IRL2024 - A46b

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Parkettmuster in einem Verkaufsmuster
Quelle: Heidrun Hofmann / Bremer Umweltinstitut GmbH

Inhaltsverzeichnis

Disclaimer: Dieser Artikel ist ein Beitrag im Rahmen der Konferenz "Innenraumluft 2024" und spiegelt nicht die Meinung des Umweltbundesamtes wider. Für die Inhalte sind die genannten Autoren und Autorinnen verantwortlich.

Autor*innen
Heidrun Hofmann1, Kjell Christoph2, Ulrike Siemers2, Norbert Weis2

1Bremer Umweltinstitut GmbH, Akazienweg 56 A, 37083 Göttingen
2Bremer Umweltinstitut GmbH, Fahrenheitstr. 1, 28359 Bremen

Empfohlene Zitierweise: Hofmann, H., Christoph, K., Siemers, U., Weis, N. (2024). Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen und holzbasierten Produkten: b) Weiterentwicklung der Anforderungen bezüglich der Emissionsprüfungen beim Blauen Engel. Beitrag A46b zur Fachtagung „Innenraumluft 2024 - Messen, Bewerten und Gesundes Wohnen“, 6.-8. Mai 2024, Dessau-Roßlau. https://www.umweltbundesamt.de/irl2024-a46b

 

Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen und holzbasierten Produkten

b) Weiterentwicklung der Anforderungen bezüglich der Emissionsprüfungen beim Blauen Engel

Der Einsatz von Harnstoff-Formaldehyd-Harzen bei der Herstellung von Holzwerkstoffen stellt nach wie vor eine bedeutende Emissionsquelle für Formaldehyd in der Raumluft dar [6], [7]. Auf der Grundlage der Ergebnisse von Emissionsprüfungen von Bodenbelägen und vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Prüfverfahren und Prüfbedingungen für Formaldehyd werden Vorschläge für die Weiterentwicklung der Vergabekriterien des Blauen Engel in Bezug auf Formaldehyd und ⁠VOC⁠ vorgestellt.

 

Einleitung

Der Blaue Engel ist ein zentrales Instrument für die Auswahl von emissionsarmen und umweltfreundlichen Produkten. Er hat für die Umsetzung der Zielsetzung des gesunden und nachhaltigen Bauens und Wohnens eine hohe Relevanz. Um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, ist es daher notwendig, die Vergabekriterien des Blauen Engel regelmäßig einer Revision zu unterziehen und an aktuelle Entwicklungen im Bereich der Produkte, Prüfanforderungen und Bewertung anzupassen.

Auf nationaler Ebene wurde mit der Anpassung des Prüfverfahrens und der Änderung der Prüfbedingungen [2] bei unverändertem Grenzwert die Anforderung an die ⁠Emission⁠ von Formaldehyd für beschichtete und unbeschichtete Holzwerkstoffe gemäß Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) ab 01.01.2020 deutlich verschärft. Es stellte sich daher die Frage, ob auch Bodenbeläge, die mit dem Blauen Engel ausgezeichnet sind, diese strengere Anforderung erfüllen und ob die für Formaldehyd genannten Prüfbedingungen auch für die Bewertung der weiteren Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (Volatile Organic Compounds ⁠VOC⁠) zugrunde gelegt werden können.

 

Emissionsprüfungen

Um die Ergebnisse der unterschiedlichen Prüfszenarien (siehe Tabelle 1) vergleichen und bewerten zu können, wurden 16 Bodenbeläge für Kurzeitmessungen über drei Tage und sechs Bodenbeläge - vorrangig Produkte mit Blauem Engel - für Langzeitmessungen über 28 Tage sowie fünf weitere Produkte ebenfalls für Langzeitmessungen ausgewählt. Untersucht wurden verschiedene Parkette, Design- und Laminatböden mit und ohne den Blauen Engel sowie Dielen aus einem Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff (Wood Plastic Composite WPC) und Brettschichtholz (siehe Tabelle 2).

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Ergebnisse

Bei den Emissionsprüfungen wurden in Abhängigkeit von der Prüfmusterherstellung und den Prüfkammerbedingungen je nach Produkttyp große Unterschiede im Substanzspektrum und den Konzentrationen festgestellt.

Die Prüfungen gemäß Prüf- und Bewertungsschema des Ausschusses zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) [1] zeigen insgesamt niedrige Emissionen für die geprüften Produkte (zwei Parkettböden ohne Blauen Engel, zwei Parkettböden mit Blauem Engel und zwei Designböden mit Blauem Engel, siehe Tabelle 3). Alle geprüften Bodenbeläge erfüllen im Rahmen der AgBB-Prüfung die Emissionsanforderungen gemäß DE-UZ 176 [5]. Die Prüfungen gemäß ChemVerbotsV ergaben, wie aufgrund der höheren Beladung zu erwarten ist, im Vergleich dazu deutlich höhere Emissionen (siehe Tabelle 4). Zudem veränderte sich hier auch bei einigen Produkten aufgrund der Emissionseigenschaften der Kanten und Rückseiten das Substanzspektrum deutlich. Es werden unter diesen Bedingungen von allen geprüften Bodenbelägen (ein Parkettboden ohne Blauen Engel, ein Laminatboden mit Blauem Engel, zwei Parkettböden mit Blauem Engel und zwei Designböden mit Blauem Engel) die Emissionsanforderungen gemäß DE-UZ 176 überschritten. Alle geprüften Bodenbelägen überschreiten die Anforderung der DE-UZ 176 an die ⁠Emission⁠ von Formaldehyd nach 28 Tagen. Bis auf den Laminatboden überschreiten alle übrigen Bodenbeläge die Anforderung der DE-UZ 176 an den TVOC nach 28 Tagen; ein Bodenbelag (Designboden mit Blauem Engel) überschreitet bereits die Anforderung der DE-UZ 176 an den TVOC nach 3 Tagen. Die R-Werte nach 28 Tagen liegen bei 1,046 (Laminatboden mit Blauem Engel) bis 4,93 (Parkettboden ohne Blauen Engel). Zwei Bodenbeläge überschreiten mit Formaldehydemissionen von 0,14 ⁠ppm⁠ (Designboden mit Blauem Engel) und 0,24 ppm (Parkettboden ohne Blauen Engel) den Grenzwert der ChemVerbotsV.

