Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) sind thermisch und chemisch sehr stabil und reichern sich in der Umwelt und dem Menschen an. Mittels Human-Biomonitoring ist es möglich, die individuelle Belastung des Menschen durch PFC zu bestimmen. Im Folgenden wird ein Überblick über das toxikologische Profil dieser Substanzgruppe gegeben und es werden die vom Umweltbundesamt durchgeführten Human-Biomonitoring-Studien vorgestellt sowie Möglichkeiten einer Beurteilung der gemessenen Werte aufgezeigt.
Toxikologisches Profil von PFC
Mit der Nahrung oder dem Trinkwasser aufgenommene PFC werden vom Menschen wie auch vom Säugetier weitgehend resorbiert und hauptsächlich im Plasma (in dem sie überwiegend an Albumin gebunden sind), in der Leber und der Niere verteilt. Perfluorsulfonsäuren ebenso wie Perfluorcarbonsäuren werden nicht metabolisiert und im Urin sowie mit dem Kot ausgeschieden. Jedoch können Vorläufersubstanzen in Perfluorsulfon- und Perfluorcarbonsäuren umgewandelt werden. Für manche PFC im Menschen werden sehr lange Halbwertzeiten berichtet, so z.B. für PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) 4,8–5,4 Jahre und für PFOA (Perfluoroktansäure) 2,3–3,8 Jahre [1-3]. Im Unterschied hierzu liegen bei einigen Versuchstierspezies die Halbwertzeiten im Bereich von Stunden bis Tagen, wobei z.B. für PFOA signifikante Geschlechtsunterschiede bei der Ausscheidung beobachtet wurden [4, 5].
Die gesundheitlichen Auswirkungen von PFC wurden in einer Vielzahl von tierexperimentellen [6] und epidemiologischen Studien erforscht, die sich hauptsächlich auf PFOS, PFOA, PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure) und PFNA (Perfluornonansäure) beziehen [7, 8, 9].
In Tierstudien mit wiederholter Verabreichung wurde für verschiedene PFC ein erhöhtes Lebergewicht der Versuchstiere beobachtet, jedoch mit deutlichen Unterschieden in den relativen Potenzen. Störungen des Lipidstoffwechsels waren meist bei höheren Dosierungen erkennbar. Viele PFC senkten den Spiegel der Schilddrüsenhormone T4 und T3. Der empfindlichste durch PFOA hervorgerufene Entwicklungseffekt war eine beeinträchtigte Entwicklung der Brustdrüsen bei Mäuse-Nachkommen nach Exposition der Muttertiere in der späten Schwangerschaft. Andere, mit verschiedenen PFC durchgeführte Studien zur Entwicklungstoxizität bei Nagetieren zeigten bei deutlich höheren Konzentrationen erhöhte fetale und / oder neonatale Mortalität sowie eine Verringerung des fetalen Gewichts. PFOS und PFOA übten darüber hinaus bei Nagetieren neurotoxische Wirkungen auf die Entwicklung aus. Für PFNA und PFDA (Perfluordekansäure) werden Auswirkungen auf männliche Fortpflanzungsparameter berichtet. Es wurde zudem in experimentellen Studien am Tier gezeigt, dass PFOS und PFOA eine verringerte Reaktion auf Impfungen verursachten (T-Zell-abhängige Antikörperantwort) und PFOS darüber hinaus eine verringerte Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen bewirkte. Aus Gentoxizitätsstudien gibt es keine eindeutigen Hinweise auf einen direkten genotoxischen Wirkmechanismus von PFOS oder PFOA. Es gibt aber einige Hinweise darauf, dass PFOS und PFOA oxidativen Stress verursachen [8, 9]. Verfügbare Langzeit-/Kanzerogenitäts-Studien zeigen, dass PFOS und PFOA Tumorpromotoren in der Nagetierleber sind und dass PFOA Leydig-Zelltumoren bei Ratten induzieren kann [8, 9].
