BAU-I-4: Starkregen im Siedlungsbereich

Das Bild zeigt die Regenrinne eines Hauses as Klinkermauerwerk. Es regnet stark.zum Vergrößern anklicken
In trockenen Sommern ist es wichtig, sich gegen Starkregen zu schützen und Wasser zu speichern.
Quelle: © Budimir Jevtic / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

BAU-I-4: Starkregen im Siedlungsbereich

Die hohe Zahl an Stunden mit ⁠Starkregen⁠-Warnungen im Jahr 2021 steht vor allem in Zusammenhang mit den verheerenden Regenfällen, die Mitte Juli des Jahres vor allem Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie Sachsen und Bayern trafen. Die Starkregen-Warnungen zeigen dabei nur einen Teil der Bedrohung von Siedlungen: Vor längeren und ergiebigen Regenfällen warnt der ⁠DWD⁠ mit dem zusätzlichen Warnkriterium Dauerregen.

In der Abbildung BAU-I-4 "Starkregen im Siedlungsbereich" zeigen Stapelsäulen den prozentualen Anteil der Siedlungsfläche mit Überschreitung der Starkregen-Warnstufe 3 (Unwetter) nach der Anzahl von Stunden. Es werden fünf Kategorien abgebildet: 1 bis 3 Stunden, mehr als 3 bis 6 Stunden, mehr als 6 bis 12 Stunden, mehr als 12 bis 24 Stunden, über 24 Stunden. Die höchste Kategorie ist nur in wenigen Jahren vertreten. Die beiden niedrigsten Kategorien haben den deutlich höchsten prozentualen Anteil. Es erfolg
BAU-I-4: Starkregen im Siedlungsbereich

In der Abbildung BAU-I-4 "Starkregen im Siedlungsbereich" zeigen Stapelsäulen den prozentualen Anteil der Siedlungsfläche mit Überschreitung der Starkregen-Warnstufe 3 (Unwetter) nach der Anzahl von Stunden. Es werden fünf Kategorien abgebildet: 1 bis 3 Stunden, mehr als 3 bis 6 Stunden, mehr als 6 bis 12 Stunden, mehr als 12 bis 24 Stunden, über 24 Stunden. Die höchste Kategorie ist nur in wenigen Jahren vertreten. Die beiden niedrigsten Kategorien haben den deutlich höchsten prozentualen Anteil. Es erfolgte keine Trendanalyse. Die Werte schwanken deutlich zwischen den Jahren. Mit über 30 Prozent war der Gesamtwert von den betrachteten Jahren 2001 bis 2021 im Jahr 2021 am höchsten, 2002 war er ähnlich hoch.

Quelle: DWD (Radarklimatologie RADKLIM (RW) Version 2017.002 / BKG (DLM250)

Starkregen – eine Gefahr für Siedlungen

Starkregen⁠ sind Wetterereignisse, bei denen innerhalb kurzer Zeit große Regenmengen niedergehen. Der ⁠DWD⁠ warnt vor unwetterartigem Starkregen, wenn in einer Stunde mehr als 25 Liter je Quadratmeter (l/m²) oder in sechs Stunden mehr als 35 l/m² Regen erwartet werden. Als extremes Unwetter werden Regenmengen von mehr als 40 l/m² in einer Stunde beziehungsweise 60 l/m² in drei Stunden eingestuft. Häufig kommt es zu diesen Wolkenbrüchen, wenn durch Konvektion gebildete, massive Wolken ihre Wassermengen in starken Regenfällen auf zumeist kleiner Fläche abregnen.
Typisch für die Folgen kurzzeitiger Starkregen sind Bilder wie aus dem baden-württembergischen Braunsbach (Mai 2016) oder aus Berlin (Juni 2017): Binnen weniger Minuten bringen unwetterartige Starkregen die Kanalisation zum Überlaufen und setzen ganze Straßenzüge unter Wasser. Sie lösen Sturzfluten aus, die Autos mit sich reißen und Straßen und Häuser verwüsten. Ereignisse wie diese können in extremen Fällen Leib und Leben der Bevölkerung gefährden, in vielen Fällen sind sie mit hohen Sachschäden verbunden. Im gesamten Jahr 2021 etwa beliefen sich die versicherten Schäden an Wohngebäuden, Hausrat und Betrieben durch Überschwemmung und Starkregen auf rund 9,2 Mrd. Euro.

