Rückschau 2022

Inhaltsverzeichnis

 

Konferenz "Sustainable Finance – Wissenschaft und Praxis" 2022

Am 19./20.05.22 fand die Konferenz Sustainable Finance „Wissenschaft und Praxis“ mit 70 Teilnehmenden im Haus der Bayerischen Wirtschaft statt. Als Veranstalter lud das ⁠UBA⁠ Deutschland gemeinsam mit den deutschsprachigen Umweltämtern Österreichs, der Schweiz, Liechtensteins und Luxemburgs Vertretende des Finanzsystems und der Wissenschaft zu einem Austausch ein.

Die zentralen Krisen der heutigen Zeit

Bereits seit Langem warnen Expert*innen weltweit, dass die Wirtschaftsweise der vergangenen Dekaden nicht zukunftsfähig ist. Doch nicht erst der neue ⁠IPCC⁠-Bericht verdeutlicht, umweltschädliche Emissionen nehmen weltweit noch immer zu, Lebensräume und die Artenvielfalt gleichzeitig rapide ab. Wir befinden uns in einer Zeit ökologischer „Vielfachkrisen“, die wir uns nur mit gemeinsamen Anstrengungen lösen können. Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär beim ⁠BMUV⁠, bringt den notwendigen Wandel auf den Punkt: „Nachhaltigkeit muss künftig bei Finanzentscheidungen gleichwertig neben Kosten, Rendite und Risiko stehen.“

Christian Kühn zeigt somit gleich zu Beginn der Veranstaltung das Spannungsfeld auf, in dem sich Finanzmarktakteure befinden. Auf der einen Seite die ökologischen Krisen, die die Akteure im Rahmen ihrer Geschäfte mitfinanzieren. Auf der anderen Seite das Umfeld des globalen Finanzmarktes, in dem Akteure Kosten, Rendite und Risiko in jeder Finanzierungsentscheidung abwägen müssen und ⁠Nachhaltigkeit⁠ oft als zusätzliche ⁠Unsicherheit⁠ gesehen wird. Nachhaltigkeit beginnt hier eine Rolle zu spielen, wird aber noch nicht ausreichend in Entscheidungsgrundlagen einbezogen, um die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, hierzu: „Wir sind noch nicht ´on track´, wenn wir über das Finanzsystem sprechen und wie es ausgestaltet werden muss; damit wir die Nachhaltigkeitsziele des Green Deal wirklich erreichen.“

Initiativen des Finanzsektors zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda

Mit dem Green Deal-Programm will die EU weltweit vorangehen und die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit lenken. Zahlreiche politische Programme und Regulierungsinitiativen wurden aufgelegt, um die Ziele des Green Deal zu erreichen. Eine der bekanntesten von ihnen ist die EU-Taxonomie. Sie definiert wissenschaftlich-fundierte Kriterien, nach denen wirtschaftliche Aktivitäten Nachhaltigkeit fördern. Als Klassifizierungsinstrument kann sie Investoren Orientierung bieten, welche Aktivitäten nachhaltig sind; und welche nicht. Dem Finanzmarkt kann damit ein bereits seit langer Zeit eingefordertes Transparenzinstrument an die Hand gegeben werden. Gleichzeitig bestehen diverse Hindernisse. Es werden Daten gebraucht, die zuvor nicht erhoben wurden. Die Regulierung muss hinreichend klar sein. Ein über Jahre tradierter Risikobegriff muss unter Berücksichtigung ganz neuer Dimensionen bei Schäden von Umweltkatastrophen und angesichts absehbarer regulatorischer Anpassungen neugeprägt werden. Investierbare Projekte, die frühere Anforderungen erfüllten, müssen an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Nur so kann eine Transparenz geschaffen werden, die Nachhaltigkeitserfordernisse hinreichend aufgreift.

