GE-I-3: Belastung mit Birkenpollen

Das Bild zeigt eine Birkenblüte, deren Pollen sich im Wind verbreiten.zum Vergrößern anklicken
Die Birke ist in Deutschland einer der Hauptauslöser von Pollenallergien.
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Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

GE-I-3: Belastung mit Birkenpollen

Die Birke ist hierzulande neben den Gräsern der bedeutendste Auslöser von Pollenallergien. Vor allem ein warmes und trockenes Frühjahr führt zur Erhöhung der Pollenkonzentration. Die höchste Pollenbelastung wurde zwischen 2006 und 2021 in den östlichen, mittleren und nördlichen Regionen gemessen. In diesen Regionen ist die Birke deutlich verbreiteter als im Süden. Im Osten und Süden stiegen die Pollensummen signifikant an.

Die Grafik „Belastung mit Birkenpollen“ zeigt die mittlere Jahressumme in Tausend Pollen pro Quadratmeter Luft von 1995 bis 2021 für die Regionen Mitte, Nord, Ost, Süd, West und den Durchschnitt. Die Werte liegen zwischen zwei- und zwanzigtausend. In der Region Ost stiegen sie 2006, 2014 und 2019 über zwanzigtausend. Signifikant steigende Trends bestehen in Ost und Süd. Höchstwert: Dresden im Jahr 2006 mit 52.514 Pollen pro Quadratmeter Luft.
GE-I-3: Belastung mit Birkenpollen
Quelle: Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (Pollenfallen)

Pollenbelastung steigt

Allergien zählen heute zu den am häufigsten auftretenden chronischen Erkrankungen in Deutschland. Bei rund 15 % der Erwachsenen wurde schon einmal in ihrem Leben Heuschnupfen (allergische Rhinitis) und bei 9 % Asthma bronchiale ärztlich festgestellt16. In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen erhielten 11 % schon einmal in ihrem Leben die ärztliche Diagnose Heuschnupfen und 6 % die ärztliche Diagnose Asthma17. Höher noch als die Zahl der Erkrankten ist diejenige sensibilisierter Menschen, was bedeutet, dass nach Allergenkontakt eine höhere Bereitschaft des Körpers besteht, mit Symptomen zu reagieren.

Allergene Pollen sind Hauptauslöser von Heuschnupfen. Das Pollenauftreten wiederum ist stark von der ⁠Witterung⁠ beziehungsweise dem ⁠Klima⁠ beeinflusst. Höhere Temperaturen, vor allem verbunden mit Trockenheit, und eine längere ⁠Vegetationsperiode⁠ begünstigen längere Pollenflugzeiten und höhere Pollenkonzentrationen. Möglicherweise nimmt auch die Allergenität von Pollen mit höheren Temperaturen zu. Es wird auch diskutiert, dass bei zunehmender Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen das Phänomen „Gewitterasthma“18, 18, 18, 18 klinisch bedeutsamer werden könnte. Voraussetzung ist eine hohe Konzentration von Pollen oder Sporen in der Luft. Durch Wetteränderungen wie Niederschlag, Zunahme der Luftfeuchte oder Blitzaktivität können Pollen fragmentiert werden, wodurch kleinere allergene Partikel entstehen, die in tiefere Atemwege gelangen können. Starke Fallwinde transportieren diese Partikel Richtung Boden, wodurch es häufig zu einem sprunghaften Anstieg der Allergenkonzentration in Atemlufthöhe kommt. Dadurch können von Pollenallergien Betroffene besonders schwere Symptome erleiden.

In Deutschland gelten die Pollen von Hasel, Erle, Birke und Esche sowie von Süßgräsern inklusive Roggen, Beifuß und Ambrosie als besonders allergierelevant. Gegen diese acht Pollentypen ist die erwachsene deutsche Bevölkerung am häufigsten sensibilisiert19. Die Birke führt neben den Gräsern diese „Hit-Liste“ der Sensibilisierungen an. Während der Birkenpollensaison, die meist frühestens Ende März beginnt, können sehr hohe Pollenkonzentrationen auftreten.