Die Epidemiologie befasst sich mit der Häufigkeit von Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder anderen gesundheitsbezogenen Merkmalen in (Gruppen) der Bevölkerung und deren möglichen Ursachen. Für entsprechende Auswertungen werden überwiegend statistische Methoden zur Anwendung gebracht. Bezüglich PFOS und PFOA liegen zahlreiche epidemiologische Studien vor. Diese lassen den Schluss zu, dass diese Stoffe eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken können. Einige der Studien legen außerdem nahe, dass erhöhte Serumspiegel von PFOS und PFOA mit einer erhöhten Infektionsneigung verbunden sein können. Es liegen darüber hinaus eindeutige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber PFOS, PFOA und PFNA und erhöhten Serumspiegeln von Cholesterin vor. Weitere epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass möglicherweise ein kausaler Zusammenhang zwischen einer PFOS- und PFOA-Exposition und dem Geburtsgewicht besteht [9]. Im Gegensatz zu den Tierversuchen zeigen epidemiologische Studien nur eine unzureichende Evidenz für Zusammenhänge zwischen einer Exposition gegenüber PFC und der neurologischen Entwicklung, der Schilddrüsenfunktion [9] oder einem erhöhten Krebsrisiko (no evidence [9], limited evidence [10]).
Human-Biomonitoring
Mittels Human-Biomonitoring kann die individuelle PFC Körperlast des Menschen bestimmt werden. Hierbei werden anlassbezogen oder im Rahmen repräsentativer Studien wie der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) [11] Humanproben, im Falle von PFC Blutproben, untersucht, um Erkenntnisse zur Belastung zu gewinnen. Die Ergebnisse aktueller Untersuchungen von Kindern (GerES V) wurden kürzlich zur Veröffentlichung eingereicht. Auch kann der zeitliche Trend der Belastung über die Jahre mittels Proben der Umweltprobenbank des Bundes nachverfolgt werden [12]. Proben der Umweltprobenbank stammen von 20 bis 29 jährigen Teilnehmenden aus Greifswald, Halle/Saale, Münster und Ulm, die nach informierter Zustimmung jeweils Blut- und Urinproben zur Untersuchung abgegeben und begleitend einen ausgefüllten Fragebogen zu Verzehrs- und Lebensgewohnheiten zur Verfügung gestellt haben. Ergebnisse von Zeittrendanalysen zu PFC in Blutplasma von Studierenden aus Münster liegen für die Jahre 1982-2010 [13] sowie von Studierenden aus Münster und Halle für die Jahre 1982-2009 [14, 15] vor. Messungen zur Verlängerung der erstgenannten Zeitreihe bis 2019 werden gerade ausgewertet. Darüber hinaus erfolgt seit 2017 im Rahmen der Initiative HBM4EU (Laufzeit bis 2021) [16] eine europaweite Harmonisierung von Nachweismethoden sowie von Verfahren zur Datenerhebung und -auswertung, so dass Messergebnisse künftig besser vergleichbar sein werden und, sofern erforderlich, auf europäischer Ebene für die Politikberatung herangezogen werden können.
Beurteilung von Human-Biomonitoring-Ergebnissen
Um Human-Biomonitoring Ergebnisse zu beurteilen, können Vergleichswerte herangezogen werden, die die Hintergrundbelastung abbilden. Hierzu legt die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes das innerhalb des 95 %-Konfidenzintervalls gerundete 95. Perzentil repräsentativer Messwerte als sogenannten Referenzwert fest. Dieser statistisch abgeleitete Referenzwert kann als Maßstab dafür dienen, ob Einzelpersonen oder Personengruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhte Werte aufweisen und somit einer höheren Umweltbelastung ausgesetzt sind [17]. Auf Basis der aktuellen Daten aus GerES V wurden neue Referenzwerte für Kinder bezüglich PFOA (3 μg/L) und PFOS (5 μg/L) abgeleitet [18]. Wichtig ist hierbei, dass Referenzwerte statistisch abgeleitet sind und keine Aussage über die Wirkung gemessener Stoffe oder deren Metaboliten zulassen.
