Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum – Handlungsempfehlungen für die kommunale Praxis
In sozial benachteiligten Stadtquartieren sind Gesundheitsbelastungen durch Umweltprobleme oftmals besonders hoch. Diese Gebiete sind unter anderem durch Lärm, Luftschadstoffe und soziale Problemlagen mehrfach belastet. Häufig sind sie auch schlechter mit Grünflächen versorgt. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) untersuchte in dem Forschungsprojekt „Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum - Entwicklung von praxistauglichen Strategien und Maßnahmen zur Minderung sozial ungleich verteilter Umweltbelastungen“, wie die Kommunen in ihrer Arbeit für mehr lokale Umweltgerechtigkeit unterstützt werden können. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Umweltbundesamt (UBA) haben das Projekt gefördert.
Ausgangslage
In den Kommunen fehlen bislang oftmals Strategien, die auf die Vermeidung und den Abbau der sozialräumlichen Konzentration gesundheitsrelevanter Umweltbelastungen sowie die Gewährleistung eines sozialräumlich gerechten Zugangs zu Umweltressourcen ausgerichtet sind.
Das vom BMUB und UBA von Januar 2012 bis September 2014 geförderte Forschungsprojekt „Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) untersuchte, wie eine integrierte Betrachtung von Umwelt, Gesundheit, Sozialem und Stadtentwicklung als Planungs- und Entscheidungsgrundlage in der kommunalen Praxis verankert werden kann.
Projektbausteine
Zur Ableitung von Handlungsempfehlungen für Kommunen, Länder und den Bund hat das Difu inhaltlich vernetzte Bausteine bearbeitet.
Es wurden kommunale Fallstudien (Bremerhaven, Bottrop, Leipzig, Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Mannheim) und eine bundesweite Fachtagung („Potenziale für mehr Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum“, Berlin, 19./20.11.2012) durchgeführt. Das Difu hat unter anderem auf Basis der Ergebnisse des Modellvorhabens „Umweltgerechtigkeit im Land Berlin“ der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt einen integrierten Monitoringansatz entwickelt, der Daten zur Beschreibung des Umweltzustandes, der sozialen und gesundheitlichen Lage umfasst. Rechtsförmliche und informelle Instrumente wurden hinsichtlich ihrer Potenziale zur Verbesserung gesundheitsrelevanter Umweltbedingungen und zur sozialräumlichen Differenzierung analysiert und bewertet. In einem Planspiel mit fünf Kommunen (Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, Bottrop, Düsseldorf, Mülheim/Ruhr, Nürnberg) wurden Instrumente und Verfahren zur Implementierung des Ansatzes Umweltgerechtigkeit erprobt und validiert.
Ausgewählte Ergebnisse
Integriertes Verwaltungshandeln: Es zeigt sich unter anderem, dass ein koordiniertes Vorgehen aller relevanten Ressorts und Akteure unabdingbar ist. Dazu ist insbesondere eine stärkere Sozialraumorientierung der Umwelt- und Gesundheitsämter notwendig.
Integriertes Monitoring: Es wird ein zweistufiges Verfahren zur gesamtstädtischen und vertiefenden teilräumlichen Betrachtung vorgeschlagen, das die Identifizierung und Untersuchung mehrfach belasteter Gebiete ermöglicht. Hierzu sollten Umwelt-, Gesundheits- und Sozialdaten verknüpft werden. Eine Auswahl an Basis- und Vertiefungsindikatoren dient hierbei als Orientierungshilfe.
Entwicklung von Zielen und Maßnahmen: Notwendig ist, den gebietsbezogenen Handlungsbedarf zu ermitteln. Anknüpfungspunkte, z.B. in integrierten Stadtentwicklungskonzepten, sollten identifiziert werden.
Einsatz von planerischen und umweltrechtlichen Instrumenten: Es ist ein auf den jeweiligen Planungsraum abgestimmtes Instrumentenbündel erforderlich. In den Umweltplanungen bietet sich eine beispielsweise systematische Prüfung sozialraumorientierter Prioritäten an.
Finanzieller Ressourceneinsatz: Auch ist es notwendig, dass Mittel aus Förderprogrammen gezielt in mehrfach belasteten Gebieten eingesetzt werden. Die Durchführung von Modellvorhaben würde die Überprüfung der Praxistauglichkeit der erarbeiteten Handlungsansätze ermöglichen.
Beteiligung und Mitwirkung: Wichtig ist, die Bürgerinnen und Bürger angemessen in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden. Geeignet sind aktivierende Verfahren zur Beteiligung sozial benachteiligter Menschen. Dies erfordert ggf. die Erweiterung der Methodenkompetenz in der Verwaltung.
Ausblick
Durch die Konzentration der Bevölkerung und der Infrastrukturen in den Städten wird urbaner Umweltschutz zu einem immer wichtigeren Thema. Ziele sind eine sozialverträglich gestaltete Umweltpolitik und die Verbesserung der Lebensqualität in Stadtteilen, die sozial und ökologisch benachteiligt sind.
Weitere Forschungsvorhaben zur Umsetzung von Umweltgerechtigkeit auf kommunaler Ebene sind notwendig, um unter anderem die im Forschungsprojekt des Difu erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Praxis modellhaft mit wissenschaftlicher Begleitung anzuwenden.
Nur durch das Zusammenwirken vieler Akteure auf politischer, wissenschaftlicher, zivilgesellschaftlicher und der Verwaltungsebene wird es möglich sein, das Thema Umweltgerechtigkeit dauerhaft zu verankern und nachhaltige Wohnquartiere und gesunde Lebensbedingungen für alle zu schaffen.