Zwischen dem Auftreten von Birkenpollenbelastungen und dem ⁠Klimawandel⁠ sind enge Zusammenhänge wissenschaftlich nachgewiesen worden: Bei vermehrter Wärme und Trockenheit im Frühjahr ist die Birkenpollenbelastung erhöht. Dies wird auch anhand der Pollenmessungen der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (⁠PID⁠) vor allem in den Jahren 2019 und 2020 deutlich. Die Frühjahrsmitteltemperaturen lagen 2019 um 1,3 °C und 2020 um 1,5 °C deutlich über dem langjährigen Durchschnitt des Zeitraums 1961–1990. Zugleich blieben die Niederschläge vor allem im Nordosten Deutschlands unterdurchschnittlich – ausbleibender Niederschlag führt dazu, dass sich Pollen gut verbreiten können und lange in der Außenluft verweilen. In der Uckermark und in Vorpommern kamen im Jahr 2019 örtlich weniger als 70 Liter Regen pro Quadratmeter zustande. Das Frühjahr 2020 erreichte deutschlandweit nur gut 50 % seines vieljährigen Durchschnitts und war eines der sechs niederschlagsärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Auch in 2020 verzeichnete der Osten die stärksten Niederschlagsdefizite20, 20.

Der ⁠Indikator⁠ beruht auf Daten von 56 bundesweit verteilten Pollenfallen im PID-Messnetz. Nicht alle Stationen liefern in allen Jahren Daten, da die regelmäßige Betreuung der Pollenfallen nicht immer gesichert werden kann. Es gibt gelegentlich auch Standorte, die nach Jahren der Messung aufgegeben werden, und wiederum andere, die neu eingerichtet werden. Aufgrund dieser Dynamik im Messnetz muss für jedes Jahr der Mittelwert aus allen jeweils verfügbaren Messstandorten gebildet werden.

Über ganz Deutschland hinweg zeigt die Zeitreihe bisher keinen statistisch signifikanten Trend. Die Entwicklungen sind allerdings regional differenziert zu betrachten. Die Birkenpollenbelastung ist erwartungsgemäß in den Regionen besonders hoch, in denen die Birke stark verbreitet ist. Die Sandbirke oder auch Hängebirke, die in Europa die bedeutendste baumförmige Birkenart ist, hat aufgrund ihrer Genügsamkeit hinsichtlich Wasser- und Nährstoffbedarf und ihrer Robustheit auch gegen Witterungsextreme eine außerordentlich weite Verbreitung, die von Skandinavien bis nach Süditalien sowie von Frankreich bis nach Russland reicht. Dennoch ist die Birke vor allem ein Baum des Nordens, der zusammen mit Fichte, Kiefer und Aspe in den nördlicheren Regionen auch Schlusswaldgesellschaften bilden kann. In Süddeutschland hingegen ist die Sandbirke Pionierbaumart, die aufgrund ihrer geringen Lebensdauer und ihrer rasch nachlassenden Wuchskraft bei natürlicher Waldentwicklung zunehmend von anderen Baumarten überwachsen wird und aus den Beständen ausfällt. Unabhängig davon kann es auch im Süden und Westen im Zusammenhang mit Birkenvorkommen lokal zu hohen Belastungen kommen. So wechseln die Stationen mit der gemessenen Höchstkonzentration jährlich von Region zu Region. Spezifische Untersuchungen zur Entwicklung der Birkenpollensaison am Beispiel von Pollenmessungen in München ergaben, dass die Tage mit besonders hohen Konzentrationen (von über 100 Pollen/m³) inzwischen häufiger sind. Dies ist klinisch von Bedeutung.21