Nathan Fabian formuliert den kritischen Punkt: „We need to make sure that Europe will make it right.“ Nicht nur die Regulatorik an sich ist hier angesprochen und muss z. B. die Kriterien klar formulieren und einen verlässlichen Rahmen für Investoren schaffen. Um die herausfordernden Umweltziele zu erreichen, muss sich das gesamte Umfeld, in dem Finanzmarktakteure agieren, an die Rahmenbedingungen anpassen.

Über Net Zero Ziele können Unternehmen ihr Committment für eine nachhaltige Wirtschaft ausdrücken. Als bekannteste Vereinigung institutioneller Investoren organisieren sich in der Net-Zero Asset Owner Alliance Finanzinstitute, welche sich verpflichtet haben, ihre Kapitalanlagen bis 2050 klimaneutral auszurichten. Hiermit gehen die Mitglieder einen ersten wichtigen Schritt, weil sie den Bedarf nach nachhaltigen Finanzprodukten von Seiten der kapitalstarken Anleger formulieren. Je mehr Institutionen sich solche Umweltziele geben und ihre Geschäftsmodelle an ihnen ausrichten, desto größer wird aber auch der Bedarf nach investierbaren Projekten, die auch in Zukunft verlässlich Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen können.

Der dringendste Nachsteuerungsbedarf im Finanzsektor

In der Investitionskette braucht es daher neben den Commitments der Akteure auch Strukturen, die eine Steuerung anhand Nachhaltigkeitskriterien möglich machen. In den Vorträgen und Paneldiskussionen wurde deutlich, dass hier der größte Bedarf für Weiterentwicklungen besteht. Akteuren fehlt der Überblick über die am Markt verfügbaren wissenschaftlich fundierten und verlässlichen Daten und Prozesse. Zwar sind Daten in ersten Projekten schon verfügbar, jedoch bleiben noch Fragen, z. B. welchen Detaillierungsgrad die Daten haben müssen. Ferner muss an einer Pipeline gearbeitet werden, über die die Investoren auch über die verfügbaren Daten, Methoden und Produkte informiert werden. Zusätzlich wird die Regulierung bisher leider vielfach eher als Hindernis, denn als Ermöglicher gesehen. So ist für viele nicht absehbar, ob und als „wie nachhaltig“ viele Projekte auch in Zukunft noch gelten können, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass bisher nur wenige zukunftsgerichtete Indikatoren verfügbar sind. Darüber hinaus bestehen Fehlanreize, wenn z. B. Versorgungswerke, die umsatzsteuerbefreit sind, zu gewerblichen Akteuren und damit steuerpflichtig werden, wenn Sie erneuerbaren Strom erzeugen und einspeisen wollen. Dies kreiert ein ⁠Klima⁠ der Unsicherheit darüber, welche Projekte wirklich investierbar sind, weil sich der Markt dynamisch entwickelt und der anerkannte Nachhaltigkeitsstandard in der Investitionskette noch keine hinreichende Anwendung findet.

Wird der Fokus geweitet und werden neben den Klimazielen, die den Markt noch mehrheitlich dominieren, noch weitere ökologische- und soziale Ziele in den Blick genommen, wird die Komplexität umfassend nachhaltiger Finanzprodukte offensichtlich. Der Bereich ⁠Biodiversität⁠ wird von den Finanzmarktteilnehmenden immer aufmerksamer betrachtet und auch im Immobiliensektor werden Nachhaltigkeitsideen diskutiert (Renovierung vor Neubau). Dennoch fehlt es insgesamt weiter an großflächig umsetzungsfähigen Empfehlungen.

Wichtig bleiben vor diesem Hintergrund Initiativen zur Vernetzung, Bildung und Kommunikation der Finanzakteure mit relevanten Stakeholdern. Initiativen, wie der deutsche Sustainable Finance Beirat, Swiss Sustainable Finance, die Luxemburger Sustainable Finance Initiative oder die Green Finance Alliance Österreich haben das Potenzial, die große Transformation im Finanzsektor voran zu bringen. Austausche in diesen und ähnlichen Gremien können die Transformation anschieben, indem sie niedrigschwellig interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichen. Die Konferenz hat gezeigt, dass der Bedarf vorhanden ist und der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit auf allen Seiten besteht.

