Naturbasierte Lösungen: Eine nachhaltige Antwort auf Umweltprobleme
Die Auswirkungen des Klimawandels und Biodiversitätsverlustes sind heute schon deutlich zu spüren. Um diesen zu begegnen, bedarf es ganzheitlicher Ansätze zur Minderung des Klimawandels und zur Anpassung an dessen Auswirkung. Die Natur kann hier eine entscheidende und kostengünstige Rolle spielen. Naturbasierte Lösungen (NbS, engl. Nature-based Solutions) nutzen die natürlichen Prozesse der Natur, um gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel nachhaltig zu adressieren und Synergien zum Biodiversitätsschutz zu schaffen. NbS können somit aktiv zur Erreichung des Übereinkommens von Paris, der UN-Biodiversitätskonvention und der 17 Ziele der Agenda-2030 für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs, engl. Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen beitragen.
Grünflächen und Wälder absorbieren nicht nur Kohlendioxid (CO2) und verbessern die Luftqualität, sondern reduzieren auch Überschwemmungen und fördern die lokale Biodiversität. Naturbasierte Lösungen, in Deutschland auch unter dem Begriff „natürlicher Klimaschutz“ bekannt, umfassen ein breites Spektrum ökosystembasierter Maßnahmen und Ansätze, die durch das Zusammenwirken mit der Natur auf eine Verbesserung des menschlichen Wohlergehens abzielen. Bei der Umsetzung der Maßnahmen ist es wichtig, diese im Einklang mit den lokalen Ökosystemen und nachhaltig zu konzipieren sowie die lokale und indigene Bevölkerung bei der Ausgestaltung und Umsetzung mit einzubinden. Das Wissen indigener Bevölkerung über den Zustand der lokalen Ökosysteme wird als wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen angesehen. Naturbasierte Lösungen sind zudem wesentlich kostengünstiger und nachhaltiger als technische Ansätze zur atmosphärischen CO2-Reduktion (siehe hierzu auch die UBA-Themenseite zu Geoengineering). Anstatt aufwendige Infrastruktur zu errichten, können NbS mit einem geringen finanziellen Aufwand implementiert werden und bieten gleichzeitig langfristige ökologische Vorteile. Dadurch können diese besonders attraktiv für Länder mit begrenzten Ressourcen sein. Über die positive Klimaschutz- und Biodiversitätswirkung hinaus haben gut umgesetzte NbS auch direkt eine positive gesellschaftliche Wirkung, denn intakte Ökosysteme wie gesunde Wälder dienen zudem auch als Freizeit- und Erholungsort für den Menschen.
Definition von naturbasierten Lösungen
Auf der fünften Sitzung der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA, engl. United Nations Enviromental Assembly) im Jahr 2022 wurden NbS definiert als: „Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, Wiederherstellung, nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung natürlicher oder veränderter Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeresökosysteme, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Herausforderungen wirksam und anpassungsfähig angehen und gleichzeitig menschliches Wohlergehen, Ökosystemdienstleistungen, Widerstandsfähigkeit und Biodiversität fördern“ (Resolution zu NbS der UNEA 5.2). Dies gilt nun als zwischenstaatlich anerkannte Definition für NbS. Zudem gewinnen NbS auch bei den Verhandlungen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC, engl. United Nations Framework Convention on Climate Change) und der Biodiversitätskonvention der UN (CBD, engl. Convention on Biological Diversity) immer mehr an Bedeutung. Es bedarf politischer Unterstützung und finanzieller Investitionen, um die Umsetzung von NbS auf breiter Ebene zu ermöglichen. In vielen Länder zeigen Beispiele für NbS (siehe u. a. Wiederbewaldungsprojekt Rio de Janeiro, Brasilien, Moorrenaturierung in Indonesien), wie effektiv diese sein können, wenn diese gut geplant, umgesetzt und der positive Nutzen, wie z. B. die Absicherung des Kohlenstoffspeichers, langfristig überwacht werden.
Was konkret sind naturbasierte Lösungen?
