Suffizienz leitet sich vom lateinischen „sufficere“ für genügen oder ausreichen ab und gehört, wie Effizienz und Konsistenz, zu den allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategien. Was bedeutet Suffizienz konkret im Verkehrssektor? Wie weit verbreitet ist suffizientes Mobilitätsverhalten und welche Chancen bietet eine politische Strategie der Mobilitätssuffizienz?
Für das Erreichen der Klima- und Umweltschutzziele im Verkehrssektor und für lebenswertere öffentliche Räume ist Suffizienz unverzichtbar. Suffizienz – vereinfacht verstanden als Verhaltensänderung zugunsten einer nachhaltigeren Lebensweise – ist allein schon notwendig, um die Lücken der Nachhaltigkeitsstrategien „Effizienz“ und „Konsistenz“ zu schließen.
Trotz Effizienzsteigerungen (verringerter Ressourceneinsatz durch sparsamere Motoren) und der Förderung nachhaltiger Stoff- und Energieströme (= Konsistenz, es entstehen wenig oder keine Abfallprodukte und Emissionen, Verwendung natürlicher, nachwachsender Rohstoffe) konnten bisher im Verkehrssektor die absoluten Treibhausgasemissionen in Deutschland nicht in ausreichendem Maße reduziert werden. Durch den wachsenden Pkw-Bestand, die Anschaffung größerer, schwerer und leistungsstärkerer Pkw, verbunden mit einer – speziell im Güterverkehr – zunehmenden Verkehrsleistung bleibt der Energieverbrauch im Verkehr hoch. Der Verkehrssektor ist für rund ein Fünftel der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich – Tendenz steigend.
Suffizienz wird im Verkehrssektor politisch bislang wenig thematisiert, da nachhaltigkeitsorientierte Veränderungen des Mobilitätsverhaltens häufig mit Einschränkungen („Verboten“) in Verbindung gesetzt werden und daher als konfliktträchtig und schwer umsetzbar gelten. Dies war der Ausgangspunkt für das UBA-Projekt „Erarbeitung einer Suffizienzstrategie für den Verkehrssektor und ihre erfolgreiche Kommunikation“. Kernfragen des Projekts lauten: Was genau bedeutet Suffizienz für den Bereich Mobilität, und wie kann es gelingen, diese in der Mitte der Gesellschaft zu verankern?
Was bedeutet Suffizienz im Verkehrsbereich bzw. Mobilitätssuffizienz?
Suffizienz leitet sich vom lateinischen „sufficere“ für genügen oder ausreichen ab. Verkürzt wird Suffizienz daher oft mit Verzicht gleichgesetzt. Sie zielt auf die Veränderung von sozial und kulturell geprägten Verhaltensweisen ab. Dahinter stehen neue Bilder eines guten Lebens, die den Blick auf das Wesentliche für ein erfülltes Leben richten. Bei Anwendung des Begriffs im Bereich Mobilität handelt es sich einerseits um eine politische und planerische Strategie und andererseits um eine Verhaltensweise von Menschen.
Mobilitätssuffizienz ist eine Nachhaltigkeitsstrategie, bei der durch politisches und planerisches Handeln Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine suffiziente Mobilität auf individueller Ebene fördern. Beispiel: In einer grünen „Stadt der kurzen Wege“ fällt es leicht, das Auto für den Arbeitsweg stehenzulassen und stattdessen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein.
Auf individueller Ebene ist Mobilitätssuffizienz bzw. suffizientes Mobilitätsverhalten mit Mobilitätsmustern zur Befriedigung von (Mobilitäts-) Bedürfnissen gleichzusetzen, die mit geringen Energieverbräuchen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden sind und damit zum langfristigen Erhalt der natürlichen Ressourcen und der ökologischen Tragfähigkeit der Erde beitragen. Beispiel: Erholung im Urlaub ist mit einer Nachtzug-Reise ans Mittelmeer oder in der näheren Umgebung genauso möglich wie mit einer Flugreise nach Übersee.
Wie weit ist Mobilitätssuffizienz in der Bevölkerung verbreitet?
Die Ergebnisse empirischer Erhebungen, die 2021 und 2022 im Rahmen des Forschungsprojektes „Erarbeitung einer Suffizienzstrategie für den Verkehrssektor und ihre erfolgreiche Kommunikation“ vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt wurden, zeigen: Die mit suffizienter Mobilität verbundenen Bilder von kurzen Wegen, einem hohen Anteil des Umweltverbundes an allen Wegen, eine hohe Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und viel Platz für die aktiven Verkehrsmodi Fahrrad und zu Fuß werden durchweg positiv bewertet.
Auch wird auf einer allgemeinen Ebene Handlungsbereitschaft bekundet, zum Erreichen suffizienter Zielbilder beizutragen. Aber: Je konkreter Maßnahmen benannt werden, insbesondere solche, die den Autoverkehr einschränken, umso geringer werden die Zustimmungswerte. Die aus der Umweltpsychologie bekannte Diskrepanz zwischen Einstellungen und Verhalten kommt hier deutlich zum Tragen. Die positiven Einstellungen sind dennoch eine gute Basis, um darauf aufzubauen.
Welche Rolle kommt der Kommunikation bei Suffizienz zu?
Auch wenn Zielbilder suffizienter Mobilität positiv wahrgenommen werden, lösen Maßnahmen zur Veränderung des Verkehrsverhaltens häufig Widerstand aus. Eine gute unterstützende Kommunikation kann in solchen Situationen ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Realisierung sein. Ziele und Maßnahmen für suffiziente Mobilität sollten transparent, klar und selbstbewusst kommuniziert werden.
Mit Protesten gegen Maßnahmen für Mobilitätssuffizienz sollte gerechnet werden. Dennoch ist eine Beteiligung der Bevölkerung zentral, damit eine Politik der schrittweisen Verhaltensänderungen mitgetragen wird. Berechtigten Einwänden sollte Rechnung getragen werden, gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass Maßnahmen, die im Interesse der Allgemeinheit sind, nicht durch die Interessen einiger weniger blockiert werden. Schließlich ist bei allem eine positive, integrative Kommunikation der angestrebten Veränderungen wichtig.
Wie kann Suffizienz im Verkehrssektor gefördert werden?
Suffiziente Mobilität ist weder mit Einzelmaßnahmen zu erzielen, noch reichen einzelne geänderte Konsumpraktiken aus. Im Kern geht es um eine Neuausrichtung gesellschaftlicher Werte und des daran gekoppelten Verhaltens, ohne Verzichtsgefühle auszulösen, sondern mit einem Zugewinn an Lebensqualität.
Notwendig ist eine klare Zukunftsvision nachhaltiger Mobilität. Das Versprechen einer gesteigerten Lebensqualität durch weniger Verkehrsaufkommen und nachhaltigere Verkehrsmodi gilt es so anschaulich wie möglich zu machen. Im Idealfall sollte die Zielvorstellung bereits jetzt in Gestalt beispielhafter Flächengestaltungen begeh- und erlebbar sein. Ziele und Leitbilder müssen so heruntergebrochen werden, dass die Bürger*innen sie mit ihrer eigenen Lebenswelt in Verbindung bringen können und konkrete Antworten auf alltagspraktische Fragen erhalten: Wie kann ein Arbeitsleben ohne Auto funktionieren? Wie wird mein Wohnumfeld aussehen? Was wird der Effekt auf die CO2-Bilanz meiner Stadt sein?
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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