Im mittleren, östlichen und nördlichen Deutschland wird die Konzentration an Birkenpollen bei weiter steigenden Temperaturen zunächst zunehmen. Im Osten Deutschlands zeigt die Zeitreihe schon heute einen signifikant steigenden Trend. Modellrechnungen für Bayern zufolge werden in der jetzigen Hauptverbreitungsregion allerdings in 40 Jahren deutlich weniger Birkenpollen die von Heuschnupfen Geplagten belasten, weil es der Sandbirke dann voraussichtlich zu warm und zu trocken wird. Ihr Photosyntheseoptimum liegt unter 20 °C. In höher gelegenen Regionen hingegen, in denen die Temperaturen dann milder sein werden, könnte es zu einer Ausbreitung der Birke und in der Folge auch zu einem Anstieg der Pollenbelastung kommen.22

Die Ausbreitung der Birke wird zudem in naher Zukunft auch im Zusammenhang mit zunehmenden Kalamitäten im Wald zu sehen sein. Wo Waldbestände wegen Sturm, Hitze und Schaderregerbefall auch großflächig zerstört werden (siehe Indikator FW-I-5), finden Pionierbaumarten wie die Birke neue Wuchsstandorte und könnten – zumindest vorübergehend – die Waldbilder stärker prägen.

 

16 - Langen U., Schmitz R., Steppuhn H. 2013: Häufigkeit allergischer Erkrankungen in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl 56 (5-6): 698–706. doi: 10.1007/s00103-012-1652-7.

17 - Thamm R., Poethko-Müller C., Hüther A., Thamm M. 2018: Allergische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health ⁠Monitoring⁠ 3 (3): 3–18. doi: 10.17886/RKI-GBE-2018-075.

18 - Informationen der PID zum Gewitterasthma: https://www.pollenstiftung.de/pollenallergie/thunderstorm-asthma.html.
18 - D’Amato G., Vitale C., D’Amato M., Cecchi L., Liccardi G., Molino A., Vatrella A., Sanduzzi A., Maesano C., Annesi-Maesano I. 2016: Thunderstorm-related asthma: what happens and why. Clin Exp Allergy 46(3): 390–6. doi: 10.1111/cea.12709.
18 - D’Amato G., Holgate S.T., Pawankar R., Ledford D.K., Cecchi L., Al-Ahmad M. et al. 2015: Meteorological conditions, climate change, new emerging factors, and asthma and related allergic disorders. A statement of the World Allergy Organization. World Allergy Organ Jul 14 8(1): 25. doi: 10.1186/s40413-015-0073-0.
18 - D‘Amato G., Liccardi G., Frenguelli G. 2007: Thunderstorm-asthma and pollen allergy. Allergy 62: 11–16. doi: 10.1111/j.1398-9995.2006.01271.x.

19 - Haftenberger M., Laußmann D., Ellert U., Kalcklösch M., Langen U., Schlaud M., Schmitz R., Thamm M. 2013: Prävalenz von Sensibilisierungen gegen Inhalations- und Nahrungsmittelallergene – Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl, 56: 687–697. doi: 10.1007/s00103-012-1658-1.

20 - Deutschlandwetter im Frühjahr 2019: https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2019/20190529_deutschlandwetter_fruehjahr.html.
20 - Deutschlandwetter im Frühjahr 2020: https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20200529_deutschlandwetter_fruehjahr2020.html.

21 - Bergmann K.-C., Buters J., Karatzas K., Tasioulis T., Werchan B., Werchan M., Pfaar O. 2020: The development of birch pollen seasons over 30 years in Munich, Germany – An EAACI Task Force report. Allergy. 2020 Dec; 75(12): 3024-3026. doi: 10.1111/all.14470.

22 - Rojo J., Oteros J., Picornell A., Maya-Manzano J.M., Damialis A., Zink K., Werchan M., Werchan B., Smith M., Menzel A., Timpf S., Traidl-Hoffmann C., Bergmann K.C., Schmidt-Weber C.B., Buters J. 2012: Effects of future climate change on birch abundance and their pollen load. Glob Chang Biol., 27(22): 5934-5949. doi: 10.1111/gcb.15824.

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