Der Staat und seine Rollen im Kontext von Sustainable Finance
Aktuell spielt die öffentliche Hand auf dem nachhaltigen Finanzmarkt eine zentrale Rolle in der Standard- und Regelsetzung. Gleichzeitig legen Staaten aber auch Geld an und/oder emittieren eigene Anleihen. In diesem Zusammenhang scheint auch eine Vorbild-Rolle des Staates für private Akteure naheliegend.
Neben seiner Rolle als Gesetzgeber (siehe Artikel Regulierung) nehmen der Staat und staatliche Akteure durch weitere Aktivitäten aktiv und passiv Einfluss auf die Gestaltung und das Funktionieren des nachhaltigen Finanzmarktes.
So erstrecken sich die Aktivitäten der öffentlichen Hand über ein weites Spektrum, von der Rahmen- und Anreizsetzung über die Aufsicht im Bereich Finanzmarktstabilität bis hin zur Kapitalanlage (etwa von staatlichen Pensionsgeldern und Investitionsprogrammen) und Kapitalaufnahme (zum Beispiel mittels Staatsanleihen).
Bei all diesen Aktivitäten gibt es eine Vielzahl von Ansatzpunkten zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien und dieser Umstand hat mittlerweile auch Einzug in das Bewusstsein der öffentlichen Hand gehalten.
Rahmensetzung und Gesetzgebung
So hat sich die deutsche Bundesregierung öffentlich vorgenommen, Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort zu machen. Der Bund soll als Vorbild für Sustainable Finance im Finanzsystem etabliert werden.
In diesem Sinne betont die Bundesregierung auch in ihrer 2021 veröffentlichten Sustainable-Finance-Strategie, dass, neben gezielten Maßnahmen für die Förderung des Sustainable-Finance-Bereiches, auch die öffentliche Finanz- und Haushaltspolitik, also öffentliche Ausgaben, Steuern & Abgaben und Subventionen, auf private Akteure und das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen einwirkt.
Die Anwendung von ESG-Kriterien für nachhaltige Anlagepraxis durch den Bund hat unmittelbare Auswirkungen auf die Mobilisierung von Kapital für die Transformation.
Zugleich kann eine nachhaltige Ausrichtung der Anlagekriterien und -strategie(n) der staatlichen Akteure aber auch für die Entwicklung von „Benchmarks“ dienen, an denen sich andere staatliche und insbesondere private Akteure orientieren.
Im Rahmen der Maßnahmen 18 und 19 der deutschen Sustainable-Finance-Strategie („Etablierung einer grünen Bund-Renditekurve“ und „Nachhaltigkeit und Transparenz in den Kapitalanlagen des Bundes verbessern“), werden konkrete Maßnahmen adressiert, die der Bund am Kapitalmarkt umzusetzen plant.
Zentralbanken und Aufsicht
Zentralbanken stehen aufgrund ihres Mandats, das in der Regel auch Finanzstabilität und Bankenaufsicht beinhaltet, an zentraler Stelle des Finanzsystems, auch mit Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken.
Mark Carney, der damalige Governor der Bank of England und Chairman des Financial Stability Board (FSB), war einer der ersten Regulierungspraktiker, der natürliche Risiken 2015 problematisierte. Seine Rede „Breaking the tragedy of the horizon – climate change and financial stability“ wird heute oft als Referenzpunkt genommen, um den Beginn der Sustainable-Finance-Diskussionen zu kennzeichnen (siehe auch Artikel Historische Entwicklung).
In den vergangenen Jahren haben Zentralbanken und Aufsicht das Thema ESG- und Nachhaltigkeitsrisiken noch stärker in den Fokus genommen. Mit der Gründung des Network for Greening the Financial System (NGFS) im Dezember 2017 existiert ein institutionalisiertes Netzwerk von inzwischen 108 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Sie tauschen sich zum Thema Klima- und Umweltrisiken und Mobilisierung von Kapital für die Transformation aus und wollen zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten beitragen. Das Netzwerk forscht zu best practices und versucht, sie im Finanzsektor zu verankern.
Auch die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sind Mitglieder des NGFS. Dabei haben die Akteure vor allem die Risiken im Blick, die sich durch den Klimawandel und andere Umweltaspekte ergeben. Diese sind im Vergleich zu anderen Risiken aufgrund fehlender historischer Erfahrungen schwerer zu modellieren als herkömmliche Risikoarten.
Im Rahmen wissenschaftlicher Paper konzentrierten sich die Akteure zunächst auf die Analyse und die Beobachtung von Effekten des Klimawandels auf Geldpolitik und Finanzstabilität. Mittlerweile werden jedoch auch in der Praxis genutzte Instrumente wie Stresstests und Szenarioanalysen dahingehend angepasst, dass Umweltaspekte berücksichtigt werden.
Außerdem formulieren diese Akteure Erwartungen an beaufsichtigte Unternehmen, wie diese Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen sollten. So hat auch die BaFin 2019 ein Merkblatt zu Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht, in dem diesbezügliche Hinweise für beaufsichtigte Unternehmen formuliert werden. Nachhaltigkeitsrisiken sind demnach keine alleinstehenden Risiken, sondern wirken auf bereits existierende Risiken, wie Marktrisiken, Liquiditätsrisiken oder operationelle Risiken ein.
