Wümme: Fischotter, Lachs und Tüpfelsumpfhuhn sind zurück
Die Fischerhuder Wümmeniederung bei Bremen ist heute ein Gebiet von überregionaler ökologischer Bedeutung, insbesondere für wasserliebende Brut- und Rastvögel. Möglich wurde dies durch ein Naturschutzgroßprojekt, in dem seit 1992 auch zahlreiche Maßnahmen zur Gewässerrenaturierung durchgeführt werden, darunter Deichrückbau, Anlage von Laichhabitaten oder Schaffung von Gewässerrandstreifen.
Film: Rückkehr von Fischotter, Lachs und Tüpfelsumpfhuhn an der Wümme
Quelle: Umweltbundesamt
Rückkehr von Fischotter, Lachs und Tüpfelsumpfhuhn an der Wümme
Naturschutz und Gewässerentwicklung in der Wümmeniederung
Maßnahmen zur Melioration haben in den vergangenen Jahrhunderten die Wümmeniederung stark verändert. Das Gewässersystem wurde ausgebaut und die vielen Verzweigungen auf drei Hauptarme reduziert. Auwälder wurden abgeholzt und in Grünland umgewandelt. Darüber hinaus wurden Flächen entwässert, um Ackerbau zu betreiben.
Dennoch blieb dieses Binnendelta in seinem wesentlichen Kern erhalten. Regelmäßige Überschwemmungen im Winter sorgen dafür, dass sich hier Tausende von Rastvögeln auf ihrem Weg in den Süden einfinden. Dieses Kerngebiet wurde im Naturschutzprojekt Fischerhuder Wümmeniederung auf einer Fläche von ca. 750 ha weiterentwickelt. Dabei stand bei Planungsbeginn der Artenschutz, insbesondere wiesenbrütender Vogelarten, im Vordergrund. Im Verlauf des Projektes kam dem Schutz von Fließgewässern und Auwäldern als Lebensraum eine immer größere Bedeutung zu. Durch Kombination verschiedener Maßnahmen erfolgte nach und nach eine umfangreiche Verbesserung für das Fließgewässer Wümme. Aus dem ehemals kanalisierten Gewässersystem entstand durch zahlreiche Maßnahmen wieder ein verzweigtes Flussnetz mit natürlicher Überschwemmungsdynamik.
Maßnahmenträger der Gewässerentwicklungsprojekte in der Wümmeniederung ist der Landkreis Verden als untere Naturschutzbehörde. Die 10,3 Mio. Euro Projektkosten des von 1992 bis 2004 laufenden Naturschutzprojektes wurden zu ca. 75 % vom Bund, zu 15 % vom Land und zu 10 % vom Landkreis Verden getragen.
Entwicklungskorridor der Wümme verwandelt ehemalige Viehweiden zu Lebensraum für den Otter
Parallel zum Naturschutzprojekt Fischerhuder Wümmeniederung werden auch außerhalb des Projektgebietes beidseitig Gewässerrandstreifen angelegt. 1992–2018 geschah dies an der Wümme und ihren Nebengewässern auf einer Gewässerlänge von insgesamt ca. 35 km. Die Maßnahmen wurden aus Mitteln des Landes Niedersachsen und des Landkreis Verden finanziert, so dass sich heute knapp 1.000 ha Naturschutzfläche im Eigentum der öffentlichen Hand befindet.
Vor Einrichtung des Entwicklungskorridors grenzten Viehweiden direkt ans Gewässer und es kam zu Uferschäden durch Viehtritt. Auch das Aufwachsen gewässertypischer Gehölze war dadurch nicht möglich. Die angelegten Randstreifen sind zwischen 5 und 20 m breit, teilweise sogar bis zu 190 m. Sie sind abgezäunt und werden sich selbst überlassen. In diesem Entwicklungskorridor kann sich die Wümme frei entwickeln. Aufkommende Ufergehölze sorgen für Schatten und Schutz. So schaffen sie Lebensräume für gefährdete Tierarten wie den Otter und Biber. Die große Ausdehnung der Uferstreifen gewährleistet außerdem die Besiedlung mit abwechslungsreichen Pflanzenarten.
Deichrückverlegung als Voraussetzung für Wiedervernässung und Anbindung der Wümmeaue
Die Rückgewinnung von Auenflächen an der Wümme gehört zu den größten Maßnahmen dieser Art in Deutschland. Der Landkreis Verden kaufte nach und nach landwirtschaftliche Flächen an, um die Grundvoraussetzung für eine Wiedervernässung zu schaffen. Bis 2018 gingen 1.100 ha Flächen des Naturschutzgebietes vollständig ins Eigentum des Landkreises Verden über. Diese Flächen sind vollständig aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen oder werden zur extensiven Bewirtschaftung verpachtet.
In diesen Bereichen wurden Verwallungen und Sommerdeiche entlang der Flussarme der Wümme abgetragen oder zurückverlegt, Wehre zurückgebaut und die Gewässersohle angehoben. Stillgewässer wurden neu angelegt und Querverbindungen zwischen den Flussarmen der Wümme geschaffen. Dadurch werden die Niederungsflächen bereits bei mittleren Wasserständen wieder überflutet. Die damit verbundene Anhebung des Grundwasserspiegels fördert die Lebensraumbedingungen von Pflanzen (z. B. Erlenwälder, Seggenrieder, Röhrichte) und Tieren (z. B. Uferschnepfe, Sumpfohreule, Wachtelkönig), die auf feuchte Standorte angewiesen sind.
