Serious Gaming und Nachhaltigkeit

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SubSeGa - Gaming trifft Nachhaltigkeit
Quelle: Elisabeth Lena Aubrecht / UBA

Gaming an PC, Konsole und Smartphone hat nicht erst seit der COVID-19-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Mit dem Forschungsvorhaben „Serious Gaming - Potenziale für Wissensvermittlung und Bewusstseinswandel für mehr Nachhaltigkeit“ erschließt das Umweltbundesamt Fragestellungen und Nutzungsansätze rund um dieses Medium. Dafür wurde mit "Little Impacts" auch ein eigenes Serious Game entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

 

Hintergrund

Computer- und Videospiele zu spielen ist in Deutschland sehr populär. Laut Bundesverband der Deutschen Games-Branche (game) spielen rund sechzig Prozent der Deutschen Computer- und Videospiele, zumindest gelegentlich. Dabei ist die Zahl der deutschen Spieler*innen in der Vergangenheit über nahezu alle Altersklassen hinweg stetig gestiegen (game, 2022).
Verband der deutschen Games Branche - game (2022): Jahresreport der deutschen Games-Branche 2022.

Während der größte Teil der Spiele der Kategorie der Unterhaltungsspiele zugeordnet werden kann, gibt es auch Spiele, die neben der Unterhaltung weitere Ziele verfolgen. Diese Serious Games oder auch Impact Games genannten Spiele zielen beispielsweise auf Bildung, dem Transfer bestimmter Fähigkeiten oder Motivation zu bestimmten Handlungen ab. Serious Games kombinieren dabei typische Spielelemente wie Spaß, Wettbewerb und eine ansprechende Spielwelt mit z.B. Bildungsinhalten. Sie bieten dadurch eine innovative Möglichkeit, um Nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Zugänge für eine zunehmend technikaffine Generationen zu öffnen und damit eine breite Zielgruppe gezielt anzusprechen.

Die Politik hat derartige Entwicklungen bereits aufgegriffen: Die umweltpolitische Digitalagenda strebt im Maßnahmenpaket 4 »Umweltpolitik 4.0« die Etablierung digitaler Tools für Bildung und Partizipation an. Serious Games sind ein solches Tool und haben das Potenzial einen zunehmend bedeutsamen Zugang zu Umweltinformationen und Umweltbildung für die breite Bevölkerung darzustellen. Sie bieten darüber hinaus das Potenzial zur Schaffung einer erhöhten Digital- und Datenkompetenz.

Angesichts einer Generation umweltbewusster Schüler*innen und junger Erwachsener, die für ⁠Klimaschutz⁠ demonstrieren und sich von Vorbildern wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer inspirieren lassen, scheint das persönliche Interesse, selbst etwas zu einer nachhaltigeren Zukunft beizutragen, auch in einer Zeit multipler Krisen weiterhin hoch zu sein (Frick et al., 2022).
Frick, V., Holzhauer, B., Gossen, M., Harnisch, R., Winter, F. (2022). Zukunft? Jugend fragen! – 2021. Umwelt, Klima, Wandel – was junge Menschen erwarten und wie sie sich engagieren. Berlin & Dessau-Roßlau.

Dennoch weisen nicht alle gesellschaftlichen Gruppen ein Nachhaltigkeitsbewusstsein auf (Umweltbundesamt, 2021). Für eine groß angelegte Nachhaltigkeitstransformation, bei der auch Bürger*innen erreicht werden, die bisher wenig Berührungspunkte mit den Konzepten ⁠Nachhaltigkeit⁠ und Nachhaltige Entwicklung hatten, sind daher innovative Ansätze erforderlich.

Umweltbundesamt (2021). 25 Jahre Umweltbewusstseinsforschung im Umweltressort: Langfristige Entwicklungen und aktuelle Ergebnisse. Dessau-Roßlau.

 

Ziele und Laufzeit des Forschungsvorhabens

Im Zuge des Vorhabens erkundet und erörtert das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE gemeinsam mit ⁠UBA⁠ die Potenziale von (Serious) Gaming für den Wandel zu mehr ⁠Nachhaltigkeit⁠.

Der aktuelle Forschungsstand im Themenbereich (Serious) Games und Nachhaltigkeit mit besonderem Fokus auf die Wirksamkeit solcher Ansätze wird im Rahmen des Vorhabens reflektiert. Zusätzlich wird weiterer Forschungsbedarf identifiziert.

Darüber hinaus wird gemeinsam mit dem Spieleentwickler quantumfrog ein Serious Game zum Thema Nachhaltigkeit im Alltag entwickelt und hinsichtlich seiner Wirkung und Reichweite evaluiert. Das Spiel wurde im April 2024 veröffentlicht: https://littleimpacts.de

Parallel dazu werden im Rahmen des Vorhabens Möglichkeiten einer aktiven Vernetzung des Umweltbundesamts mit der Community der Spieleentwickler*innen ergründet und zusammen mit der Beratungs- und Eventagentur boosterspace umgesetzt.

Das Vorhaben startete im Jahr 2021 und läuft bis Mitte des Jahres 2024.

 

Forschungsstand und -potenziale

Das wissenschaftliche Interesse an Serious Games ist breit über akademische Disziplinen gefächert. Dabei kommen mehr als ein Fünftel der Veröffentlichungen aus dem Bereich der Computerwissenschaften (21%) und jeweils über ein Zehntel aus den Erziehungswissenschaften, der Psychologie und den
Ingenieurswissenschaften. Die Umweltwissenschaften sind bei der Erforschung von Serious Games nur am Rande vertreten.
Çiftci, S. (2018). Trends of Serious Games Research from 2007 to 2017: A Bibliometric Analysis. Journal of Education and Training Studies, 6(2), 18.

