Netzausbau

Windpark und zwei Energiefreileitungstrassenzum Vergrößern anklicken
Mit der Energiewende muss auch das Stromnetz weiterentwickelt werden
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Die Anforderungen an das Stromnetz haben sich stark verändert und werden in den kommenden Jahren weiter steigen. Schwankende Einspeiseleistungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen und die neue räumliche Verteilung der Stromerzeugung machen eine umfangreiche Anpassung der Netzinfrastruktur notwendig.

Inhaltsverzeichnis

 

Notwendigkeit des Netzausbaus

Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien stellt das Energiesystem vor große Herausforderungen. Die Stromerzeugung hat sich in Deutschland räumlich stark verlagert. Dadurch werden zusätzliche Übertragungs- und Verteilungskapazitäten notwendig. Gründe hierfür sind unter anderem der europäische Stromhandel, der Ausbau der Windenergie im Norden und Osten Deutschlands und die Liberalisierung des Strommarktes. Bisher wurden Kraftwerke verbrauchsnah gebaut. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien werden Stromerzeugung und -verbrauch geographisch immer mehr auseinanderfallen.

Um den größer werdenden Anteil erneuerbarer Energien in das Energiesystem integrieren zu können, muss die Netzinfrastruktur daher auf allen Spannungsebenen angepasst werden. Das heutige Netz ist nicht ausreichend für solche großen Leistungstransite sowie für Rückspeisungen aus den Verteilungs- ins Übertragungsnetz ausgelegt. Der Stromfluss erfolgte bisher nur in eine Richtung: vom großen, zentralen Erzeuger auf viele dezentrale Verbraucherinnen und Verbraucher.

Der Ausbau des Stromnetzes kann derzeit nicht mit dem der erneuerbaren Energien Schritt halten. So kann bereits in einigen Regionen nicht mehr zu jeder Zeit der Strom aus erneuerbaren Energien vollständig abgenommen und übertragen werden. In den Verteilungsnetzen nehmen Situationen zu, in denen die Spannungsgrenzwerte überschritten werden. Innovative Konzepte sind erforderlich, um die Spannung dynamisch regeln zu können: zum Beispiel Blindleistungsbereitstellung durch Photovoltaik-Wechselrichter oder der Einsatz regelbarer Ortsnetztransformatoren.

Die zentrale Frage lautet daher: Wie muss das Stromnetz weiterentwickelt werden, um Strom aus erneuerbaren Energien möglichst effektiv und volkswirtschaftlich effizient bereitstellen und somit zur Erreichung der langfristigen klima- und energiepolitischen Ziele beitragen zu können?

 

Einflussfaktoren auf den Netzausbaubedarf

Um die Netzinfrastruktur an die neuen Anforderungen anzupassen, kann diese nicht nur ausgebaut, sondern auch optimiert und verstärkt werden. So können die vorhandenen Übertragungskapazitäten erhöht oder effizienter genutzt werden. Dazu gehört zum Beispiel: der Einsatz von Leiterseil-Temperaturmonitoring und Hochtemperaturseilen, die Vergrößerung bestehender Leiterseilquerschnitte sowie der Einsatz von FACTS (Flexible AC Transmission Systems) und Phasenschiebergeneratoren zur Blindleistungskompensation, gezielten Steuerung der Lastflüsse und Netzstabilisierung.

Schließlich ist zu untersuchen, wo das Optimum zwischen dem Ausbau der Netzkapazitäten einerseits und einer zeitweisen Begrenzung der nur selten auftretenden maximalen Einspeisung erneuerbarer Energien andererseits liegt.

Desweiteren gibt es Maßnahmen, die das Energiesystem flexibilisieren können, wie zum Beispiel eine Verstärkung des nachfrageseitigen Lastmanagements (Demand-Side-Management), der Einsatz von Speichern, die Verknüpfung dezentraler Anlagen zu virtuellen Kraftwerken oder der Aufbau „intelligenter“ Netze, um Erzeugungsanlagen, Netzkomponenten, Speicher und Verbraucher auf einander abgestimmt zu steuern. Diese können so eingesetzt werden, dass sie den Netzausbaubedarf reduzieren.

 

Bundesweite Netzentwicklungsplanung

Mit dem im Jahr 2009 verabschiedeten Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) wurden erstmalig die notwendigen Leitungsbaumaßnahmen auf Höchstspannungsebene in Deutschland gesetzlich festgestellt. Da damit bereits gesetzlich verankert ist, welche Leitungen notwendig sind, wird eine Diskussion darüber während des laufenden Zulassungsverfahrens verkürzt. Somit ermöglicht das EnLAG den Ländern, die Bauvorhaben schneller zu genehmigen. Die Bundesnetzagentur dokumentiert kontinuierlich den aktuellen Stand der Genehmigungsverfahren der 24 Netzausbauprojekte (EnLAG-Monitoring). Die Informationen zu den Bau- und Planungsfortschritten erhält sie quartalsmäßig von den vier Übertragungsnetzbetreibern.