Schäden entstehen bei oder nach Starkregen vor allem durch sogenannte Sturzfluten. Das sind extreme Hochwasser als Folge der starken Regenfälle. Im Flachland entstehen sie, wenn das Regenwasser nicht rasch genug abfließen oder im Boden versickern kann. Das Wasser sammelt sich an der Oberfläche oder staut sich aus überlasteten Abwasser- und Entwässerungssystemen, deren Bemessungsgrenzen überschritten sind, zurück. Vor allem in Mulden und Unterführungen kann der Wasserstand dann sehr schnell steigen. In hängigem Gelände kann es zu sogenannten Gebirgssturzfluten kommen. Das schnell abfließende Wasser sammelt sich in Rinnen oder Bachbetten und kann extrem schnell zu schwallartigen Hochwasserwellen ansteigen. Diese erreichen mitunter auch Gegenden, in denen es vorher gar nicht geregnet hat.137 Wenn solche Gebirgssturzfluten Material wie Bäume oder Steine mit sich reißen, kann es an Gebäuden zu massiven Schäden kommen – bis hin zum Totalverlust.
Starkregen und Sturzfluten können Gebäude aber auch auf andere Art schädigen. So kann das Wasser am Gebäude höher anstehen, als es bei der Gebäudeplanung bedacht war, und beispielsweise durch ebenerdige Hauseingänge, Kellerfenster oder auch durch den Rückstau aus dem Kanal ins Gebäude eindringen. Dort verteilt es in den überschwemmten Räumen Schlamm und Schmutz, der zudem mit Mineralöl, Chemikalien und Fäkalien belastet sein kann. Oberhalb und unter der Erdoberfläche können das anstehende Wasser oder die hohe ⁠Bodenfeuchte⁠ zu typischen Hochwasserschäden an der Bausubstanz führen, beispielsweise Durchfeuchtung und Wasserstandslinien, Ausblühungen an Oberflächen, abgelöste Beschichtungen oder Schimmel. Um Schäden vorzubeugen, können Hausbesitzende eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, etwa auf eine ausreichende Höhe von Gebäudeöffnungen über dem Gelände, wasserdichte Baustoffe und geeignete Entwässerungssysteme mit Rückstausicherung achten.138 138 138
Nach den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der ⁠IPCC⁠ unter anderem im zweiten Teil des 6. Sachstandsberichts139 zusammengetragen und im Februar 2022 veröffentlicht hat, lässt sich eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen durch den Klimawandel beobachten. Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung werden die Klimarisiken weltweit und auch in Deutschland weiter zunehmen. Unter anderem gehen Fachleute der Meteorologie und Klimaforschung für die Zukunft von häufigeren und extremeren Starkniederschlagsereignissen in Deutschland aus. Ein Grund dafür ist, dass die Luft bei höheren Temperaturen mehr Wasser aufnehmen kann – rund sieben Prozent mehr pro ⁠Kelvin⁠ Temperaturerhöhung. Zudem ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der geänderten meteorologischen Verhältnisse bei der Entstehung von Schauern und Gewittern die Wolken- und Niederschlagsbildung intensivieren werden. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts werden in Deutschland – bei starken regionalen und saisonalen Unterschieden – heute noch relativ selten auftretende hohe Tagesniederschläge deutlich häufiger sein.140 140 140 140
Wie häufig und intensiv Starkregen sind und ob der Klimawandel schon einen Einfluss auf sie hat, lässt sich nur schwierig ermitteln. Da sie oft nur lokal begrenzt auftreten, werden Starkregen nur teilweise durch das meteorologische Stationsmessnetz erfasst. Unter anderem aus diesem Grund hat der DWD eine radargestützte Niederschlagserfassung entwickelt, aus der seit 2001 weitgehend flächendeckende Niederschlagsdaten und nahezu alle Informationen zu Starkregenereignissen vorliegen.141 Diese Datenerfassung wird in Zukunft auch Trendanalysen zur Überschreitungshäufigkeit der vom DWD verwendeten Warnstufen ermöglichen.
Für den dargestellten ⁠Indikator⁠ wurden die jährlichen Daten aus der radargestützten Niederschlagsmessung mit der Siedlungsfläche in Deutschland überlagert. Im Ergebnis heben sich vor allem die Jahre 2002 und 2021 ab, in denen besonders viel Siedlungsfläche in einer hohen Anzahl von Stunden durch Starkniederschläge betroffen war. Dies hängt zusammen mit jeweils großflächigen und langanhaltenden Dauerregen (nach den Warnkriterien des DWD Regenfälle in einem Zeitraum von 12 bis 72 Stunden), in denen zeitweise auch die Warnschwellen für Starkregen überschritten waren. Im Jahr 2002 verursachten zahlreiche starke Regenfälle über einen langen Zeitraum in Sachsen und Südbayern die Hochwasserkatastrophen an Elbe und Donau. Im Juli 2021 lösten die massiven Regenfälle die Überflutung an Ahr und Erft mit ihren katastrophalen Folgen aus. In einer stabilen Tiefdruckwetterlage fielen damals im gesamten ⁠Einzugsgebiet⁠ der Ahr fast 95 l/m² Regen in 24 Stunden. An einigen Stationen in anderen Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden Werte von über 150 l/m² in 24 Stunden gemessen. Aufgrund der feuchten ⁠Witterung⁠ der vorangegangenen Wochen konnten die Böden nur wenig Wasser aufnehmen, zudem erschweren die geologischen Gegebenheiten grundsätzlich die Versickerung. Das Wasser floss an den steilen Talhängen der Mittelgebirgsregion schnell an der Oberfläche ab, sammelte sich in den engen, teils dicht bebauten Flusstälern und hinterließ dort eine Spur der Verwüstung (siehe Indikator BAU-I-5).

