Forum Lebensmittelverschwendung: Reduktion gelingt nur gemeinsam

Lebensmittelabfällezum Vergrößern anklicken
Etwa ein Drittel der Lebensmittel gehen auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren
Quelle: TheStockCube / Fotolia.com

Zu viele Lebensmittel enden auf dem Müll. Darin sind sich die Teilnehmenden des vom UBA veranstalteten Fachforums Lebensmittelverschwendung einig. Über 70 Akteure aus Industrie, Forschung und Politik diskutierten am 5. September 2017 in Berlin Möglichkeiten, die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren. Damit mehr Lebensmittel auf dem Teller landen, müssen alle Akteure zusammenarbeiten.

Ein Drittel der Lebensmittel gehen verloren

Weltweit gehen nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO jährlich etwa ein Drittel der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren, während gleichzeitig etwa 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden. Dieses Ausmaß an Verschwendung ist nicht nur aus ethisch-sozialer Sicht unverantwortlich, sondern bedeutet auch einen massiven Verlust natürlicher Ressourcen, die für die Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln notwendig sind. Vor diesem Hintergrund wollte das Umweltbundesamt mit dem Fachforum „Lebensmittelverschwendung wirksam reduzieren – gemeinsam mehr erreichen“ einen Impuls setzen, Lebensmittelabfallverluste und -abfälle entlang der gesamten Wertschöpfungskette effektiv zu reduzieren.

Innovative Ideen liegen vor

Das vom Wuppertal Institut, IFEU und ⁠Stakeholder⁠ Reporting organisierte Forum brachte Akteure aus der Landwirtschaft, dem Handel, von Initiativen und Start-ups junger Erwachsener zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und der Politik zusammen, um gemeinsame Lösungsvorschläge in fünf zentralen Themenfeldern zu diskutieren:

  • ‚Cosmetic Standards‘ für Lebensmittel: Krumm? Verdellt? – Essbar! – Innovator Tanja Krakowski, Culinary misfits
  • Innovative Logistiksysteme: Logistik als Helfer bei der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, Innovator Jonas Bieber, Dörrwerk & Nicole Klaski, The Good Food
  • Catering: Der Beitrag von Großküchen und Großverbrauchern in der Praxis, Innovator Michael Schieferstein, Food Fighters
  • Weitergabe stärken: Lebensmittel verzehren statt verwerfen, Innovator  Teresa Sophie Rath, Too Good to Go
  • Zielgruppe Verbraucher: Wirksame Ansätze gegen Lebensmittelverschwendung, Innovator, Dr. Jana Diels, ConPolicy

In allen Bereichen gibt es bereits erfolgversprechende Ansätze, um Lebensmittelverluste und Lebensmittelabfälle zu reduzieren: Immer mehr Einzelhändler bieten auch Lebensmittel an, die bei nicht hundertprozentig perfektem Aussehen die gleiche Qualität haben. In der Logistik zeigen Pilotprojekte, wie bessere Absprachen zwischen Produzenten und Abnehmern das Aufkommen von Lebensmittelabfällen reduzieren können. Unterstützende Instrumente wie z.B. der vom Umweltbundesamt in enger Zusammenarbeit mit Praktikern erarbeitete Catering-Leitfaden geben Hinweise, wie die Gastronomie Ressourcen besser nutzen und gleichzeitig Geld sparen kann. Die Weitergabe von Lebensmitteln findet immer mehr Engagierte, die in faszinierenden Projekten innovative Lösungen finden, um Lebensmittel nicht einfach wegzuwerfen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass auch ihr Konsumverhalten darüber entscheidet, wie positive Veränderungen herbeigeführt werden können und so weniger Lebensmittel ungenutzt bleiben.

Ergebnisse der Diskussion des Forums waren unter anderem der Wunsch nach einer engeren Vernetzung und Kommunikation zwischen den Akteuren, ein kontinuierlicher Austausch, die Schaffung von Anreizsystemen, die Nutzung digitaler Möglichkeiten für ein schnittstellenübergreifendes Management von Lebensmitteln. Zentral ist die Steigerung der Wertschätzung von Lebensmitteln, etwa durch eine gezielte Anwendung von Marketingstrategien sowie die bewusste Erfahrbarmachung von Genuss und Geschmack unserer Lebensmittel in persönlichen Begegnungen auf Hof und Markt. Dies spiegelte sich auch in dem Statement von Timo Schmitt (Ernährungsrat Berlin), der unterstrich, Lebensmittelwertschätzung beginne bereits mit der sprachlichen Bezeichnung. Von Lebensmittelabfällen zu sprechen, lasse den Punkt außer Acht, dass ein großer Teil dieser Lebensmittel eigentlich noch genießbar sei. Von Lebensmittelüberhängen oder Lebensmittelverschwendung zu sprechen, drückt dagegen bereits eine andere Wertschätzung aus. Die Paneldiskussion am Nachmittag, an der neben Dr. Bettina Rechenberg (⁠UBA⁠), Prof. Jana Rückert-John (Hochschule Fulda), Dr. Claudia Banz (Kunstgewerbemuseum Berlin) und Frederik Schulze-Hamann (Slow Food, Vorstand) teilnahmen, verdeutlichte zudem, dass die „Verschwendung“ von Lebensmitteln eng mit der Verbreitung zukunftsfähiger nachhaltiger Lebensstile zusammenhängt. Insofern sahen die Diskussionsteilnehmer auch einen wichtigen Anknüpfungspunkt für das Thema im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum.

Ausblick: Auf dem Weg zu einer Gesamtstrategie

Auf internationaler Ebene haben die Vereinten Nationen mit den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) im September 2015 vereinbart, die weltweiten Nahrungsmittelabfälle pro Kopf im Handel und auf Konsumentenebene bis 2030 zu halbieren sowie die Nahrungsmittelverluste in der Produktions­ und Lieferkette, einschließlich Nachernteverlusten, zu reduzieren (SDG 12.3). Diesem Ziel sieht sich auch die Bundesregierung verpflichtet und hebt die notwendige Beteiligung aller Akteure der Wertschöpfungskette hervor. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das bereits 2013 beschlossene Abfallvermeidungsprogramm des Bundes unter Beteiligung der Länder, welches für das Ziel der Reduzierung von Lebensmittelabfällen vorsieht, die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen.

Um die genannten Ziele tatsächlich erreichen zu können, besteht die zentrale Herausforderung in einer engeren Verzahnung der verschiedenen Aktivitäten aller Akteure – nur gemeinsam wird eine wirksame Reduzierung der Lebensmittelverschwendung möglich sein! Das Fachforum hat hierzu wertvolle Impulse gesetzt. Die Ergebnisse fließen in ein aktuell vom Umweltbundesamt erarbeitetes Positionspapier und in die weitere Umsetzung des Nationalen Programms für nachhaltigen Konsum im Handlungsfeld ‚Ernährung‘ über das Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum ein. Für Austausch und Verzahnung entlang der gesamten Wertschöpfungskette bietet das Nationale Netzwerk Nachhaltiger Konsum bereits einen Raum.

Bildergalerie: Impressionen vom Fachforum Lebensmittelverschwendung

<>
  1. Krummes Gemüse in den Handel bringen (Workshop 1)
  2. Innovatorin Nicole Klaski erläutert das Konzept von ‚The Good Food‘
  3. Konkrete Ideen eines schnittstellenübergreifenden Managements von Lebensmitteln (Workshop 2)
  4. Paneldiskussion: 50% weniger Lebensmittelabfälle bis 2030 – was sind die wirksamsten Hebel?