 

Präsentationen, Dokumente und Links

Anbei stellen wir Ihnen zur Nachbereitung der Veranstaltung vom 19./20.05.2022 die gezeigten Präsentationen sowie hilfreiche Dokumente und Links zur Verfügung.


Joeri Rogelj: Scientific contributions to climate: Results of the IPCC Physical Science Report

Silvia Ruprecht: Vergleichbare Klimatests für den ganzen Finanzmarkt

Maik Nagel: Nachhaltiges Investieren in Deutschland

Biodiversitätslösungen für den Finanzsektor

UBA-Wissensplattform Sustainable Finance

 

Programm

Programm als PDF-Datei

Agenda für die Sustainable Finance-Konferenz 2022

Wissenschaft und Praxis

Tag 1: Investments als Hebel für eine nachhaltige Welt

Gesamtmoderation: Beate Hollweg, Europäische Umweltagentur

9.00 Uhr – 9.30 Uhr Registrierung und Kaffee

9.30 Uhr – 9.40 Uhr Begrüßung

  • 9.30 – 9.35 Christian Kühn | Parlamentarischer Staatssekretär, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz | virtuell
  • 9.35 – 9.40 Dirk Messner | Präsident, Umweltbundesamt Deutschland

9.40 – 10.10 Scientific contributions to climate: Results of ⁠IPCC⁠-Report

  • Joeri Rogelj | Imperial College London | virtuell

10.10 – 10.40 Health in a changing environment – risks and responses

  • Andy Haines | London School of Hygiene and Tropical Medicine | virtuell

10.40 – 11.00 Kaffeepause

11.00 Uhr – 11.30 Uhr Keynote: Sustainable Finance in the EU

  • Nathan Fabian | PRI and Chair EU Platform Sustainable Finance | virtuell

11.30 Uhr – 13.00 Uhr Anlageziele der Asset Owner

  • André Heimrich | Bayerische Versorgungskammer, CFO
  • Martina Nitschke | VGV, Abteilungsleiterin Kapitalanlagen | virtuell
  • Udo Riese | Allianz SE, ESG-Lead
  • Christian Wolf | BVV, Abteilungsleiter Risikomanagement | virtuell
  • Michael Dittrich | DBU, Abteilungsleiter Finanzen | virtuell
  • Roberto Cruccolini | AKA, Abteilungsleiter Fachbereich Wirtschaft

13.00 Uhr – 13. 45 Uhr Mittagessen

13.45 Uhr – 14.30 Uhr Panel zum Thema: Dekarbonisierung – Chancen und Herausforderungen

Moderation: Andreas Hoepner, University College Dublin

  • Georg Rebernig | Umweltbundesamt Österreich, Geschäftsführer | virtuell
  • André Weidenhaupt | Ministerium der Umwelt, des Klimas und der nachhaltigen Entwicklung Luxemburg, Generaldirektor
  • Elke Pfeiffer | Net-Zero Asset Owner Alliance, Senior Project-Manager
  • Daniel Wild | Bank J. Safra Sarasin AG, Chief Sustainability Officer
  • Hauke Brede | Up2 Invest, Geschäftsführer

14.30 Uhr – 15.00 Uhr Kaffeepause

15.00 Uhr – 16.00 Uhr Panel zum Thema: Regulation – Targets and implementation

Moderation: Astrid Matthey, Umweltbundesamt Deutschland

  • Dirk Messner | Umweltbundesamt Deutschland, Präsident
  • Patrick Karlsson | ESMA, Senior Policy Officer | virtuell
  • Jean Christophe Nicaise-Chateau | FISMA, Legislative Officer
  • Andreas Hoepner | University College Dublin, Professor für Operational Risk, Banking & Finance

