GE-I-2: Hitzebedingte Todesfälle
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Mit den Jahren 2018 bis 2020 folgten erstmalig drei Jahre mit außergewöhnlich vielen hitzebedingten Todesfällen unmittelbar aufeinander. Trotzdem waren die Todeszahlen im Jahr 2018 mit seiner langen und sehr heißen Hitzewelle geringer als im Jahrhundertsommer 2003. Dies könnte ein Effekt präventiver Maßnahmen sein.
Hitzebelastung führt durch Schwitzen zu einem größeren Flüssigkeits- und Elektrolytverlust des Körpers. Dieser kann zu Dehydrierung (Wassermangel im Körper) führen und unter anderem eine verringerte Blutviskosität nach sich ziehen. Damit steigt das Risiko für Thrombosen und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn die Thermoregulation (der Mechanismus des menschlichen Körpers, eine Körpertemperatur von etwa 37 °C konstant aufrecht zu erhalten) eingeschränkt ist, können Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt auftreten, die zu lebensbedrohlichen Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems führen können. Zu den besonders gefährdeten Personengruppen gehören sehr alte und kranke Menschen, zudem kleine Kinder und isoliert Lebende, die nicht oder nur eingeschränkt für einen ausreichenden Flüssigkeitsausgleich sorgen können. Im Extremfall kann Hitze beziehungsweise Überhitzung zum Tod führen.
Auch Umgebungsfaktoren haben Einfluss auf die gesundheitliche Gefährdung durch Hitze. Studien belegen, dass in dicht bebauten Stadtgebieten, in denen sich Wärmeinseln ausbilden (siehe Indikator BAU-I-2) und erhöhte Feinstaubwerte und Ozonkonzentrationen (siehe Indikator GE-I-9) auftreten, die Gesundheitsrisiken erhöht sind.
In Todesfallstatistiken werden Sterbefälle, die mit Hitzeeinflüssen verbunden sind, in der Regel anderen Todesursachen zugeschrieben (beispielsweise Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems). Liegt die Anzahl von Todesfällen über den saisonal üblichen und damit zu erwartenden Werten, ist das ein Hinweis, dass hier außergewöhnliche Ereignisse eine Rolle spielen. Die Zahl der hitzebedingten Todesfälle wird in dem Modell, das dem Indikator zugrunde liegt, als Differenz der modellierten Mortalität und einem hypothetischen Mortalitätsverlauf geschätzt. Letzterer ergäbe sich, wenn die Wochenmitteltemperatur (ermittelt aus allen stündlichen Werten innerhalb einer Woche) nicht über einen festgesetzten Temperaturschwellenwert steigen würde, oberhalb dessen die Temperatur relevant auf die Mortalität einwirkt. Dieser Wert liegt – je nach betrachteter Altersgruppe und Region – in der Nähe von 20 °C. Während in einem Bereich zwischen 10 °C und 20 °C Wochenmitteltemperatur die Mortalität relativ konstant verläuft, steigt sie bei Wochenmitteltemperaturen über 20 °C deutlich an. In Wochen mit einer Mitteltemperatur über 20 °C gibt es typischerweise mindestens einen Heißen Tag.14 Das nach dem letzten Monitoringbericht weiterentwickelte Modell berücksichtigt zudem, dass auch bereits vorangegangene heiße Wochen die Mortalität beeinflussen können. Daher werden die mittleren Temperaturen von bis zu drei Vorwochen in die Berechnungen einbezogen. Damit lassen sich verzögerte Effekte von Hitze erfassen, und der beobachtete Verlauf der Mortalität in Deutschland kann deutlich besser nachgebildet werden.
Von hitzebedingten Todesfällen ist in Deutschland die Altersgruppe der über 85-Jährigen am stärksten betroffen. Die Analyse der hitzebedingten Mortalität zeigt, dass es geschlechterspezifische Unterschiede bei der Anzahl hitzebedingter Todesfälle gibt. Dies liegt daran, dass es in der Altersgruppe der Hochbetagten deutlich mehr Frauen als Männer gibt. Die Mortalität ist dagegen in allen Altersgruppen bei Männern etwas höher. Das bedeutet, Männer sterben innerhalb der betrachteten Altersgruppen häufiger an Hitzefolgen. In der Gesamtbilanz entfallen dennoch mehr hitzebedingte Sterbefälle auf Frauen, schlichtweg weil hitzebedingte Todesfälle in der Frauen-starken Altersgruppe der Hochbetagten am häufigsten auftreten.
Die Zeitreihe der hitzebedingten Todesfälle zeigt erwartungsgemäß deutliche Schwankungen zwischen den Jahren. Das liegt daran, dass stärkere oder schwächere Hitzeperioden in den verschiedenen Jahren unterschiedlich häufig und ausgeprägt auftreten. Das Jahr 2018 zeichnete sich in ganz Deutschland durch eine der längsten Hitzeperioden aus, die sich über den gesamten Juli und August erstreckte. Zudem wurden während dieser Hitzeperiode sehr hohe Wochenmitteltemperaturen gemessen15. 2019 wurden zwar auch sehr hohe Temperaturen gemessen, zwischen den Hitzeperioden gab es aber auch immer wieder Wochen mit niedrigerer Temperatur. Im Jahr 2020 war die ebenfalls vergleichsweise lange Hitzewelle weniger heiß als im Rekordsommer 2018, und 2021 war ein insgesamt deutlich kühleres Jahr.
In den letzten drei Dekaden lässt sich ein leichter Rückgang des Effekts von hohen Temperaturen auf die Mortalität beobachten. Das bedeutet: Trotz der gestiegenen Temperaturen und der extremen Hitzewellen gab es – auch im Sommer 2018 – weniger hitzebedingte Todesfälle als im Sommer 2003. Das liegt vermutlich daran, dass Menschen in Deutschland inzwischen zum Teil besser mit den wiederkehrenden Hitzeperioden umgehen können. Dazu haben sicherlich auch Anpassungsmaßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens beigetragen. Im Jahr 2003 hatte die Hitzewelle Deutschland noch vergleichsweise wenig vorbereitet getroffen. Im Jahr 2018 gab es den Hitzewarndienst (siehe Indikator GE-R-1), und vorsorgende Maßnahmen waren in vielen stationären Pflegeeinrichtungen etabliert.
Trotz aller Anpassungsbemühungen muss konstatiert werden, dass Hitze nach wie vor eine bedeutende Bedrohung für die menschliche Gesundheit in Deutschland darstellt. Allein für die Jahre 2018 bis 2020 wird geschätzt, dass 19.300 Menschen der Hitze zum Opfer gefallen sind. Die potenziellen Hitzeopfer müssen bei präventiven Maßnahmen daher noch stärker in den Fokus rücken, also unter anderem bei der Erstellung kommunaler Hitzeaktionspläne besonders berücksichtigt werden.
14 - Winklmayr C., Muthers S., Niemann H., Mücke H.G., an der Heiden M. 2022: Heat-related mortality in Germany from 1992 to 2021. Dtsch Arztebl Int, 119: 451–7. doi: 10.3238/arztebl.m2022.0202.
15 - Deutschlandwetter im Sommer 2018: https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2018/20180830_deutschlandwetter_sommer_news.html.