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Vergleicht man die Formaldehydergebnisse der Prüfungen gemäß ChemVerbotsV mit den Ergebnissen der Prüfungen gemäß DIN EN 717-1 [3] (siehe Tabelle 5) zeigt sich, dass ein Umrechnungsfaktor von 2 bei mehrschichtigen Bodenbelägen sowie einem Brettschichtholz deutlich überschritten wird.

Ergebnisse für Formaldehyd nach 28 Tagen Kammerprüfdauer gemäß ChemVerbotsV und DIN EN 717-1 und ermittelter Umrechnungsfaktor, Hervorhebung: Überschreitung der Anforderung gemäß ChemVerbotsV. [µg = Mikrogramm = 1 Millionstel Gramm, µg/m³ = Mikrogramm pro Kubikmeter]
Tabelle 5:Ergebnisse für Formaldehyd nach 28 Tagen Kammerprüfdauer gem. ChemVerbotsV und DIN EN 71-1

Ergebnisse für Formaldehyd nach 28 Tagen Kammerprüfdauer gemäß ChemVerbotsV und DIN EN 717-1 und ermittelter Umrechnungsfaktor, Hervorhebung: Überschreitung der Anforderung gemäß ChemVerbotsV. [µg = Mikrogramm = 1 Millionstel Gramm, µg/m³ = Mikrogramm pro Kubikmeter]

Quelle: Heidrun Hofmann / Bremer Umweltinstitut GmbH Gesamte Tabelle 5 als Excel-Datei
 

Fazit

Aufgrund der Höhe der Beladung und der Einbeziehung der Rückseite und Kanten in die Emissionsfläche werden bei der Prüfung von Bodenbelägen gemäß ChemVerbotsV deutlich höhere Formaldehyd- und ⁠VOC⁠-Emissionen als bei einer Prüfung gemäß AgBB Prüf- und Bewertungsschema ermittelt. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der holzbasierten Bodenbeläge die Anforderungen an die Innenraumluftqualität der Vergabegrundlage der DE-UZ 176 überschreiten würden.

Eine Übernahme der Prüfbedingungen, so wie sie aktuell noch für das Referenzverfahren für die Bestimmung von Formaldehyd in beschichteten und unbeschichteten Holzwerkstoffe in der ChemVerbotsV genannt werden, in die Vergabekriterien des Blauen Engel für Emissionsarme Bodenbeläge gemäß DE-UZ 176 würde somit für Bodenbeläge eine sehr hohe Hürde darstellen. Zudem würde die Anwendung einer Beladung von 1,8 m²/m³ für Bodenbeläge gemessen an dem in der DIN EN 16516 [4] auf Basis des Expositionsszenarios in einem europäischen Referenzraum verankerten Beladungsfaktor für Böden in Höhe von 0,4 m²/m³ voraussichtlich nicht akzeptiert werden. Allerdings sollten aus Sicht des Gesundheitsschutzes zukünftig die Rückseiten und Kanten bei Emissionsprüfungen in die Bewertung einbezogen werden, um dem Ziel, mit dem Blauen Engel insgesamt emissionsärmere Bodenbeläge auszuloben, näher zu kommen. Der Vergleich der Formaldehydergebnisse der Prüfungen gemäß ChemVerbotsV mit den Ergebnissen der Prüfungen gemäß DIN EN 717-1 Faktor zeigt, dass bei mehrschichtigen Holzwerkstoffen wie den hier untersuchten Bodenbelägen sowie einem Brettschichtholz ein Faktor von 2 für die Bewertung der Emissionsmessung nach der DIN EN 717-1 nicht ausreicht. Es bleibt zu hoffen, dass mit der neuen europäischen Regelung und der noch ausstehenden Formulierung der Prüfbedingungen eine weitergehende Reduktion der Formaldehydemissionen von Holzwerkstoffen und holzbasierten Möbeln ab 2026 erreicht werden kann. Wünschenswert wäre ein Ausschluss Harnstoff-Formaldehyd-Harz basierter Leime für Holzwerkstoffe in den Vergabekriterien des Blauen Engel.

Danksagung

Wir danken dem Umweltbundesamt vertreten durch Herrn Dr. Frank Brozowski für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des ReFoPlan 2020 (Förderkennzeichen 3720 37 307 0) und die anregenden Diskussionen.

 

Literatur

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Schlagworte:
 Formaldehyd  Blauer Engel  Emissionsprüfungen  Prüfverfahren  Vergabekriterien