Anwendung der Kriterien zur Identifizierung von PMT/vPvM-Stoffen

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Anwendung der PMT/vPvM-Kriterien zur Identifizierung von PMT/vPvM-Stoffen
Quelle: Michael Neumann / UBA

Seit 2019 werden die PMT/vPvM-Kriterien im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH angewendet, um persistente und mobile Stoffe zu identifizieren und zu regulieren. Im Herbst 2021 wird ein neues Forschungsprojekt „ZeroPM“ starten, mit dem Ziel die Emissionen von persistenten und mobilen Stoffen zu minimieren um Umwelt und die menschliche Gesundheit besser vor diesen Stoffen zu schützen.

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Die Anwendung der PMT/vPvM-Kriterien im Rahmen der EU-Chemikaliengesetzgebung ⁠REACH⁠ wird dazu beitragen, den Schutz der deutschen und europäischen Trinkwässer und aquatischen Umwelt für künftige Generationen zu gewährleisten. Um die abgestimmten Kriterien auf REACH-registrierte Stoffe anzuwenden, besteht der erste Schritt der Bewertung darin, diejenigen Stoffe zu identifizieren, die Mengen > 10 Tonnen/Jahr für andere Verwendungen als ein Zwischenprodukt aufweisen und organische oder organometallische chemische Bestandteile, einschließlich Verunreinigungen, Zusatzstoffe oder Vorläufersubstanzen von Abbauprodukten, mit einer Häufigkeit von mehr als 0,1% enthalten (d.h. wie bei einer ⁠PBT⁠/vPvB-Bewertung). Anschließend werden diese Bestandteile auf ihre PMT/vPvM-Eigenschaften nach den PMT/vPvM-Kriterien bewertet.

Durch ein Forschungsprojekt des ⁠UBA⁠ werden Stoffe mit Hilfe eines Ampelsystems identifiziert, wobei "weiße" Stoffe diejenigen sind, deren Daten fehlen oder nicht ausreichen, um eine Schlussfolgerung zu ziehen, "dunkelrot" sind vPvM-Stoffe, "rot" sind PMT-Stoffe, "dunkelgelb" sind Stoffe, bei denen der Verdacht besteht, dass sie die PMT/vPvM-Kriterien erfüllen, "gelb" sind Stoffe, bei denen die verfügbaren Daten nicht ausreichen, um zu entscheiden, ob der ⁠Stoff⁠ PMT/vPvM ist oder nicht, und "grün" sind Stoffe, die nachweislich nicht PMT/vPvM sind.

Die PMT/vPvM-Kriterien und der entwickelte Leitfaden wurden auf alle bis Mai 2017 unter REACH registrierten Stoffe angewendet. Die ECHA-Datenbank der unter REACH registrierten Stoffe enthielt zum Zeitpunkt der Abfrage 15469 Stoffe, von denen für 9742 Stoffe organische Strukturen identifiziert werden konnten, unabhängig davon, ob für sie eine PBT/vPvB-Bewertung erforderlich waren oder nicht. Zusammengefasst gab es 260 REACH-registrierte Stoffe (d.h. 1,7%), die die PMT/vPvM-Kriterien erfüllten (Rot/Dunkelrot), 224 erfüllten die PM-Kriterien (Dunkelgelb), 2377 verfügten über Screening-Daten, die eine weitere Bewertung notwendig machen (Gelb), 3665 erfüllten die Kriterien nicht (Grün) und 3216 hatten fehlende oder nicht genügend Daten, um eine Schlussfolgerung zu ziehen (Weiß). Dies ist in der nachstehenden Abbildung dargestellt

 

PMT/vPvM Conclusions: all substances
PMT/vPvM Conclusions: all substances
Quelle: Michael Neumann / UBA
 

Mehrere der 260 PMT/vPvM-Stoffe, die aus den ⁠REACH⁠-Registrierungen bis Mai 2017 identifiziert wurden, sind zuletzt aus Sicht der Unternehmen und der Behörden ins Rampenlicht gerückt. Die Nichtregierungsorganisation ChemSec, die die "Substitute It Now"-Liste (SINlist) veröffentlicht, hat in 2019 eine neue Kategorie mit PMT/vPvM-Stoffen hinzugefügt. Die SINList soll Stoffe kennzeichnen und die Industrie ermutigen, diese Stoffe durch weniger gefährliche Stoffe zu substituieren. Sie enthält jetzt 16 der 260 identifizierten PMT/vPvM-Stoffe.

Zwei PMT/vPvM-Stoffe wurden vor kurzem als Stoffe identifiziert, die gemäß Artikel 57 (f) der ⁠REACH-Verordnung⁠ ebenso besonders besorgniserregend sind wie ⁠PBT⁠/vPvB-Stoffe. Dabei handelt es sich um Perfluorbutansulfonsäure (PFBS), die von der zuständigen norwegischen Behörde (NO CA) als besonders besorgniserregender ⁠Stoff⁠ (SVHC) vorgeschlagen wurde, und um HFPO-DA-Chemikalien (Handelsname GenX), die von der zuständigen niederländischen Behörde (NL CA) als SVHC vorgeschlagen wurden.

