Hitzeaktionspläne: Status quo, Barrieren & Erfolgsfaktoren

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Hitzewellen werden häufiger und intensiver
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Was braucht ein kommunaler Hitzeaktionsplan und wo gibt es Unterstützungsbedarf? Diese und weitere Fragen sind mit der Zunahme von Hitzeperioden und ihren Auswirkungen in den vergangenen Jahren zunehmend relevanter geworden. Deshalb hat ein erstes bundesweites Forschungsprojekt kommunale Hitzeaktionspläne etwas genauer unter die Lupe genommen – mit bemerkenswerten Einblicken.

Hitzewellen werden häufiger und intensiver

Die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen seit den 1970er Jahren eine Zunahme von Hitzewellen in Deutschland. Die Europäische Umweltagentur geht davon aus, dass unter allen betrachteten Klimawandelszenarien in Zukunft eine Zunahme von Hitzewellen, sowohl hinsichtlich deren Häufigkeit, Dauer als auch deren Intensität, zu erwarten ist. Auch die Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland projiziert eine flächendeckende Zunahme von Hitzewellen. Demnach werden urbane Ballungsräume besonders betroffen sein. Extrem heiße Sommer in Deutschland sind in der Konsequenz in den kommenden Jahren – wie bereits in den Jahren 2003, 2018, 2019 und 2022 – vermehrt zu erwarten.

Die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Hitzeereignisse und Sonneneinstrahlung bleibt selbst bei einem schwachen ⁠Klimawandel⁠ bestehen. Deshalb wurde im zweiten Aktionsplan Anpassung zur Umsetzung der Deutschen Anpassungsstrategie im Jahr 2015 die Notwendigkeit zur Erstellung von Hitzeaktionsplänen (HAP) – wie bereits von der Weltgesundheitsorganisation (⁠WHO⁠) zeitnah nach dem extremen ⁠Hitzesommer⁠ 2003 in Europa empfohlen – erwähnt. Die Bund/Länder Ad-hoc Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an den Klimawandel“ (⁠GAK⁠) publizierte daraufhin „Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit“.

Forschungsprojekt untersucht Umsetzungsstand bei Hitzeaktionsplänen

Aber inwieweit sind diese Handlungsempfehlungen bei den Zielgruppen – Bundesländern und Kommunen – angekommen? Welche Akteure entwickeln bereits passende Pläne zur Vorsorge gegen und Bewältigung von Hitzewellen? Auf welche Klimavorsorgedienste wird dabei zurückgegriffen? Und wo liegen Barrieren in diesem Prozess? Diese und andere Fragen bearbeitete die Beratungsfirma adelphi research gGmbH und die Hochschule Fulda im Auftrag des Umweltbundesamtes im Forschungsprojekt „Wirksamkeitsanalysen von gesundheitlichen Anpassungsmaßnahmen im Rahmen von Hitzeaktionsplänen sowie Klimaanpassungsdiensten“ (kurz: HAP-DE; 2019-2023).

Maßnahmen können hitzebedingte Mortalität senken

Mit einer systematischen Literaturrecherche identifizierte das Projektteam elf Studien zwischen 2008 und 2019, die den Einfluss von Hitzeaktionsplänen auf die hitzebedingte Mortalität thematisieren. Besonders älteren Menschen und Frauen können Hitzeaktionspläne demnach helfen, ihr Risiko, aufgrund von Hitze zu sterben, zu verringern. Deshalb sollte der Bund prüfen, inwieweit zielgruppenspezifische Maßnahmen aus anderen Ländern und deren Plänen sich auch zur Umsetzung in Deutschland eignen.

Bisher haben nur wenige Kommune Hitzeaktionspläne umgesetzt

Mit einer Onlineumfrage unter kommunalen Verwaltungen erlangte das Projektteam wichtige Erkenntnisse zu der Bedeutung, den Barrieren und Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen. Über die Hälfte der 116 Antwortenden (58%) kannten die Handlungsempfehlungen zur Erstellung von Hitzeaktionsplänen. In der Gruppe der befragten Bundesländer waren sie sogar mehr als 90% bekannt. Von den Personen, welche die Handlungsempfehlungen kennen, fanden 81% die Handlungsempfehlungen sehr beziehungsweise eher hilfreich. Nur 16% gaben an, dass diese für sie eher nicht oder gar nicht (3%) hilfreich waren.

