BD-R-2: Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen

Das Bild zeigt einen überschwemmten Laubwald. Im Vordergrund liegt ein Baumstamm auf dem Boden.zum Vergrößern anklicken
Bei der Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen ergeben sich umfangreiche Synergien.
Quelle: © Fernbach Antal / stock.adobe.com)

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

BD-R-2: Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen

Rückverlegung, Rückbau oder Schlitzung von Deichen haben seit 1983 zu einer Zunahme von natürlichen Überflutungsflächen geführt. Durch den Anschluss an die Gewässer und die Wiederherstellung der natürlichen Überschwemmungsdynamik sind neue naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sowie naturschutzfachlich bedeutsame Auwälder entstanden.

Die Abbildung BD-R-2 "Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen" stellt in Form von Säulen die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen durch Deichrückverlegung von 1983/2000 bis 2020 dar. Für 2020 wird eine kumulierte Fläche von etwas mehr als 7.000 Hektar ausgewiesen. Die Zeitreihe zeigt einen signifikant steigenden Trend.
BD-R-2: Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen

Die Abbildung BD-R-2 "Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen" stellt in Form von Säulen die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen durch Deichrückverlegung von 1983/2000 bis 2020 dar. Für 2020 wird eine kumulierte Fläche von etwas mehr als 7.000 Hektar ausgewiesen. Die Zeitreihe zeigt einen signifikant steigenden Trend.

Quelle: Möhring et al. 2012 / BfN (Eigenrecherche)

Zunahme natürlicher Überflutungsflächen fördert biologische Vielfalt

Die Erhaltung feuchter beziehungsweise wasserreicher Lebensräume und deren Vernetzung in der Landschaft sind für die Erhaltung klimasensibler Arten von herausragender Bedeutung. Naturnahen Auen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Auen sind Niederungen, die deutlich von der Dynamik des Flusses und seines Wassersystems geprägt sind und in denen Phasen hoher Wasserstände mit Niedrigwasserphasen abwechseln. Diese Dynamik bedingt ein reichhaltiges Mosaik unterschiedlicher Lebensräume und erklärt die hohe Tier- und Pflanzenvielfalt in diesen Gebieten. Typische Vegetationsform der Auen sind Auenwälder, die von Baumarten wie Weiden, Eichen oder Ulmen geprägt sind, die auch mit längeren Überflutungen gut zurechtkommen.
Für die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen gibt es umfangreiche Synergien zwischen dem Arten- und Biotopschutz sowie dem Hochwasserschutz. Neben Deicherhöhungen, der Errichtung von Rückhaltebecken oder anderen technisch geprägten Maßnahmen gilt die dauerhafte Wiederherstellung natürlicher Überflutungsflächen als wirksamer Baustein eines umfassenden Hochwasserrisikomanagements (siehe Indikatoren WW-R-2 und RO-R-3): Können sich Flüsse im Falle von Hochwasserereignissen (siehe ⁠IndikatorWW-I-4) in diese Überflutungsflächen hinein ausdehnen, wird der ⁠Abfluss⁠ verlangsamt und die Hochwasserwelle gedämpft. Unter den Bedingungen des Klimawandels und den damit verbunden Veränderungen der ⁠Abflussdynamik⁠ in den Flusseinzugsgebieten spielt die Rückgewinnung natürlicher ⁠Retentionsflächen⁠ auch als ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ an den ⁠Klimawandel⁠ eine immer wichtigere Rolle, um Hochwasserschäden beispielsweise an Siedlungen, Verkehrsinfrastruktur oder landwirtschaftlichen Flächen vorzubeugen.

Solche neu gewonnenen Überflutungsflächen wurden zuvor in vielen Fällen intensiv landwirtschaftlich genutzt. Eine Überführung in Flächen mit natürlicher Hochwasserdynamik ermöglicht eine Wiederbesiedlung mit vielen auentypischen Pflanzen- und Tierarten. Darunter befinden sich auch zahlreiche seltene und gefährdete Arten, die an die besonderen Bedingungen stark wechselnder Wasserstände angepasst sind, unter anderem Biber (Castor fiber), Fischotter (Lutra lutra), Eisvogel (Alcedo atthis), Uferschwalbe (Riparia riparia), Rohrweihe (Circus aeruginosus), mehrere Entenarten sowie zahlreiche Libellen- und Amphibienarten. Zudem sind natürlich überflutbare Lebensräume der Auen ein wichtiges Bindeglied im ⁠Biotopverbund⁠ und im Schutzgebietssystem Natura 2000.
Durch Rückbau, Rückverlegung oder Schlitzung von Deichen an bundesweit 79 Flüssen in den Jahren von 1983 bis 2020 wurden 7.100 ha ehemalige Auenflächen wieder an die natürliche Überflutungsdynamik der Fließgewässer angeschlossen und werden bei Hochwasserereignissen ungesteuert überschwemmt. Die Einrichtung gesteuerter Hochwasserschutzpolder oder sonstige gesteuerte Flutungen der ⁠Aue⁠ sind dabei nicht berücksichtigt. Der jährliche Netto-Zugewinn ist abhängig von der Größe der fertiggestellten Projekte im jeweiligen Jahr und damit variabel. Die deutlichen jährlichen Zunahmen der letzten drei Jahre sind als positiv zu bewerten.

Der bundesweite Auenzustandsbericht 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass von ehemals rund 1,6 Mio. ha Auenfläche an Flüssen heute noch rund 511.900 ha bei Hochwasser als Retentionsraum zu Verfügung stehen.129 Die in den Jahren von 1983 bis 2020 erzielte Rückgewinnung natürlich überflutbarer Auenflächen umfasst demgegenüber eine vergleichsweise kleine Fläche. Der Handlungsbedarf ist daher nach wie vor groß.
Die Diskussion um die Bedeutung der Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen und der Renaturierung von Auen für die Klimawandelanpassung im Handlungsfeld „Biologische Vielfalt“ macht deutlich, wie eng die Verbindungen zwischen ⁠Klimaschutz⁠, Klimawandelanpassung und der Entwicklung der ⁠Biodiversität⁠ sind. So gehen Fachleute davon aus, dass die indirekten Auswirkungen des Klimawandels durch die Umsetzung von Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen größer sind als die direkten Auswirkungen durch die Erderwärmung und die Veränderungen des Niederschlagsregimes. Maßnahmen wie die Errichtung von Erneuerbarer-Energien-Anlagen, die Erzeugung von Anbaubiomasse, die Umsetzung von Agroforstmaßnahmen, die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen zum Hochwasserschutz und die Renaturierung von Mooren zur Stärkung der ⁠CO2⁠-Senkenfunktion, die zumindest teilweise sowohl dem Klimaschutz als auch der Klimawandelanpassung dienen, führen zu Landnutzungsveränderungen, die sowohl positive als auch negative Folgewirkungen für die Biodiversität haben können.