Persistente und mobile Substanzen werden in der europäischen Green-Deal-Chemikalienstrategie für ⁠Nachhaltigkeit⁠ berücksichtigt und sind Teil der jüngsten Horizont 2020 Forschungsstrategie im Zusammenhang mit dem Ziel einer Null-Verschmutzung für eine giftfreie Umwelt.

Die Besorgnis über persistente und mobile Substanzen ist nicht nur auf Europa beschränkt.

Die Umweltschutzbehörde der Vereinigten Staaten (US EPA) hat der wachsenden Besorgnis über das Vorkommen von Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen (⁠PFAS⁠) im Trinkwasser durch einen neuen Aktionsplan Rechnung getragen, der 2020 veröffentlicht wird.

In China sind mehrere Maßnahmen im Gange, die sich sowohl auf die Überwachung als auch auf die Perspektiven der chemischen Gefährdung durch persistente und mobile Substanzen beziehen. Das chinesische Ministerium für Ökologie und Umwelt (MEE) hat zusammen mit dem Ministerium für Wasserressourcen eine nationale Erhebung mit dem Ziel der Prävention und Sanierung von kontaminierten Trinkwasserquellen begonnen. Darüber hinaus schlägt das MEE eine neue Verordnung zur Kontrolle der Emissionen gefährlicher Chemikalien in die Umwelt vor, in deren Rahmen neue Chemikalien, die noch nicht in das Inventar der chemischen ⁠Altstoffe⁠ Chinas (IECSC) aufgenommen wurden, bewertet werden müssen. Daraus wurde vom MEE und der nationalen chinesischen Gesundheitskommission eine Liste wassergefährdender Chemikalien erstellt. Diese gemeinsame Aktion könnte zu weiteren Schritten in China und anderen Ländern führen, die zur Annahme einer proaktiven Strategie zur Verhinderung der Verschmutzung des Wasserkreislaufs durch persistente und mobile Substanzen führen könnten.

Es gibt mehrere Wege, um nachzuweisen, dass PMT/vPvM-Stoffe wahrscheinliche schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben, die zu einem gleichwertigen Grad an Besorgnis Anlass geben wie PBT/vPvB-Stoffe. Für persistente und bioakkumulierende Stoffe ist bekannt, dass der Grad der ⁠Unsicherheit⁠ bei der Ermittlung des Langzeitrisikos nicht mit ausreichender Genauigkeit abgeschätzt werden kann. Wenn sich diese Risiken erst einmal manifestiert haben, sind die Folgen einer Unterschätzung der schädlichen Wirkungen nicht leicht durch regulatorische Maßnahmen umkehrbar (ECHA, 2014). Dies trifft auf persistente und mobile Stoffe zu, da Langzeitrisiken oft erst im Nachhinein identifiziert werden. Der persistente Charakter dieser Stoffe bedeutet, dass Maßnahmen zur Emissionsminderung nur langsam wirksam würden, so dass sich negative Folgen auf generationenübergreifenden Zeitskalen bemerkbar machen würden. Darüber hinaus ist es mit den derzeit verfügbaren Methoden schwierig, "sichere" Konzentrationen sowohl von PBT/vPvB- als auch von PMT/vPvM-Stoffen in der Umwelt abzuleiten.

Es gibt mehrere regulatorische Optionen, die zum Schutz der Ressourcen unserer Trinkwässer genutzt werden könnten. Persistente und mobile Stoffe können nach der ⁠CLP⁠-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008) als Aquatic Chronic 4, H 413 eingestuft werden. Neue Gefahrenklassen für P, vP, B, vB, M und vM könnten separat in Anhang I der CLP-Verordnung implementiert werden. Unter REACH könnte Anhang I eine Bewertung der PMT/vPvM-Eigenschaften bei der Registrierung auf einem niedrigen Mengenniveau erfordern. Artikel 14(4) könnte auch PMT/vPvM-Stoffe einschließen und eine Expositionsbeurteilung und eine Risikobeschreibung verlangen. Eine andere Option wäre die Identifizierung aller PMT/vPvM-Stoffe als besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) gemäß Artikel 57 in REACH. Dies könnte durch die Erweiterung von Artikel 57 und Anhang XIII um die PMT/vPvM-Kriterien oder durch die Anwendung von Artikel 57 (f) erreicht werden.

