen. Informationen zu den Novellierungen finden Sie hier.

 

Weitere Maßnahmen zur Verringerung der Überschüsse

Um das Ziel der Bundesregierung zum Stickstoffüberschuss und der damit untrennbar verbundenen Umweltziele zu Nitrat im Grundwasser, ⁠Eutrophierung⁠ von Ökosystemen sowie Oberflächengewässern und zu Emissionen von Luftschadstoffen zu erreichen, muss die Gesamtstickstoffzufuhr in der Landwirtschaft verringert und der eingesetzte Stickstoff effizienter genutzt werden. Die Voraussetzung dafür ist das Schließen des Stickstoffkreislaufs. Dafür müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die dazu führen, dass die Anwendung von Mineraldünger reduziert wird, importierte Futtermittel durch heimische ersetzt werden und die Anzahl von Nutztieren reduziert wird. Zudem muss die Effizienz der Stickstoffnutzung durch weitere Optimierungen des betrieblichen Nährstoffmanagements, wie standortangepasste Bewirtschaftungsmaßnahmen, geeignete Nutzpflanzensorten und passende, vielfältige Fruchtfolgen verbessert werden. Dabei ist am Ende nicht nur die Verringerung der durchschnittlichen Überschüsse entscheidend, sondern auch die Verteilung der Nährstoffe in die Fläche, denn nur so können die genannten Umweltziele erreicht werden. Um diese Verteilung zu erreichen müssen große Tierbestände reduziert und die Tiere gleichmäßiger auf die gesamte landwirtschaftliche Fläche verteilt werden.