 

137 - BBK – Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hg.) 2015: Die unterschätzten Risiken „Starkregen“ und „Sturzfluten“ – Ein Handbuch für Bürger und Kommunen. Bürgerinformation, Ausgabe 1, Bonn: 27. https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/ExterneLinks/DE/Download/starkregen-publikation-kurzlink.html.

138 - Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (Hg.) 2022: Hochwasserschutzfibel. Objektschutz und bauliche Vorsorge. Berlin, 81 S. https://www.fib-bund.de/Inhalt/Themen/Hochwasser/
138 - BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und ⁠Raumordnung⁠ (Hg.) 2018: Starkregeneinflüsse auf die bauliche Infrastruktur. Bonn: 19ff. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/sonderveroeffentlichungen/2018/starkregeneinfluesse.html.
138 - BBK (Hg.) 2015b: Empfehlungen bei Unwetter – Baulicher Bevölkerungsschutz. Bürgerinformation, Ausgabe 1. Bonn: 27ff.

139 - IPCC –Intergovernmental Panel on Climate Change 2022: Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, M. Tignor, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem (Hrsg.)]. In: Klimawandel 2022: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit. Beitrag der Arbeitsgruppe II zum Sechsten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, M. Tignor, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría,
M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem, B. Rama (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung (korrigierte Version) auf Basis der Version vom Juli 2022. Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, Bonn; Die Luxemburger Regierung, Luxemburg; Bundesministerium für ⁠Klimaschutz⁠, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Wien; Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT, ProClim, Bern; Mai 2023. doi: 10.48585/rz5m-2q42.

140 - Kahlenborn W., Porst L., Voß M., Fritsch U., Renner K., Zebisch M., Wolf M., Schönthaler K., Schauser I. 2021: Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland – Kurzfassung. Umweltbundesamt (Hg.). Climate Change 26/2021‚ Dessau-Roßlau, 121 S. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-06-10_cc_26-2021_kwra2021_kurzfassung.pdf.
140 - DWD – Deutscher Wetterdienst (Hg.) 2016: Starkniederschläge in Deutschland. Offenbach am Main: https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimareports/download_einleger_report_2016.pdf.
140 - Becker P., Becker A., Dalelane C., Deutschländer T., Junghänel T., Walter A. 2016: Die Entwicklung von Starkniederschlägen in Deutschland – Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung: https://www.dwd.de/DE/fachnutzer/wasserwirtschaft/entwicklung_starkniederschlag_deutschland_pdf.
140 - ⁠LAWA⁠ – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (Hg.) 2018: ⁠LAWA⁠-Strategie für ein effektives Starkregenrisikomanagement. Erarbeitet von der Kleingruppe „Starkregen“ des Ständigen Ausschusses „Hochwasserschutz und Hydrologie“ (LAWA-AH) der LAWA. Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Erfurt: https://www.lawa.de/documents/lawa-starkregen_2_1552299106.pdf.

141 - Winterrath T., Brendel C., Hafer M., Junghänel T., Klameth A., Lengfeld K., Walawender E., Weigl E., Becker A. 2018: RADKLIM Version 2017.002: Reprozessierte, mit Stationsdaten angeeichte Radarmessungen (RADOLAN), Niederschlagsstundensummen (RW). doi: 10.5676/DWD/RADKLIM_RW_V2017.002.

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