Die Dekarbonisierung der europäischen Stromversorgung durch eine Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern schreitet seit Jahren voran und soll im Rahmen des Europäischen Green Deals beschleunigt werden. Minderungsziele für die Treibhausgasemissionen, die bisher frühestens ab 2050 angestrebt wurden, müssen nun bereits deutlich früher erreicht werden.
Neben der grundsätzlichen technischen Machbarkeit einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien in der deutschen und europäischen Stromversorgung, die bereits in verschiedenen Studien belegt wurde, geht es nun zunehmend darum, kostengünstige Transformationspfade zu identifizieren, die hohen Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden und die zunehmende Stromnachfrage, zum Beispiel für Mobilität, Raumwärme und Wasserstoffproduktion, berücksichtigen.
Zu diesem Thema sind nun die Abschlussberichte zu drei im Auftrag des UBA durchgeführten Studien veröffentlicht worden:
Die Studie zur Modellierung von Transformationsszenarien untersucht kostenoptimierte Transformationspfade.
Darauf aufbauend untersucht die Studie zum Strommarkt und zur Förderung erneuerbarer Energien ein passendes Markt- und Förderdesign für die anstehende Transformation.
Vervollständigt werden diese Analysen durch eine Studie zum Leistungskredit der erneuerbaren Energien.
Studie zu Modellierung von Transformationsszenarien unter besonderer Berücksichtigung von Sektorkopplung
Diese Studie identifiziert effiziente Transformationspfade der Stromerzeugung bis zum Jahr 2050. Modellgestützte Szenarien bilden dabei die Entwicklung des deutschen und europäischen Versorgungssystems bei ambitionierten CO2-Zielen unter verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Die Studie geht der Frage nach, welche der sehr vielfältigen technischen Optionen wann und in welchem Umfang genutzt werden sollten. Dabei sind die Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Optionen und die komplexen Wechselwirkungen zwischen allen Systemelementen zu beachten.
Die Ergebnisse der Szenarien zeigen, dass sich die analysierten Transformationspfade des Stromsystems durch große technologische Vielfalt, hohe Flexibilität und eine umfassende Nutzung der Vorteile des europäischen Binnenmarktes für Strom auszeichnen. Auch für ambitionierte Klimaziele finden sich Lösungen für eine weitestgehend CO2-freie, günstige und sichere Versorgung.
- Zielvorgaben für erneuerbare Energien (EE-Szenario 1 bis 4) führen zu teils deutlich anderen Ergebnissen als die Szenarien ohne Zielvorgaben und entsprechenden Fördersystemen. Im Vergleich zu einem rein Kosten- und CO2-Preis-getriebenem Ausbau, der in Europa mit einer regionalen und technologischen Konzentration einhergeht, steigen je nach Fördersystem zur Erreichung der Zielvorgaben die nationalen Anteile erneuerbarer Energien deutlich, vor allem in Deutschland.
- Die Strompreise in Deutschland sinken mit einem stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland. Dadurch sind auch die absoluten Marktwerte der erneuerbaren Energien an der Strombörse in den Szenarien mit einem nationalem Fördersystemen in der Tendenz niedriger als in einem vergleichbaren Szenario ohne Fördersystem (Netzrestriktionsszenario).
- In dem Szenario mit einem ambitionierteren europäischen CO2-Minderungspfad (wie er durch den Europäischen Green Deal angestrebt wird) beginnt die Transformation früher und in größeren Schritten. Besonders signifikant ist der insgesamt vorgezogene Ausbau erneuerbarer Energien und ein schnellerer Ausstieg aus der kohlebasierten Strom- und Wärmeerzeugung. Gleichzeitig beginnt die Elektrifizierung der zentralen Wärmeversorgung frühzeitiger.
- Die durchschnittlichen Vermeidungskosten der zusätzlich eingesparten kumulierten Emissionen betragen im Szenario „Ambitionierter EU-Klimaschutz“ rund 80 Euro pro Tonne CO2 (Differenz der Gesamtkosten bezogen auf die zusätzliche Minderung im Vergleich zum Netzrestriktionszenario). Sie liegen damit deutlich niedriger als bei anderen vielfach diskutierten Minderungsoptionen in anderen Sektoren, wie zum Beispiel dem Umstieg auf synthetische, auf erneuerbaren Energien basierende Kraftstoffe im Verkehr.
Studie zu Strommarkt und Förderung erneuerbarer Energien
Um den Transformationsprozess sicher und kostengünstig zu gestalten, müssen Rahmenbedingungen im Markt- und Regulierungsdesign geschaffen werden, die den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen und das Zusammenspiel der Systemelemente effizient organisieren.
Um den Anforderungen der erneuerbaren Energien und der Transformation gerecht zu werden, leitet die Studie einen konsistenten Synthesevorschlag ab für das Markt- und Regulierungsdesign für die Zeit bis 2050. Für den Strommarkt bietet ein sog. Energy-Only-Marktdesign im Sinne des Strommarkt 2.0 die bestmöglichen Voraussetzungen für eine wettbewerblich organisierte Flexibilisierung des Stromsystems und eine effiziente Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Flexibilitätsoptionen auf der Nachfrage- oder Erzeugungsseite (zum Beispiel steuerbare Wärmepumpen oder Lademanagement bei Elektrofahrzeugen) und die Integration des europäischen Binnenmarktes können einen wesentlichen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien in das Stromerzeugungssystem und zur Stabilisierung ihrer Marktwerte leisten. Letzteres unterstützt die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien.
Im Fördersystem für erneuerbare Energien sollten die Marktwerte als zentrale Größe bei der Bestimmung der Förderhöhe und im Anreizsystem berücksichtigt werden, sodass effiziente Anreize für den Zubau und die Marktintegration gesetzt werden. Weiterentwickelte Ausschreibungssysteme auf Basis variabler bzw. gleitender Marktprämien erfüllen diese Anforderungen.
So lange kein ambitionierter, rahmengebender EU-Emissionshandel mit zielkonsistenten und verlässlichen CO2-Preisen besteht, können Fördersysteme einen robusten Ausbaupfad erneuerbarer Energien und die Erfüllung der Ziele gewährleisten. Auch wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, können politischen Gründe – unter anderem nationale Klimaziele und Ziele für erneuerbare Energien, Arbeitsmarkt- und Industriepolitik – zu einer Beibehaltung von flankierenden Fördersystemen zur räumlichen oder technologischen Steuerung des Ausbaus erneuerbarer Energien sprechen. Eine Förderung erneuerbarer Energien sollte stets so ausgestaltet sein, dass die Akteure ihre Investitions- und Vermarktungs-Entscheidungen an Marktsignalen der Strombörse ausrichten.
Studie zum Leistungskredit der erneuerbaren Energien
Eine weitere Studie untersucht die Frage, wie viel konventionelle Kraftwerkskapazität durch dargebotsabhängige Windenergie und Photovoltaik bei gleichbleibender Lastdeckungswahrscheinlichkeit eingespart werden können.
Umfangreiche Modellierungsergebnisse verdeutlichen, dass fluktuierende erneuerbare Energien im europäischen Stromverbund einen substantiellen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können. Dieser Beitrag ist um so größer, je besser das europäische Stromnetz ausgebaut ist. Deshalb sollte die energiepolitische Diskussion um geeignete Transformationspfade der Dekarbonisierung das Thema Versorgungssicherheit nicht auf konventionelle back-up-Kapazitäten und Speicher verkürzen. Erneuerbare Energien und das europäische Stromnetz sollten als gleichrangige Säulen der Versorgungssicherheit miteinbezogen werden.