Moorrenaturierung
Eines der Vorzeigebeispiele für NbS ist die Renaturierung und Wiedervernässung von ehemals trockengelegten Mooren. Durch die Trockenlegung gelangt Sauerstoff in die Torfböden und Zersetzungsprozesse werden angeregt, wodurch immense Mengen an klimaschädlichem CO2 an die Atmosphäre abgegeben werden. Dieser Prozess kann durch Wiedervernässung gestoppt werden und trägt damit aktiv zur Reduktion von CO2-Emissionen bei. Zusätzlich ist diese Maßnahme mit einer Erhöhung der Biodiversität verbunden. Zu den Ländern mit einem hohen Anteil an Moorfläche (über 10 Prozent der Landesfläche) zählen zum Beispiel Finnland, Kanada und Indonesien. Schaut man sich die EU und den Status der Moore innerhalb der Mitgliedsstaaten an, so gelten 50 Prozent der Moore als degradiert, also beschädigt und nicht mehr in ihrem natürlichen ursprünglichen Zustand (Boell 2023). Für den Klima- und Biodiversitätsschutz haben NbS hier ein besonders großes Potenzial. Mehr Informationen befinden sich auf der Internetseite zu Moorklimaschutz.
Wiederbewaldung
Der Schutz bestehender Wälder und die Wiederbewaldung von ehemals abgeholzten Wäldern können dazu beitragen, Kohlenstoff zu speichern, den Wasserhaushalt zu verbessern und die Biodiversität zu fördern. Wälder sind der wichtigste oberirdische Kohlenstoffspeicher und großflächige, diverse Wälder, wie der Amazonas-Regenwald, gelten als Hotspot der Biodiversität. Hier gilt es, bestehende Wälder zu bewahren und degradierte Flächen wieder in ihren ursprünglichen naturnahen Zustand zurückzuführen.
Per NbS-Definition sind Aufforstungsmaßnahmen, die auf den Anbau von großflächigen Wald-Monokulturen abzielen, aber auszuschließen. Diese speichern zwar Kohlenstoff, aber tragen nicht zur Erhöhung der Biodiversität in den Wäldern bei, weshalb diese Maßnahme nicht als eine NbS angesehen wird. Ebenso werden Maßnahmen der atmosphärischen Kohlenstoffabscheidung, wie der Anbau von Pflanzen zur energetischen Nutzung in Kombination mit CO2-Abscheidung und Speicherung (BECCS, engl. Bioenergy with Carbon Capture and Storage), oder auch die Herstellung und Nutzung von Pflanzenkohle nicht als NbS bezeichnet, da dies teils technische Ansätze sind und nicht direkt zu einer Erhöhung der Biodiversität beitragen.
Wiederherstellung von Küstenökosystemen und Mangrovenwäldern
Der Schutz und die Renaturierung von marinen und küstennahen Ökosystemen, wie den Mangrovenwäldern, können einen immensen Beitrag für den Klimaschutz leisten, da diese überdurchschnittlich viel Kohlenstoff speichern. Zusätzlich schützen intakte Mangrovenwälder vor Sturmfluten und Überschwemmungen von Küstengebieten und dienen somit auch der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Für die lokale Bevölkerung stellen intakte Mangrovenwälder zudem eine wichtige Einkommensquelle durch den Verkauf von Holzprodukten und Fischerei dar. Marine und küstennahe Ökosysteme wie Mangrovenwälder, Seegras- und Salzwiesen sind auch unter dem Begriff „Blue Carbon“-Ökosysteme bekannt. Diese speichern Kohlenstoff in ihrer Biomasse und den Sedimenten und tragen zu einer Verbesserung der Biodiversität bei.
Klimafreundliche Bodennutzung als NbS
Böden spielen eine besondere Rolle für den Klimaschutz, denn sie speichern mehr Kohlenstoff als die gesamte Vegetation und Atmosphäre zusammen und können Treibhausgasemissionen binden. Gleichzeitig können sie aber auch eine Emissionsquelle sein, wenn der gebundene Kohlenstoff durch nicht nachhaltige Landnutzung und Landnutzugsänderung (zum Beispiel die Entwässerung von Mooren) freigesetzt wird. Darüber hinaus hat die Nutzung von Böden Auswirkungen auf die Biodiversität und Wasserqualität. Eine klimafreundliche Bodennutzung durch naturbasierte Lösungen kann sich auch positiv auf die Bodengesundheit und damit auf Klimaanpassungsziele und Ernährungssicherheit auswirken.
