Gewässertyp 2013 - Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes
Der Gewässertyp des Jahres 2013 sind die Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes. Dieser Typ kommt in zwei Ausprägungen in Deutschland vor, die sich hinsichtlich ihrer Größe unterscheiden und in der Fachsprache als Bäche der Jungmoräne des Alpenvorlandes (Untertyp 3.1) und als Kleine Flüsse der Jungmoräne des Alpenvorlandes (Untertyp 3.2) bezeichnet werden.
Im Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres finden Sie alle Fließgewässer, Seen, Ästuare (Übergangsgewässer) und Küstengewässer. Alle Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes in Deutschland und ihr festgestellter Zustand sind dort farbig hervorgehoben. Sie können sich für das Gewässer, das Sie interessiert weitere Angaben zum Zustand der Gewässerflora und –fauna abrufen. Vielleicht gehört ja ein Gewässer, das Sie kennen zum Gewässertyp des Jahres!
Dort wo sich zum Ende der letzten Eiszeit noch die Gletscher aus den Alpentälern weit ins Vorland schoben und ihre Ablagerungen hinterließen, fließen heute die Flüsse und Bäche des südlichen Alpenvorlandes. Eingebettet in diese Landschaft sind die großen bekannten Seen der Voralpen, wie Bodensee, Starnberger See, Ammersee oder Chiemsee. Zum Gewässertyp des Jahres 2013 gehören die Zuflüsse zum Ammersee, viele Bäche und kleine Flüsse um z.B. Kempten und Rosenheim wie die Attel oder der Unterlauf der Loisach sowie die Bodenseezuflüsse Argen und Schussen. Insgesamt gibt es diesen Typ auf 2400 km Länge. Das sind ca. 2% der Fließgewässer in Deutschland. (siehe Karte der Verbreitung).
Steckbrief
Bäche: 10-100 Quadratkilometer, kleine Flüsse: 100-1000 Quadratkilometer
Gefälle: Sehr wechselhaft; gegen 0 Promille in Niederungsabschnitten, bis zu 40 Promille in Kerbtälern
Strömung: Sehr wechselhaft von ruhig fließend bis turbulent; insgesamt jedoch ausgeprägter Fließcharakter
Sohlmaterial: Alle Korngrößen (Blöcke, Steine, Kiese, Sande, Schluffe, Tone)
Natürlicherweise typische Habitate: In Kerbtälern breite, flache, sehr strukturreiche Bachbetten mit Blöcken und Steinen; in den Grundmoränen schmaler, windungsreicher mit steilen Prall- und flachen Gleithängen; in Niederungsabschnitten kastenförmige, tiefe Querprofile.
Lebensgemeinschaft: Vielzahl unterschiedlicher Wasserinsekten, strömungsliebende Steinbesiedler, Fischarten der Flussoberläufe und –mittelläufe.
Ökologischer Zustand 2010: 57 Prozent im guten, 35 Prozent im mäßigen, 8 Prozent im unbefriedigenden ökologischen Zustand
Hauptbelastungsfaktoren: Abflussregulierungen durch Gewässerausbau und Wehre, Wasserentnahmen an Wasserkraftanlagen, Verlust von Ufer- und Auenflächen
Die Fließgewässerlandschaft des südlichen Alpenvorlandes ist stark von der jüngsten Eiszeit vor 12.000 Jahren geprägt. Die aus den Alpentälern vorstoßenden Gletscher und Schmelzwässer hinterließen ein reich strukturiertes und gefällereiches Relief. Das Material, das die Gletscher mit sich führten, verblieb beim Abtauen des Eises mehr oder weniger an Ort und Stelle. Daher finden wir heute auf den flachen, ehemals mit Eis bedeckten Flächen Steine und tonnenschwere Blöcke unmittelbar neben feinen Sedimenten, wie Sanden und Lehmen. Der am Eisrand abgelagerte Gesteinsschutt bildet demgegenüber Höhenzüge, die von den Flüssen und Bächen in engen, oft auch Schlucht ähnlichen Tälern zerschnitten werden. Die Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes sind daher abwechslungsreich gestaltet. Typisch sind in erster Linie Strecken mit Mittelgebirgscharakter, in denen das Wasser schnell zwischen Steinen und Kieseln strömt. Manche Gewässer weisen aber auch langsam fließende und gewundene, manchmal sogar sandig-lehmigen Abschnitte auf. Natürlicherweise sind die kalkreichen Bäche und Flüsse dadurch sehr artenreich. Sie beherbergen eine Vielzahl unterschiedlicher Wasserinsekten, strömungsliebende Steinbesiedler, die sich als Weidegänger vom Algenaufwuchs ernähren oder Fischarten, die an unterschiedliche Standortbedingungen angepasst sind, wie Bachforelle, Strömer, Nase, Barbe, Aitel oder Hasel.