Kleinräumige Aufwertungen für Kieslaicher der Wümme
Hindernisse für Fische (z.B. Wehre) wurden in der Wümme nach und nach zu flachen Sohlgleiten umgebaut, damit Meerneunauge und Meerforelle sowie andere Fischarten zu ihren Laichstätten gelangen können. Mit Ausnahme des Südarms ist die Wümme dadurch wieder bis zu ihrer Mündung in die Weser komplett durchgängig.
An manchen Stellen war es nicht möglich, die Wümme breit in die Fläche zu entwickeln. Um auch dort wieder Lebensraum für Fische zu reaktivieren, wurde an mehreren Stellen grobes Material eingebracht und Kiesbänke erstellt. Das schafft gute Voraussetzungen für die Reproduktion von kieslaichenden Fischarten wie dem Lachs oder der Meerforelle sowie Fluss- und Meeraugen. (Coldewey & Sellheim 2016)
Naturschutzerfolge stellen sich in der Wümme und ihrer Aue ein
Die Fischerhuder Wümmeniederung ist heute durch weiträumige Wiedervernässung (siehe Deichrückverlegung als Voraussetzung für Wiedervernässung und Anbindung der Wümmeaue) für Brut- und Rastvögel von überregionaler ökologischer Bedeutung. Besonders wertvoll für Brutvögel ist das sogenannte "Nasse Dreieck", ein Bereich der Niederung, der nur 2–3 m über dem Meeresspiegel liegt. Hier brüten unter anderem Rohrweide, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Schilfrohrsänger, Tüpfelsumpfhuhn und Kranich.
Für die Sicherung der Wümmeniederung als ausladendes Feuchtgebiet war es notwendig, den Grundwasserspiegel flächig anzuheben und die Überschwemmungshäufigkeit zu erhöhen. Das Gewässernetz wurde durch die Neuanlage von Stillgewässern und Querverbindungen verdichtet.
Zur Kontrolle der wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Entwicklung werden Effizienzkontrollen durchgeführt, die Grundlage für die weitere Steuerung des Naturschutzgroßgebietes sind. (de Bruyn & Sinning 2003, Kölher-Loum & Eisend 2003, Kölher-Loum & Eisend 2005, Moritz 2004).
Flächenankauf als Grundvoraussetzung für langfristige Entwicklung der Wümmeniederung
Voraussetzung für die Wiedervernässung und Renaturierung der Wümmeniederung war die Flächenverfügbarkeit. Im Rahmen eines langfristig angelegten Flächenmanagements kauft der Landkreis Verden seit 1992 landwirtschaftlich genutzte Flächen auf. Insgesamt gingen so bis 2018 ca. 1.100 ha in den Besitz des Landkreises über, die für den Naturschutz genutzt werden können. Zur Existenzsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe ist das Naturschutzprojekt mit einem Flurbereinigungsverfahren gekoppelt worden, in dessen Rahmen Flächentausche stattfanden. Mehr dazu: Flächenbereitstellung für Gewässerrenaturierungen
Zum Erhalt und zur Entwicklung von Feuchtgrünland wurde die landwirtschaftliche Nutzung extensiviert. Entlang der Fließgewässer entstand so ein Mosaik aus Feuchtwiesen, Erlenbrüchen, Weiden-Gebüschen, Röhrichten und Großseggenriedern. Beispielsweise Fischotter, Schwarzstorch, und Rohrsänger finden hier geeignete Lebensräume. Die extensive Grünlandwirtschaft mit späten Mähterminen schützt Jungvögel und zahlreiche spätblühende Pflanzenarten. Mehr dazu: Renaturierung im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft
Naturnahe Unterhaltung der Wümme
Die Gewässerunterhaltung ist in vielen Bereichen der Wümme praktisch auf null gesetzt. In den breit angelegten Gewässerrandstreifen darf sich die Wümme ohne Einschränkungen entwickeln. Nur in besonderen Situationen, wie einem massiven Aufstau durch Abflusshindernisse (z. B. Totholz), greift der Unterhaltungsverband Untere Wümme in Absprache mit dem Landkreis Verden ein. Mehr dazu: Naturnahe Gewässerunterhaltung als Renaturierungsmaßnahme
De Bruyn U., Sinning F. (2003): Kompensationsmaßnahme "Wümme-Nordarm" – Bestandsaufnahme ausgewählter Insektengruppen 2002). Büro für Ökologie, Naturschutz und räumliche Planung im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven (WSA).
Köhler-Loum K., Eisend S. (2003): Kompensationsmaßnahme Wümme-Nordarm – Pflanzensoziologische und floristische Untersuchungen 2002. KÜFOG GmbH im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven (WSA)
Köhler-Loum K., Eisend S. (2006): Kompensationsmaßnahme Wümme-Nordarm – Pflanzensoziologische und floristische Untersuchungen 2005. KÜFOG GmbH im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven (WSA)
Moritz V. (2004) Kompensationsmaßnahme „Wümme-Nordarm“ – Avifaunistische Begleituntersuchungen 2004. Im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven (WSA).
Links Wümme
Wümme: Fischotter, Lachs und Tüpfelsumpfhuhn sind zurück
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