Zentralbanken und Aufsicht unterstützen politisch-regulatorisches Handeln mit ihrer Expertise und setzen es im Rahmen ihrer Mandate um. Sie begleiten somit Markt und Politik bei der Umsetzung von Sustainable Finance.
Anlagen der öffentlichen Hand
Für Pensionsrückstellungen und Sondervermögen will der Bund Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen berücksichtigen. Die Anlage von Sondervermögen des Bundes und der Länder, wie die Versorgungsrücklage des Bundes, hat, wie jede Anlageform, nachhaltigkeitsbezogene Auswirkungen.
Die rechtlichen Vorgaben für und die Anforderungen an die Geldanlagen des Bundes, der Länder und der Kommunen sind komplex und mit verschiedenen Erwartungen, nicht zuletzt in punkto Sicherheit, behaftet. Einige Akteure haben bereits mit einer Umgestaltung begonnen und beispielsweise eigene Indizes und Anlagekriterien entwickelt.
Als Beispiel für eine erste Umsetzung gilt die Anlage der Aktienvermögen der Sondervermögen Versorgungsrücklage und Versorgungsfonds des Bundes, Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit sowie der Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung als EU Climate Transition Benchmark.
Die Climate Transition Benchmark (CTB) und die Paris Aligned Benchmark (PAB) sind Nachhaltigkeitsbenchmarks, die Anlegenden Hinweise auf die Nachhaltigkeit des Finanzproduktes geben. Wollen Anlegende in einen Index investieren, können sie bei PAB Fonds sichergehen, dass diese 50% weniger Emissionen als ihre konventionellen Mütter ausstoßen (bei CTBs 30%). Weiterhin müssen die so zertifizierten Fonds ihren Ausstoß jährlich um 7% senken. Für mehr Informationen siehe auch: Benchmark-Verordnung
Darüber hinaus will der Bund den Dialog und die Koordination von Maßnahmen im Bereich nachhaltige Veranlagung mit den Bundesländern und Kommunen stärken.
Emission von grünen Wertpapieren
Die öffentliche Hand ist außerdem Akteur am Anleihen-Markt, indem sie selbst als Emittent von Anleihen auftritt. Staatliche Emittenten werden von vielen Investoren als sichere Anlageoption geschätzt und gewählt.
Zugleich agieren staatliche Akteure aber auch hier zunehmend als Vorbild und setzen mit der Entwicklung und Begebung von „Grünen Anleihen“ Standards für andere Marktteilnehmer. Beispielsweise emittiert der Bund seit 2020 grüne Anleihen, mit dem Ziel eine grüne Bund-Renditekurve zu schaffen, die zur Referenzgröße im grünen Euro-Kapitalmarkt werden soll. Aber auch die Bundesländer sind in diesem Bereich schon länger engagiert. Beispielsweise emittiert das Land Nordrhein-Westfalen bereits seit 2015 Sustainability Bonds. Zur Vollständigkeit muss aber konstatiert werden, dass der Großteil der begebenen Bonds keine grünen oder sustainable bonds sind. Ferner sind Anleihen des Bundes nicht zweckgebunden, sodass eine Sicherstellung der ökologischen Wirkung grüner Bonds nicht gewährleistet ist.
Die öffentliche Hand ist an Unternehmen beteiligt, für deren Nachhaltigkeitsleistung sie auch eine Verantwortung trägt. Unternehmen in öffentlicher Hand (wie Strom- und Wasserwerke) sollten deshalb auch Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen – in ihrem Geschäftsbetrieb ebenso wie bei der eventuell erforderlichen Kapitalbeschaffung, etwa über „grüne Anleihen“. Entsprechend sind in den letzten Jahren eine Reihe von Emissionen zur Finanzierung von Transformationsvorhaben von Bund, Land und kommunaler Ebene, beispielsweise von Stadtwerken begeben worden.
Nicht zuletzt führt der Staat auch Investitionsprogramme zur Stützung der Wirtschaft in Krisenzeiten sowie für die Unterstützung innovativer Technologien durch. Die KfW tritt hier als Transformationsbank des Staates auf, indem sie sich vor allem auf die Finanzierung nachhaltiger Wirtschaftsprojekte im In- und Ausland konzentriert.
Aus dieser kurzen Ausführung wird deutlich, wie vielfältig die Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand für die nachhaltige Ausrichtung der Finanzwirtschaft sind. Während manche fragen, ob sich der Staat hier nicht an der Einrichtung einer Planwirtschaft engagiert, fragen sich viele andere, warum er seiner Verantwortung für die Förderung der Transformation auch in seiner Rolle als Akteur am Finanzmarkt nicht schon früher gerecht wurde. Schließlich ist die Notwendigkeit zu einer solchen Transformation schon lange bekannt. Im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft ist es ferner akzeptiert, dass der Staat aktiv wird, um offensichtliches Marktversagen zu adressieren.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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