Typische Bewohner
Flussuferläufer (Actitis hypoleucos)
Der Flussuferläufer nutzt die locker bewachsenen Kies- und Sandbänke sowie die kiesigen Uferbereiche zur Nahrungssuche und als Brutplatz. Als Bodenbrüter baut er sein Nest versteckt in der Ufervegetation oder zwischen angeschwemmten Ästen und Zweigen. Seine Nahrung, die vorwiegend aus Insekten aber auch aus Kaulquappen, kleinen Muscheln und Schnecken besteht, findet er im flachen Wasser oder im Spülsaum zwischen Steinen. Bundesweit gibt es nur wenige Hundert Brutpaare. Die Art ist nach Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt.
Strömer (Telestes souffia)
Der Strömer ist eine bis ca. 15 cm kleine Fischart, die in sauberen, strukturreichen Abschnitten des Typs vorkommt. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus den Larven der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, die er auf der stark überströmten, steinigen oder kiesigen Gewässersohle findet. Auch Insekten, die auf der Wasseroberfläche landen, verschmäht er nicht. Im Frühjahr suchen die Fische die flachen, überströmten Kiesbänke zum Ablaichen auf. Die klebrigen Eier werden am Kies festgeheftet und reifen im Lückensystem der Gewässersohle heran. Im Winter versammeln sich die Strömer oft in Schwärmen aus Hunderten von Tieren an Gumpen oder Kolke genannten tieferen Stellen, wo sie gute Verstecke finden. Die Bestände des Strömers sind wegen seiner besonderen Ansprüche an den Lebensraum und die Überformung der Gewässer stark zurückgegangen. Diese Art wird daher durch die FFH-Richtlinie besonders geschützt.
Die Zweigestreifte Quelljungfer ist eine der größten heimischen Libellenarten. Die Flügelspannweite beträgt zwischen 9 und 11 cm. Ihre Larven entwickeln sich 4 bis 5 Jahre im Bach bevor sie als flugfähige erwachsene Libellen das Wasser im Juni oder Juli verlassen. Zur Eiablage wählen die Weibchen flache feinsandige, schlammige Bachbereiche aus. Dabei stehen sie im Schwirrflug über dem Ablageplatz und stechen ihren Legeapparat am Hinterleibsende rhythmisch in den weichen Gewässerboden ein. Die etwa 4 cm großen, kräftigen Larven sind Lauerjäger, die sich im sandigen Gewässerboden eingraben. Beutetiere, wie Zuckmücken-,Eintagsfliegen- oder Köcherfliegenlarven werden mit den blitzartig vorschnellenden Mundwerkzeugen gepackt. Die versteckte Lebensweise bietet auch guten Schutz gegenüber räuberischen Fischen. Die Art wird in der Roten Liste Deutschlands als „gefährdet“ eingestuft.
