Warum stellen nicht-heimische Arten eine Gefahr für Ökosysteme dar?
Viele der sogenannten „alien species“ haben invasiven Charakter, also das Potenzial, durch Konkurrenz oder Fraßdruck andere Organismen nachhaltig zu schädigen oder zu verdrängen und so die komplexen Beziehungen im Ökosystem deutlich zu verändern. Zwischen den Meeresregionen sind weltweit, vor allem mit der zunehmenden Seeschifffahrt, schon viele Arten absichtlich oder unabsichtlich von Menschen verschleppt worden. Einige Organismen haben so deutliche Effekte auf die neue Heimat, dass sie inzwischen auf einer Warnliste geführt werden.
Globale prominente Beispiele für invasive Arten sind etwa Ratten und Mäuse. Sie haben es vereinzelt sogar bis in die Antarktis geschafft, dort jedoch glücklicherweise nicht Fuß fassen können. Eher unauffällig sind die viel kleineren Lebewesen, zum Beispiel millimetergroßen Bodenorganismen, die sich – einmal eingeschleppt – in den neuen Regionen vermehren und das ökologische Gleichgewicht beeinflussen.
Welche nicht-heimischen Arten sind in Gebieten der Antarktis bisher nachgewiesen?
Eine Vielzahl von nicht-heimischen Landorganismen konnten sich entlang der Antarktischen Halbinsel etablieren. Hierzu zählen Bodenlebewesen, wie Springschwänze und Milben, wozu das UBA 2013 einen Forschungsbericht veröffentlicht hat. Sogar Fliegen (Diptera, z.B. Trichocera maculipennis) wurden mit organischem Material in mehrere Antarktisstationen eingeschleppt, wo sie sich unter anderem im Bereich der Kläranlagen weiter vermehren. Erste lebende und offenbar auch außerhalb der Stationen reproduzierende eingeschleppte Fliegen wurden an Kleingewässern auf King George Island (Süd-Shetland Inseln) nachgewiesen. Auch verschiedene Grasarten (z.B. Poa annua oder Poa pratensis) kommen gelegentlich vor. In antarktischen Meeresgewässern sind aber auch nicht-heimische Moostierchen und Entenmuscheln entdeckt worden.
Den gebietsfremden Organismen kommt mittlerweile zugute, dass vor allem im Bereich der nördlichen Antarktischen Halbinsel eine drastische Klimaerwärmung von statten geht, die ihnen die Etablierung in der Antarktis erleichtert.
Wie gelangen nicht-heimische Organismen in die Antarktis?
Einschleppungen fremder Organismen erfolgen meist mit menschlichen Besuchen: mit kleinen Segelbooten oder großen Schiffen, aber auch generell mit transportiertem Frachtgut. Auch frische Lebensmittel oder anhaftende Samen an Schuhwerk und Kleidung können Quellen für den Artentransfer sein.
Auf dem Seeweg überwinden Meeresorganismen die Grenzen des Antarktischen Ringozeans immer häufiger auf driftenden Objekten, z.B. auf großen Tangen oder gar Plastikmüll, die mit Wind und Meeresströmungen viele Hunderte Kilometer reisen können. Bisher konnten in den kalten Gewässern aber nur wenige dieser „Reisenden“ überleben.
Was wird getan, um die Einschleppung und Ausbreitung nicht-heimischer Arten im Antarktisgebiet zu verhindern oder zumindest einzuschränken?
Der Eintrag, aber auch die Verschleppung von nicht-heimischen Organismen zwischen verschiedenen Gebieten innerhalb der Antarktis müssen aus den oben genannten Gründen verhindert oder wenigstens eingeschränkt werden.
Die Antarktische Halbinsel ist hierbei die mit Abstand am stärksten gefährdete Region im Antarktis-Vertragsgebiet. Durch die etwa 80 wissenschaftlichen Stationen verschiedener Nationen und die Vielzahl an touristischen Aktivitäten besteht für diese Region eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, dass gebietsfremde Arten eingeschleppt werden. Zur Verhinderung des Eintrags per Schiff sind die internationalen Regelungen der IMO, wie beispielsweise Bestimmungen zum Ballastwassermanagement ausschlaggebend. Spezifische Regelungen für den Ballastwasseraustausch werden im Antarktis-Vertragsgebiet seit 2007 umgesetzt. Der Aufwuchs auf dem Boots- oder Schiffsrumpf (Biofouling) ist aufgrund der kalten Temperaturen und des Eis-Abriebs lange Zeit kaum ein Problem gewesen. Mit den veränderten Klimabedingungen ist zu erwarten, dass am Schiffsrumpf reisende Organismen spezifisch mit Antifouling-Anstrichen bekämpft werden müssen.
Seit 2011 gibt ein Handbuch zum Umgang mit nicht-heimischen Arten (Non-native Species Manual) Anleitung, wie Präventivmaßnahmen gegen eine Ein- und Verschleppung nicht-einheimischer Organismen intensiviert werden können und welche Optionen es gibt, um nachgewiesene nicht-heimische Arten an der Ausbreitung zu hindern oder ggf. wieder auszurotten. Wichtige Maßnahmen sind beispielsweise das intensive Reinigen und Desinfizieren aller Ausrüstungsgegenstände und der Kleidung, bevor sie in die Antarktis gebracht werden, sowie eine Ausweitung der für Besucher geschlossenen Bereiche. Insbesondere Anbieter touristischer Reisen setzen an Bord ihrer Schiffe die Maßnahmen unter anderem mit speziellen Stiefelwaschanlagen um. Eine regelmäßige Aktualisierung des Handbuchs und weitere Vorschläge zur Regulierung der menschlichen Einträge diskutieren die Antarktis-Vertragsstaaten regelmäßig im Ausschuss für Umweltschutz, um einen möglichst umfassenden Schutz der antarktischen Ökosysteme zu erreichen.