Je nach forschender Disziplin, wird der Schwerpunkt auf unterschiedliche Game Aspekte gelegt. So befassen sich Computer- und Ingenieurswissenschaften häufig mit technischen Aspekten der Spiele, wie performanten Algorithmen, Datenbanken, und grafischer Modellierung. Dagegen nehmen Umweltwissenschaften beispielsweise eher Aspekte der Wissens- und Informationsübermittlung an Spielende in den Blick.

Mit Blick auf die Forschung zur Wirksamkeit von Serious Games (SG) bezogen auf ihre jeweiligen Wirkziele, räumt die Mehrheit der Publikationen ein, dass das Messen und Sammeln von exakten Belegen für die Wirksamkeit von SGs eine Herausforderung darstellt (z.B. Connolly et al., 2012; de Freitas, 2018; Wilkinson, 2016).
Das liegt vor allem daran, dass die Forschung auf diesem Gebiet noch relativ jung ist. Beispielsweise gibt es im Bereich der Definitionen oder der Methoden noch keine einheitlichen Standards, woraus Inkonsistenzen resultieren. Trotz dieser aktuellen Einschränkungen im Bereich der Serious Games-Forschung liefern neuere Meta-Analysen und eine Langzeitstudie zur Serious Games-Wirksamkeit überwiegend positive Ergebnisse, die auf einen insgesamt vorteilhaften Einfluss von Serious Games auf die Lernerfahrung hinweisen (Çiftci, 2018; Connolly et al., 2012; de Freitas, 2018; Raupach et al., 2021).
Connolly, T. M., Boyle, E. A., MacArthur, E., Hainey, T. & Boyle, J. M. (2012). A systematic literature review of empirical evidence on computer games and serious games. Computers & Education, 59(2), 661–686.

de Freitas, S. (2018). Are Games Effective Learning Tools? A Review of Educational Games. Journal of Educational Technology & Society, 21(2), 74–84.

Ein Exkurs in die Forschung zu Serious Games rund um das Thema Wandel zu mehr ⁠Nachhaltigkeit⁠ zeigt verschiedene Trends bezüglich der Ausgestaltung der Spiele bzw. der Forschung rund um diese. Diese Trends bieten Potenziale für eine weitere Erforschung:

  • Integration von Zuständen aus der realen Welt
    (in den ermittelten Anwendungen wurden insbesondere Daten zum realen Energieverbrauch von Spieler*innen in die Spiele integriert)
  • Realitätstransfer via Briefing und/oder Debriefing der Spieler*innen
    (vor oder nach den Spielsitzungen wurden moderierte Besprechungen von Spieler*innen und Forscher*innen durchgeführt)
  • Verhalten und Bewusstsein als verschiedene Maße von Wirksamkeit der Spiele
    (da Verhaltensänderungen schwerer zu erzielen und zu messen sind als Bewusstseinsänderungen, existieren wenige Spiele und Studien, die sich explizit dieses Themas annehmen; gleichzeitig wird die Wichtigkeit solcher Ansätze betont)
 

Serious Game zum Thema Nachhaltigkeit "Little Impacts"

Wer mit bewussteren Entscheidungen im Alltag etwas bewegen und Denkanstöße in das eigene Umfeld tragen möchte, ist im Spiel „Little Impacts“ genau richtig. Das Spiel richtet sich an (junge) Erwachsene und nimmt sie auf eine kleine Reise mit: In fünf Kapiteln erkunden die Spieler*innen verschiedene alltagsnahe Themen wie Ernährung, Wohnen und Mobilität, aber auch politische Teilhabe und nachhaltige Investitionen. Als Spieler*in begleitet man die Hauptfigur Leah dabei, wie sie mit ihrer Familie und ihrem Freundeskreis über diese Themen ins Gespräch kommt. Leah navigiert einfühlsam Vorbehalte und Konflikte zwischen den Generationen, begeistert andere Menschen mit ihrer Motivation und lässt die Spieler*innen das Gelernte direkt selbst anwenden.

 

Community der Spielentwickler*innen, etc. – Vernetzungsevent

Die Potenziale, die sich aus Serious Gaming für einen Wandel zu mehr ⁠Nachhaltigkeit⁠ ergeben, beschränken sich nicht auf die Bereiche Forschung und Anwendung. Die Gaming-Community – sowohl auf Seite der Gamer*innen als auch auf Seite Entwickler*innen, Journalist*innen und weiteren Akteur*innen – ist groß, divers und zeigt seit Jahren, dass sie großes Interesse an Themen, wie Nachhaltigkeit oder Diversität hat.

Das ⁠UBA⁠ Serious Game "Little Impacts" soll den Kontakt mit der Gamer*innen-Szene etablieren. Parallel dazu werden auf einem Vernetzungsevent im April 2023 wichtige ⁠Stakeholder⁠*innen aus der Gaming-Community (Spielentwickler*innen, Games-Forscher*innen und -Journalist*innen) an das Umweltbundesamt nach Dessau zum gemeinsamen Gamen und Diskutieren eingeladen.

HINWEIS: Dieser Artikel wird entsprechend des Fortschritts im Forschungsvorhaben aktualisiert.

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