Seit 2011 haben die vier deutschen Übertragunsnetzbetreiber (50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW) den Auftrag, gemeinsam jährlich einen Netzentwicklungsplan für den Ausbau der Übertragungsnetze zu erarbeiten (erstmalig zum 3. Juni 2012). Rechtliche Grundlage ist das novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), insbesondere die Paragrafen 12a bis e EnWG. Der Netzentwicklungsplan soll alle Maßnahmen enthalten, die in den nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind, um das Netz bedarfsgerecht zu optimieren, verstärken und auszubauen.

Dieses regelmäßig durchzuführende Verfahren der bundesweiten Netzausbauplanung umfasst die folgenden fünf aufeinander aufbauenden Schritte:

  1. Im ersten Schritt erstellen die Übertragungsnetzbetreiber jährlich einen Szenariorahmen mit mindestens drei Szenarien. Sie stellen die für die nächsten zehn Jahre wahrscheinlichen Entwicklungen in den Bereichen erneuerbare Energien, konventionelle Energien und Energieverbrauch dar. Der Szenariorahmen wird der Bundesnetzagentur vorgelegt und öffentlich konsultiert.
  2. Die Szenarien bilden die Grundlage für die darauf folgenden Strommarkt- und Netzsimulationen der Übertragungsnetzbetreiber zur Bestimmung des Netzentwicklungsbedarfs im Übertragungsnetz (Netzentwicklungsplan, NEP). Die Netzausbauplanung muss grundsätzlich nach dem NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor -verstärkung vor -ausbau) erfolgen. Seit 2013 wird zusätzlich ein Offshore-Netzentwicklungsplan (O-NEP) für den Anschluss von Offshore-Windenergieparks an das Übertragungsnetz auf dem Festland erstellt. Es folgt die Konsultation der Öffentlichkeit, worauf die Übertragungsnetzbetreiber die Entwürfe des NEP und des O-NEP überarbeiten.
  3. Danach prüft die Bundesnetzagentur die Pläne und führt eine strategische Umweltprüfung durch. Der NEP und der O-NEP werden nach einer weiteren Konsultation mit der Öffentlichkeit der Bundesregierung (mindestens alle drei Jahre) als Entwurf für einen Bundesbedarfsplan übermittelt. Der Gesetzgeber erlässt den Bundesbedarfsplan. Damit wird festgestellt, dass die im Plan enthaltenen Vorhaben energiewirtschaftlich notwendig sind und vordringlich gebraucht werden.
  4. Hierauf folgt die Bundesfachplanung (Ebene der ⁠Raumordnung⁠), bei der die Trassenkorridore in einem Bundesnetzplan festgelegt werden. Sie wird durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) geregelt. Demnach führt die Bundesnetzagentur bei den im Bundesbedarfsplan als länderübergreifend oder grenzüberschreitend gekennzeichneten Höchstspannungsleitungen auf Antrag eines Übertragungsnetzbetreibers die Bundesfachplanung durch.
  5. Das nachfolgende Planfeststellungsverfahren prüft den genauen Trassenverlauf und mündet im Planfeststellungsbeschluss.

Mit den Regelungen in NABEG und EnWG soll die Bürgerbeteiligung deutlich verbessert und mehr Transparenz auf allen Verfahrensebenen erreicht werden. Eine höhere Akzeptanz kann dann im Ergebnis auch zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen.

 

Europäischer Netzausbau

Um Leistungsschwankungen großräumig ausgleichen sowie europaweite und transkontinentale Potenziale der erneuerbaren Energien nutzen zu können, wird der grenzübergreifende Stromhandel immer wichtiger. Das europäische Verbundnetz, insbesondere die Grenzkuppelleitungen sind dafür auszubauen. Ein Overlay-Netz, das Großprojekte oder Regionen großräumig verbinden soll, könnte dabei zukünftig das europäische Drehstromnetz ergänzen. Wenn das Energiesystem gesamteuropäisch betrachtet wird, könnte dies den notwendigen Netz- und Speicherausbau in Deutschland verringern.

 

Umweltauswirkungen

Der Aus- und Umbau der Stromnetze ist notwendig für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Allerdings sollte die anstehende Netzentwicklung so umweltverträglich und raumsparend wie möglich geplant werden. Nachfolgend werden die Umweltauswirkungen von Höchstspannungs-Freileitungen und -Erdkabeln dargestellt.