Weitere Maßnahmen
Eine weitere beispielhafte Maßnahme für NbS ist die Vergrößerung von Grünflächen im urbanen Raum (Stichwort „Schwammstadt“) oder die Integration von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen („Agroforstwirtschaft“ genannt). Naturbasierte Maßnahmen sind sehr vielfältig und können unterschiedlichste Ökosysteme betreffen. Die Einzelmaßnahmen müssen aber immer an den jeweiligen Standort und Ökosystem angepasst sein.
In der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie „Role of soils in climate change mitigation“ (Frelih-Larsen et al., 2022) werden verschiedene Maßnahmen von klimafreundlicher Bodennutzung auf Übereinstimmung dieser Maßnahmen mit der Definition von NbS sowie deren Klimaschutzpotenzial hin untersucht. Die globalen Klimaschutzpotenziale von NbS-Maßnahmen für verschiedene Ökosysteme und deren ökologischen Einschränkungen werden in der vom UBA beauftragten Studie „Nature-based solutions and global climate protection“ (Reise et al., 2022) untersucht.
Naturbasierte Lösungen in den nationalen Klimaschutzbeiträgen
Eines der Kernelemente für das Erreichen der Langfristziele unter dem Übereinkommen von Paris (ÜvP) ist die Ausgestaltung der nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs, engl. Nationally Determinded Contributions). Mithilfe dieser von den Vertragsstaaten selbst ausgearbeiteten, und spätestens alle fünf Jahre nachgebesserten Ziele wird deutlich, wie stark und durch welche Maßnahmen jeder Vertragsstaat die eigenen Treibhausemissionen senken möchte und welche Sektoren davon betroffen sind.
In Anbetracht der positiven Klimaschutzleistung von NbS erkennen immer mehr Länder deren Potenzial zur Treibhausgasminderung. Infolgedessen nehmen Länder verstärkt NbS in ihre nationalen Klimaschutzbeiträge zur Erreichung der Ziele des ÜvP als Teil der nationalen Klimaschutzstrategien auf und setzen diese durch gezielte Strategien und Förderprogramme um. So wurde in Deutschland Ende März 2023 das nationale Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) beschlossen. In diesem ist ein breit angelegter Maßnahmenkatalog zur Stärkung des natürlichen Klimaschutzes in Deutschland vorgesehen. Hierfür stellt die Bundesregierung zwischen 2024 und 2027 insgesamt 3,5 Milliarden Euro für entsprechende Maßnahmen bereit.
Abschließend ist zu unterstreichen, dass NbS trotz aller Vorteile für den Klima- und Biodiversitätsschutz keinen Ersatz für eine drastische und notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen darstellt. Zusätzlich bedarf es der notwendigen sozial-ökologischen Transformation der globalen Wirtschaft und in den Sektoren wie unter anderem der Energieerzeugung, der Transportsysteme und der Nahrungsmittelherstellung hin zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Nutzung und Produktion. Die größten Potenziale von NbS können zudem nur erreicht werden, wenn der globale Temperaturanstieg auf ein Mindestmaß reduziert wird, da die globalen Ökosysteme ihre Klimaschutzwirkung einbüßen, je stärker der Klimawandel voranschreitet. So geraten Moore und Wälder bei steigenden Temperaturen und Dürreperioden zunehmend unter Wasserstress und sind zudem weniger in der Lage, Sturmereignisse gut zu überstehen. Moore drohen auszutrocknen und Wälder abzusterben oder durch Brände vernichtet zu werden. Steigende Temperaturen erhöhen ebenso die Zersetzungsraten im Boden. Durch all diese Prozesse können natürliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten und diese von einem Kohlenstoffspeicher zu einer Kohlenstoffquelle, welche CO2 freisetzt, werden.