Rhithrogena semicolorata-Gruppe
Die Larven dieser Gattung der Eintagsfliegen besitzen einen stark abgeflachten Körper, der dem Wasser nur einen geringen Strömungswiderstand bietet. Mit Hilfe ihrer seitlich vom Körper abgewinkelten Beine klammern sie sich an der Oberfläche von Steinen fest und weiden mit ihren bürstenartigen Mundwerkzeugen den Algenteppich ab. Größere und ältere Larven leben vor allem in steinig-kiesigen Bach- und Flussabschnitten mit turbulenter Strömung. Nach dem Schlupf nehmen die erwachsenen, flugfähigen Tiere keine Nahrung mehr auf und leben nur noch wenige Tage. Zur Partnersuche bilden die Männchen in der Dämmerung kleinere Schwärme und locken dadurch die Weibchen an.
Brachyptera risi
Die Larven dieser Steinfliegenart kommen hauptsächlich auf kiesigem Untergrund und hoher Strömung vor. Dadurch werden die kiemenlosen Larven gut mit Sauerstoff versorgt, den sie über die Haut aufnehmen. Sie besitzen speziell gestaltete Mundwerkzeuge mit denen sie die Algenbeläge von Steinen abschaben. Die ausgereiften Larven verlassen im Zeitraum März bis August das Wasser, wobei die erwachsenen, flugfähigen Tiere nur wenige Wochen leben.
Odontocerum albicorne
Die Larven dieser Köcherfliege besiedeln kiesig-steinige Bereiche des Bachbettes. Sie bauen sich ein stabiles, zylindrisches Wohnhaus, den Köcher, in dem sie kleine Sandkörner mit Gespinstfäden aus ihren Spinndrüsen verkleben. Das Hinterende des Köchers wird mit einem Stein verschlossen. An dieser Besonderheit kann man diese Art sofort erkennen. Die Larven sind Allesfresser. Nach der Verpuppung schlüpfen die erwachsenen Tiere ab dem späten Frühjahr. Die Eiablage erfolgt in stark überströmten, flachen Bachabschnitten. Dabei fliegen die Weibchen zur Wasseroberfläche und entlassen ihren Gelegeballen mit den Eiern in die turbulente Strömung.
Silo nigricornis
Die Larven dieser Köcherfliegenart leben in den steinig-kiesigen Bachabschnitten des Gewässertyps. Dort weiden sie den Algenaufwuchs der Steine ab. Am röhrenförmigen, transportablen Wohnhaus aus grobem Sand, dem Köcher, sind auf jeder Seite größere Steinchen befestigt. Durch diese Ballaststeine wird der Köcher beschwert, so dass die Larve zum Fressen auch in Bereiche mit hoher Fließgeschwindigkeit vordringen kann. Zur Verpuppung wird der Köcher an größeren Steinen festgeheftet. Die Imagos genannten Fluginsekten schlüpfen ab April. Die Weibchen legen die Eier außerhalb des Wassers aber gewässernah an beschatten, feuchten Orten ab.
Rhyacophila tristis
Die Larven dieser Köcherfliegenart bauen keine Köcher, die dieser Tiergruppe ihren Namen gegeben haben, sondern sind freilebende Räuber. Sie ernähren sich von kleinen wirbellosen Wasserorganismen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Larven keine Kiemen besitzen, sondern über die Haut atmen. Daher sind sie auf Gewässerabschnitte mit hohem Sauerstoffgehalt angewiesen. Bei Eintritt in die Puppenphase, in der sich die Larve zur erwachsenen Köcherfliege umwandelt, wird aus zusammengesponnen Steinchen ein länglicher Puppenköcher gebaut, der fest an großen Steinen verankert wird. Die erwachsenen Tiere verlassen ab Mai das Gewässer.