Zur gesundheitsbezogenen Einordnung müssen die Messergebnisse mit Werten verglichen werden, die auf der Grundlage von toxikologischen und/oder epidemiologischen Untersuchungen abgeleitet wurden (in Deutschland: Human-Biomonitoring-Werte, HBM-I- und -II-Werte) [19]. Der HBM-I-Wert gibt die Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium an, bei deren Unterschreitung nach dem aktuellen Kenntnisstand und der Bewertung durch die HBM-Kommission nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist und sich somit kein Handlungsbedarf ergibt. Er beschreibt die Stoffkonzentration, die unter dem Ziel der gesundheitlichen Vorsorge nicht überschritten werden soll [19]. Demgegenüber beschreibt der HBM-II-Wert eine Grenze (Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium), bei deren Überschreitung nach heutigem Kenntnisstand eine für die Betroffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist, so dass akuter Handlungsbedarf zur Reduktion der Belastung besteht und eine umweltmedizinische Beratung zu veranlassen ist. Der HBM-II-Wert ist somit als Interventions- und Maßnahmenwert anzusehen [19]. Im Bereich zwischen HBM-I- und HBM-II-Wert sind gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Zeigen die Messungen eine Überschreitung des HBM-I- oder II-Wertes, so sollte mittels einer nachfolgenden Kontrolluntersuchung überprüft werden, ob eine anhaltende erhöhte Exposition vorliegt. Sollte dies der Fall sein, ist nach spezifischen Belastungsquellen zu suchen und für eine Verminderung der Belastung zu sorgen, dies gilt bei HBM-II-Wert-Überschreitungen unmittelbar.
HBM-Werte für PFOA und PFOS
Die HBM-Kommission hat für PFOA und PFOS die Ableitung von HBM-Werten vorgenommen und HBM-I-Werte in Höhe von 2 µg/l Blutplasma für PFOA und 5 µg/l Blutplasma für PFOS festgelegt [20]. Die HBM-II-Werte betragen für Frauen im gebärfähigen Alter 5 µg PFOA/l Blutplasma und 10 µg PFOS/l Blutplasma sowie für die übrigen Bevölkerungsgruppen 10 µg PFOA/l Blutplasma und 20 µg PFOS/l Blutplasma. Die für die Bewertung herangezogenen humanepidemiologischen Studien wurden jeweils hinsichtlich der Studienqualität (Anlage der Studie, Stichprobe/Kohorte, Erhebungsmethodik, Analytik, Methodik der Auswertung, Berücksichtigung von zusätzlichen Einflussfaktoren) geprüft. Studien mit unzureichenden Daten oder Beschreibungen wurden in der weiteren Bearbeitung nicht berücksichtigt. Es wurden folgende Effekte für die HBM-II-Wert-Ableitung berücksichtigt [21]:
- Entwicklungstoxische Effekte und verringerte Geburtsgewichte
- Verminderte Fertilität
- Verringerte Antikörperbildung (Immunsystem)
- Erhöhte (LDL- und Gesamt-) Cholesterin-Konzentrationen
- Diabetes mellitus Typ II
Für einige der genannten Endpunkte, wie z. B. die humorale, d.h. durch Antikörper vermittelte, Immunantwort und die Geburtsgewichte, wurden gleichgerichtete Effekte im Tierexperiment gefunden. Diese Analogien zwischen Tierexperiment und Epidemiologie erhöhen die Plausibilität, relevante Effekte für die Bewertung gewählt zu haben. Die Wirkmechanismen, die den Assoziationen erhöhter PFOA- oder PFOS-Konzentrationen mit gesundheitlichen Effekten zugrunde liegen, sind derzeit nicht ausreichend aufgeklärt. Sowohl der HBM-I-Wert als auch der HBM-II-Wert für PFOA und PFOS beruhen auf einer Beurteilung des populationsbezogenen Risikos für Veränderungen der ausgewählten Wirkungsindikatoren. Das Risiko eines Individuums, in Folge seiner inneren PFOA- oder PFOS-Belastung eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erleiden, kann dabei nicht ausreichend sicher quantifiziert werden. Dessen war sich die HBM-Kommission bewusst. Sie wollte dennoch mit der Festlegung dieser Werte Orientierungspunkte für erforderliche bevölkerungsbezogene Maßnahmen setzen [21].
Literatur
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