Zum Befragungszeitpunkt im späten Frühjahr 2020 hatte noch kein Bundesland und nur vier Kommunen bzw. ein Landkreis nach eigenen Angaben Hitzeaktionspläne umgesetzt. Bei rund der Hälfte der Antwortenden auf Ebene der Bundesländer beziehungsweise Gemeinden war ein solcher allerdings in Erarbeitung oder zumindest in Planung. Von den befragten Kommunen häufig genutzte Klimavorsorgedienste zum Thema umfassen den Hitzeknigge des ⁠UBA⁠, den DWD-Hitzenewsletter, die NINA-Warn-App sowie das Klimavorsorgeportal der Bundesregierung.

Begriff „Hitzeaktionsplan“ wird unterschiedlich ausgelegt

Im Rahmen von Fallstudien und Beratungen erarbeitete das Projektteam weitere Evidenz zum Stand der Hitzeaktionsplanung und damit verbundenen Barrieren. Dabei zeigte sich schnell, dass der Begriff „Hitzeaktionsplan“ von Kommunen unterschiedlich ausgelegt wird. Die konkreten Maßnahmen, die Kommunen unter dem Stichwort Hitzeaktionsplan planen, fallen entsprechend vielfältig aus. In der Analyse kristallisierten sich Faktoren heraus, die maßgelblich für den Erfolg oder Misserfolg eines kommunalen Hitzeaktionsplans sind. Dabei ging es unter anderem um:

  • Risikowahrnehmung: Häufig werden Risiken, die von Hitze ausgehen, von der Bevölkerung und von Entscheidungstragenden in Politik und Verwaltung unterschätzt. Dies wirkt sich hemmend auf die Konzeption und Umsetzung eines Hitzeaktionsplans aus.
  • Verteilung von Zuständigkeiten: Ein Hitzeaktionsplan benötigt die enge und – oftmals noch nicht etablierte – Zusammenarbeit verschiedener Akteure unter anderem aus den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Soziales, Stadtplanung und Bevölkerungsschutz.
  • Akquise von Ressourcen: Der Erhalt von ausreichend finanziellen und personellen Ressourcen für die Entwicklung und Umsetzung eines Hitzeaktionsplans stellte für mehrere interviewte Kommunen eine zentrale Herausforderung dar.

Unter anderem auf Basis dieser Erkenntnisse hat die Hochschule Fulda eine Arbeitshilfe für die Entwicklung und Umsetzung kommunaler Hitzeaktionspläne veröffentlicht.

Klimavorsorgedienste umfassender evaluieren

Viele Akteure sehen Klimadienste als eine hilfreiche Unterstützung bei Aktivitäten zur Hitzevorsorge an. Inwieweit die Dienste tatsächlich genutzt werden und welche Wirkung sie entfalten, ist allerdings ungewiss, da nur wenige Klimavorsorgedienste evaluiert werden. Hier sollten die Anbieter solcher Dienste in Zukunft stärker tätig werden. Zur Unterstützung zukünftiger Evaluationen verfasste das Projektteam eine Handreichung mit dem Titel „Evaluation von Klimavorsorgediensten – Anleitung und Tipps zur Analyse der Wirksamkeit“. Dieser Leitfaden umfasst methodische Hilfestellungen, Tipps und Hinweise, wie Verbreitung, Bekanntheit und Rezeption von Diensten bei der Zielgruppe oder Anwendungserfahrungen erfasst werden können.

Übergreifenden Handlungsrahmen optimieren

Um mehr kommunale Hitzeaktionspläne in die Umsetzung zu bringen, fordern viele Kommunen, den Gesundheitsschutz vor und bei Hitze im Rahmen einer kommunalen Pflichtaufgabe gesetzlich zu verankern und mit Leben zu füllen. Dies würde es den Akteuren vor Ort erleichtern, das Thema angesichts der vielen anderen Pflichtaufgaben stärker in den Fokus rücken zu können. Darüber hinaus empfiehlt das Projektteam, dass Bund und Länder einzelne Akteure noch intensiver in einen Austausch zum Thema bringen sollten, etwa über Dialogveranstaltungen, Weiterbildungen oder überregionale beziehungsweise ressortübergreifende Projekte. Solch ein Wissensaustausch und eine verstärkte Kooperation wäre vor allem hilfreich für Bundesoberbehörden unterschiedlicher Ressorts und Kommunalverwaltungen; dort insbesondere für die Gesundheits- und Sozialämter.

Abschlussbericht: Analyse von Hitzeaktionsplänen und gesundheitlichen Anpassungsmaßnahmen an Hitzeextreme in Deutschland

Autor: Christian Kind (adelphi)

Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 84 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

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 Klimawandel  Anpassung  Hitze  Hitzeaktionsplan  Gesundheit  Kommunen