16.00 Uhr – 16.45 Uhr Real Estate – Umweltschutz und Just Transition im Gebäudesektor

Moderation: Maik Nagel, Umweltbundesamt Deutschland

  • Dirk Rathlev Real Estate Fund Operations & Strategy bei Ernst & Young Real Estate GmbH, Direktor
  • Max Maywald GRESB, Analyst Real Estate
  • Peter Epping Hines, Global Head of ESG virtuell
  • Heike Schmitz Herbert Smith Freehills Llp, Partner

16.45 Uhr – 17.15 Uhr Kaffeepause

17.15 Uhr – 18.00 Uhr ⁠Biodiversität⁠ – Chancen und Herausforderungen

Moderation: Astrid Matthey, Umweltbundesamt Deutschland

  • Karine Siegwart | Bundesamt für Umwelt Schweiz, Vizepräsidentin | virtuell
  • Oliver Schelske | Swiss Re Institute, Natural Assets & ESG Research Lead | virtuell
  • Beate Hollweg | Europäische Umweltagentur, Senior Expert Sustainable Finance
  • Malte Hessenius | Climate & Company, Data Analyst Sustainable Finance

18.00 Uhr – 18.15 Uhr Übernahme der EU Sustainable Finance Regulierung in deutschen Finanzinstitutionen

  • Andreas Hoepner | University College Dublin, Professor für Operational Risk, Banking & Finance

18.15 Uhr – 18.30 Uhr Key Messages

Ab 18.30 Gemeinsames Abendessen und Get Together

Tag 2: Wege aus der Biodiversitäts- und Klimakrise: Strategien für den DACH-Li-Lux-Raum

Gesamtmoderation: Beate Hollweg, Europäische Umweltagentur

8.30 Uhr – 9.00 Uhr: Frühstück

9.00 Uhr – 9.15 Uhr: Kurze Begrüßung/ Wrap Up Donnerstag und Ausblick Freitag

9.15 Uhr – 9.40 Uhr EEA Sustainability Transition: Getting the Finances Right

  • Beate Hollweg | Europäische Umweltagentur, Senior Expert Sustainable Finance

9.40 Uhr – 10.05 Uhr Vergleichbare Klimatests für den ganzen Finanzmarkt – Erfahrungen aus der Schweiz

  • Silvia Ruprecht | Bundesamt für Umwelt Schweiz, Projektleitung ⁠Klima⁠ und Finanzmarkt | virtuell

10.05 Uhr – 10.30 Uhr Nachhaltiges Investieren in Deutschland

  • Maik Nagel | Umweltbundesamt Deutschland, Experte Sustainable Finance

10.30 Uhr – 10.50 Uhr Kaffeepause

10.50 – 11.15 Green Finance – Forschungsergebnisse und Initiativen in Österreich

  • Natalie Glas | Umweltbundesamt Österreich, Head of Green Finance Team

11.15 Uhr – 11.35 Uhr Swedish Council on Ethics

  • John Howchin | Former Secretary-General of the Council on Ethics | virtuell

11.35 Uhr – 13.30 Strategien zur Umsetzung: Nachhaltiger Asset Owner Council und andere Aktivitäten und Handlungsfelder

Moderatorin: Astrid Matthey, Umweltbundesamt Deutschland

  • Wolfram Gerdes | KZVK, Vorstand Kapitalanlagen und Finanzen
  • Tim Ockenga | ⁠GDV⁠, Leiter Kapitalanlagen
  • Nicole Becker | BVK, Leiterin der Stabsstelle für Vorstandsangelegenheiten und ⁠Nachhaltigkeit⁠ im Bereich Kapitalanlagen
  • Hauke Brede | UP2Invest, Geschäftsführer

Ab 13.30 Uhr Fazit und Ausblick

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