Freileitungen

  • Mögliche Gesundheitsrisiken durch elektrische und magnetische Felder (bisher noch immer Unsicherheiten in der Wissenschaft)
  • Beeinträchtigung des Landschaftsbildes
  • Geräusche durch Koronaentladung in direkter Umgebung bei bestimmten Wetterlagen
  • witterungsbedingte Gefahren wie Eisbruch, Mastbruch, Blitzeinschlag
  • Gefährdung von Vögeln durch Leitungsanflug (insbesondere Zugvögel)
  • Schneisenbildung im Wald und Zerschneidung von Lebensräumen (bspw. zerschneiden Freileitungen mitunter Schlaf- und Nahrungsgebiete für Vögel)

Erdkabel

  • während der Kabelverlegung ist die Flächeninanspruchnahme und Bodenbewegung umfangreicher als bei Freileitungen
  • magnetisches Feld (nimmt rasch mit der Entfernung ab)
  • Bodenerwämung und -austrocknung, Drainagewirkung
  • eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung
  • Schneisenbildung im Wald führt zu Veränderungen des Lebensraums (Kabeltrasse mit Schutzstreifen darf nicht bebaut und muss von tiefwurzelnden Pflanzen freigehalten werden)
  • Bodenveränderungen in Mooren und Feuchtgebieten

Zwar wird bei Erdkabeln das Landschaftsbild kaum beeinträchtigt und sie stellen kein Risiko für Vögel dar. In der Planung von Netzausbaumaßnahmen sind aber sämtliche Vor- und Nachteile von Freileitungen und Erdkabeln sowohl unter ökologischen als auch technischen und ökonomischen Aspekten zu prüfen. Erdkabel führen nicht in allen Fällen zu einer höheren Akzeptanz. Ihr Einsatz im Hoch- und Höchstspannungsnetz ist mit neuen Herausforderungen verbunden: wie technische Risiken, finanzieller Mehraufwand sowie stärkere Eingriffe in die Bodenökologie oder Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Nutzung. Auf 380-kV-Ebene sind gemäß Paragraf 2 EnLAG vier und im Entwurf des Bundesbedarfsplangesetzes zwei weitere Erdkabel-Pilotprojekte vorgesehen.

Generell sind die Auswirkungen auf die Umwelt zu begrenzen. Mögliche Maßnahmen sind beispielsweise Vogelschutzmarker an den Freileitungen, um Kollisionen von Vögeln zu vermeiden, Einsatz von in das Landschaftsbild eingepasste Masttypen, die Bündelung mit anderen Infrastrukturmaßnahmen unter Berücksichtigung der Anwohnerinteressen, die Nutzung vorhandener Trassen oder die Vergrößerungen der Abstände zu Siedlungen und ökologisches Schneisenmanagement. Das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen hat im Auftrag des ⁠BMU⁠ eine umfassende Studie zum Thema „Ökologische Auswirkungen von 380-kV-Erdleitungen und HGÜ-Erdleitungen" erstellt.

 

Akzeptanz

Der Widerstand der betroffenen Bevölkerung und Naturschützer richtet sich vor allem gegen den Bau weiterer Freileitungen aufgrund der Auswirkungen auf Mensch, Natur und Landschaftsbild. Eine höhere Akzeptanz von Netzausbauprojekten kann im Ergebnis den Ausbau beschleunigen. Dazu sollten die Entscheidungsträger die Bevölkerung frühzeitig in die Planungs- und Genehmigungsverfahren einbinden, Entscheidungsprozesse transparent gestalten sowie Konflikte sachgerecht und fair bewältigen. Das Netz schonend auszubauen und negative Auswirkungen angemessen finanziell oder materiell zu kompensieren, stärkt die Akzeptanz darüber hinaus maßgeblich. Zudem sind auf allen Entscheidungsebenen, an denen die Öffentlichkeit beteiligt ist, Umweltprüfungen durchzuführen. Wichtig ist, dass bei konkreten Plänen und Projekten immer alle betroffenen Umweltbelange (Flächeninanspruchnahme, ⁠Biodiversität⁠, Bodenschutz, Gesundheit u.a.) abgewogen und umweltverträgliche Lösungen gefunden werden.

Für eine erfolgreiche Energiewende muss eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für die neuen Techniken sowie den notwendigen Netz- und Speicherausbau geschaffen werden. Es muss verständlich werden, dass sich die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien zukünftig regional vermehrt auf Mensch, Natur und Landschaft auswirken wird. Dies ist aber erforderlich, um die Umweltschäden durch die Nutzung fossiler Energieträger insgesamt zu reduzieren. Nur so können wir den ⁠Klimawandel⁠ begrenzen und damit auch die natürlichen Lebensgrundlagen und die Landschaft als Ganzes erhalten.

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