Aufbauend auf den bereits durchgeführten Arbeiten ist ein neues Forschungsprojekt in 2019 gestartet (FKZ 3719 65 408 0), das die Liste der identifizierten PMT/vPvM-Stoffe durch Anwendung der Kriterien auf unter REACH registrierte Stoffe sowie auf Umwandlungsprodukte aktualisieren wird. Darüber wird die Emissionswahrscheinlichkeit eingesetzt, um die Stoffe in eine priorisierte Rangfolge zu bringen. Eine Literaturrecherche wird positive Nachweise von PMT/vPvM-Stoffen identifizieren und ein ⁠Monitoring⁠ in Deutschland wird einen weiteres „proof of concept“ liefern. Technische Methoden zur Wasseraufbereitung die PMT/vPvM-Stoffe entfernen können, werden in diesem Forschungsprojekt identifiziert. Für ausgewählte PMT/vPvM-Stoffe werden Analysen der Risikomanagementoptionen (RMOA) erstellt werden.

ZeroPM Triangle
ZeroPM Triangle
Quelle: Sarah Hale
 

Im Herbst 2021 wird zudem ein neues Forschungsprojekt mit dem Titel „ZeroPM“ gestartet. ZeroPM wird Strategien zur Prävention, Priorisierung und Aufreinigung miteinander verknüpfen und synergistisch kombinieren, um die Umwelt und die menschliche Gesundheit vor PM-Substanzen zu schützen. Zu diesem Zweck wird ZeroPM in einem evidenzbasierten mehrstufigen Rahmen Anreize schaffen die zu einer politischen, technologischen und marktgesteuerten Minimierung der Verwendung und Emissionen ganzer Gruppen von PM-Substanzen und den damit verbundenen Verschmutzung führen.

ZeroPM wird zur Verbesserung politischer Maßnahmen beitragen, eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und eine verbesserte Lebensgrundlage für alle EU-Bürger*innen anstreben. Zudem wird ZeroPM Methoden entwickeln die über den Stand der Technik hinausgehen, um eine verbesserte Substitution von PM-Stoffgruppen und Aufreinigung von Kontaminationen zu erreichen. ZeroPM wird das wegweisende Projekt sein, das es ermöglicht, die Ambitionen der Chemikalienstrategie zu realisieren und die Bestrebung hin zu einer schadstofffreien Umwelt zu unterstützen.

Das Umweltbundesamt wird im Projekt an der Analyse der politischen Ziele und Vorgaben auf europäischer und internationaler Ebene mitarbeiten. Hierbei sollen neben der Chemikalienstrategie, eine breite Palette von Quellen analysieren werden, unter anderem politische Dokumente, relevante sektorale und umweltpolitische Richtlinien, Positionspapiere, Studien zur Bewertung der Politik, wissenschaftliche Papiere sowie Umfragedaten und Positionspapiere, die durch öffentliche Konsultationsprozesse gewonnen wurden. Durch die verschiedenen Perspektiven sollen konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden, die die konkreten Pläne der Chemikalienstrategie hin zu einer Emissionsverhinderung von PM-Stoffen ergänzen. Hierfür kann das ⁠UBA⁠ auf seiner Arbeit aufbauen Kriterien für Identifizierung von persistenten (P), mobilen (m) und toxischen (T) Stoffen zu entwickeln. Zudem wird das UBA mit seiner langjährigen Erfahrung bei der Identifizierung von regulierungsbedürftigen Stoffen die Arbeit zur Priorisierung von Stoffen mit dem dringendsten Handlungsbedarf unterstützen.

Die ZeroPM-Partner sind: Universität Stockholm: Schweden, Vrije Universiteit Amsterdam: Niederlande, DVGW-Technologiezentrum Wasser: Deutschland, Milieu Law and Policy Consulting: Belgien, ChemSec: Schweden, Umweltbundesamt: Deutschland, ETH Zürich: Schweiz, Universität Luxemburg: Luxemburg, Universität der Ägäis: Griechenland, TG Umweltforschung: Großbritannien, Chalmers: Schweden, Norwegisches Wasserforschungsinstitut: Norwegen, Universität Wien:  Österreich und Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin: Deutschland

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Lesen Sie die vollständige Geschichte der Entwicklung der PMT/vPvM-Kriterien im Rahmen der EU-Chemikaliengesetzgebung ⁠REACH⁠ zur Identifizierung von PMT/vPvM-Stoffen: (01) –> Einführung zu PMT/vPvM-Stoffen, (02) –> Emergenz (2009 - 2015) der PMT/vPvM-Kriterien, (03) –> Erster PMT-Workshop 2011, (04) –> Öffentliche Konsultation (2016 - 2019) zu den PMT/vPvM-Kriterien, (05) –> Zweiter PMT-Workshop 2018, (06) –> Anwendung (2019 - laufend) der PMT/vPvM-Kriterien, (07) –> Dritter PMT-Workshop 2021, (08) –> Medienberichterstattung, (09) –> Häufig gestellte Fragen (FAQ), (10) –> Die abgestimmten PMT/vPvM-Kriterien

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