Hakenkäfer (Limnius volckmari)
Die nur wenige Millimeter großen Hakenkäfer besitzen kräftige Beine mit großen Klauen, mit denen sie sich an den überströmten Steinen und Kieseln der Gewässersohle festhalten können. Die nicht schwimmfähigen Käfer ernähren sich vom Algenbewuchs. Sie besitzen auf der Unterseite ihres Hinterleibes einen dichten Filz aus wasserabweisenden Härchen, die einen sehr dünnen Luftfilm festhalten (das sog. Plastron). Der beim Atmen aus dem Luftfilm aufgenommene Sauerstoff wird dabei kontinuierlich durch Sauerstoff aus dem umgebenden Wasser ersetzt. Dadurch können die Hakenkäfer ständig unter Wasser bleiben, ohne zum Luftschöpfen an die Wasseroberfläche zu müssen.
Das zu den Laubmoosen gehörende etwa 10 cm große Veränderliche Starknervmoos wächst auf überrieselten oder überströmten Steinen in schattigen und kalkreichen Abschnitten der Bachoberläufe. Das Moos kann dem Wasser Kohlendioxid entziehen, so dass sich Kalk zwischen den Blättchen anlagern kann. Dadurch wird im unteren Bereich des Moospolsters Kalktuff gebildet.
Kieselalgen (Diatomeen)
Kieselalgen sind die häufigsten Vertreter der Algen die auf den Steinen der Gewässersohle wachsen. Sie besitzen zwei aus Kieselsäure bestehende Schalen, die schachtelförmig ineinander greifen. Sie stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Larven der Wasserinsekten dar. Wegen ihrer kurzen Vermehrungszeiten von wenigen Wochen reagieren sie schnell auf Belastungen der Bäche und Flüsse, wie z.B. durch Nährstoffe. Typische Vertreter in den Fließgewässern des südlichen Alpenvorlandes sind Cocconeis placentula, Cymbella spec. und Gomphonema olivaceum.
Die Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes wurden in den vergangenen Jahrhunderten für die Energieerzeugung, die Besiedlung und die Land- und Forstwirtschaft nutzbar gemacht sowie mit Hochwasserschutzanlagen versehen. Für die Wasserkraftnutzung wird streckenweise Wasser aus den Flüssen und Bächen ausgeleitet. In der Summe ist es vor allem der Mangel an vielfältig gestalteten Lebensräumen und der biologischen Durchgängigkeit der Fließgewässer, der den Gewässerorganismen das Leben erschwert und das Erreichen eines guten ökologischen Zustands zum Teil noch verhindert. Wichtige Pluspunkte sind die gute chemische Qualität der Gewässer dieses Typs und die im Vergleich zu anderen Gewässern erfreulicherweise geringen Nährstoffbelastungen. Um den Zustand der Gewässer zu verbessern und sie wieder erlebbarer zu machen, sind die Lebensräume (Habitate) im und am Gewässer zu verbessern, z.B. durch Rückbau von Uferbefestigungen, Förderung von Kieslaichplätzen oder durch Wiederherstellung der Durchgängigkeit an Stau- und Wasserkraftanlagen.
Zustand
Zustandsbewertung nach EG-Wasserrahmenrichtlinie (Grafik und Datenauswertung: UBA, Datenquelle: Berichtsportal WasserBLIcK/BfG, Stand 22.03.2009, Andreas Hoffmann, UBA).Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist es, in allen Gewässern in der Regel bis 2015 einen guten ökologischen Zustand und einen guten chemischen Zustand zu erreichen. Der überwiegende Teil (57%) der Bäche und Flüsse des südlichen Alpenvorlandes befindet sich bereits im guten ökologischen Zustand und erfüllt damit die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, was bisher nur an jedem zehnten Fließgewässer in Deutschland gelingt. 35 % der Gewässer des südlichen Alpenvorlandes sind nah am Erreichen des Ziels („mäßig“) und weitere 8 % noch etwas weiter entfernt („unbefriedigend“). Beste und schlechteste Bewertungen („sehr gut“, „schlecht“) treten nicht auf. Allen Gewässern dieses Typs wurde ein chemisch guter Zustand bescheinigt.
Einen Überblick über den aktuellen ökologischen Zustand der Fließgewässer des südlichen Alpenvorlandes finden Sie im Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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