FW-I-6 und 7: Gefährdete Fichtenbestände und Schadholzaufkommen Buchdrucker
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die Gefährdung der Fichte durch rindenbrütende Borkenkäfer ist vor allem in und nach heißen und trockenen Jahren gravierend und kann zum Zusammenbrechen ganzer Bestände führen. Borkenkäfer profitieren von mehr Wärme und können bei ausreichendem Brutholz unter diesen Bedingungen bis zu sechs Generationen pro Jahr hervorbringen. Bei extrem hohem Schädlingsdruck können auch gesunde, vitale Bäume abgetötet werden.
Der Buchdrucker profitiert von trocken-heißer Witterung und befällt bevorzugt bereits vorgeschädigte oder geschwächte Bäume. Befallsdaten aus acht Bundesländern machen deutlich, dass das Schadholzaufkommen in der Folge von Hitze- und Trockenjahren sowie Sturmereignissen erhöht ist. Nach den Dürrejahren 2018 bis 2020 war das Käferholzaufkommen um bis zu 189 Mal so hoch wie im langjährigen Durchschnitt 1998–2017.
Während viele Bäume durch die projizierten Klimaveränderungen, insbesondere die zunehmende Sommertrockenheit, an Vitalität verlieren, können wärmeliebende Insekten und Krankheitserreger von diesen Bedingungen profitieren. Für die Fichte werden insbesondere die rindenbrütenden Borkenkäfer wie Buchdrucker und Kupferstecher zum Problem. Aber auch andere Schaderreger werden in ihrer Entwicklung vom Klimawandel begünstigt: Für die Nadelbäume spielen vermehrt auch Schäden durch die Tannentrieblaus und durch Pilze eine Rolle. Bei den Laubbäumen sind es unter anderem der Maikäfer, der Eichenprozessions- und Schwammspinner sowie der Eichenprachtkäfer, die Miniermotte an Rosskastanien sowie der Kleine Buchenborkenkäfer und der Buchenprachtkäfer an der Buche, deren vermehrtes Auftreten mit der zunehmend warmen und sommertrockenen Witterung in Zusammenhang gebracht wird.
Bei der Fichte nehmen Borkenkäferschäden inzwischen ein so verheerendes Ausmaß an, weil die Baumart heute großflächig auf Standorten stockt, die mit den Klimaveränderungen die bevorzugten kühlen und feuchten Bedingungen nicht mehr bieten. Diese Problematik hat ihren Ursprung bereits vor über 200 Jahren, als mit der gezielten Ausweitung des Fichtenanbaus in deutschen Wäldern begonnen wurde. Die Wälder waren damals vielerorts durch Waldweide und intensive Holznutzung in einem schlechten, stark aufgelichteten Zustand. Die Fichte galt aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit, Robustheit und leichten Vermehrbarkeit als ideale Baumart, um Flächen rasch wieder zu bewalden. Das gut und vielseitig verwertbare Holz galt als geeignet, um die befürchtete Holznot zu überwinden. Allerdings ist die Fichte durch ihr meist flaches Wurzelsystem sturm- und trockenheitsempfindlich. Früh zeigte sich daher, dass Fichtenreinbestände ein hohes Anbaurisiko aufweisen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts kam es infolge von Schädlingsbefall oder Sturmereignissen immer wieder zu einer Zerstörung lokaler Bestände. Allerdings machten erst die großflächigen Sturmereignisse der letzten Jahrzehnte und nun neuerdings die massiven Folgen von Hitze und Trockenheit das Ausmaß der Anfälligkeit der Fichte unübersehbar (siehe Indikator FW-I-4).
Auch wenn der Klimawandel nicht die einzige Ursache für vermehrten Schädlingsbefall ist, wird beispielsweise im Falle des Buchdruckers davon ausgegangen, dass mit höheren Temperaturen das Schwärmen der Käfer früher im Jahr erfolgt und infolgedessen zusätzliche Käfergenerationen ausgebildet werden können. Aus Daten zum Temperaturverlauf lässt sich die potenzielle Anzahl von Vermehrungszyklen des Fichtenborkenkäfers innerhalb eines Jahres berechnen. Normalerweise bildet der Buchdrucker zwei Generationen pro Sommer aus, wobei ein Weibchen bis zu 80 Eier legen kann. Unter optimalen Bedingungen sind jedoch mehr Generationen sowie Geschwisterbruten möglich. Mit jeder neuen Brut steigen die Zahl der Individuen und damit das Schadenspotenzial exponentiell. In Jahren wie 2018 kann ein Käferweibchen eine sechsstellige Anzahl von Nachkommen erzeugen117. Die Fichtenfläche, auf der infolge der veränderten Witterungsverhältnisse vier und mehr Vermehrungszyklen des Borkenkäfers pro Jahr möglich sind, ist signifikant angestiegen. Die forstwirtschaftlichen Risiken für Schaderregerbefall sind damit deutlich gestiegen. Dieses gestiegene Risiko spiegelt sich auch in Daten, die von acht Bundesländern zum Schadholzaufkommen speziell durch Borkenkäfer erhoben werden.
Diese Daten zeigen, dass der Käferbefall infolge des Hitze- und Trockenjahrs 2003 in nahezu allen der betrachteten Bundesländer sprunghaft angestiegen ist. Die Nachwirkungen hielten in den Folgejahren an, noch einmal verstärkt durch den ebenfalls sehr warmen und trockenen Sommer 2006. Im Jahr 2007 hat sich aufgrund des eher verregneten Monats Mai und eines kalten Septembers die Borkenkäferpopulation weniger stark entwickelt. Erst ab dem Jahr 2010 wurde in etwa wieder das Niveau des Schadholzaufkommens von vor dem Hitzesommer 2003 erreicht. Nach dem warmen Sommer 2015 stieg die Schadholzmenge zunächst wieder leicht an und explodierte dann infolge der Dürrejahre 2018 bis 2020. Im Vergleich zum Periodendurchschnitt 1998 bis 2017 ergab sich eine bis zu 189-fache Abweichung des Schadholzaufkommens. In allen acht berichtenden Bundesländern war das Schadholzaufkommen um ein Vielfaches erhöht.
Ablesbar sind in der Zeitreihe auch die Folgen extremer Sturmjahre (wie nach Lothar 1999 und Kyrill 2007), die in der Regel vermehrten Käferbefall an geschädigten oder umgeworfenen Bäumen nach sich ziehen. Die jüngsten Entwicklungen stellen diese Ereignisse aber in den Schatten.
117 - Jay M. 2021: Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland. Teilbericht 2: Risiken und Anpassung im Cluster Land. Climate Change 21/2021, Dessau-Roßlau, 339 S., https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/KWRA-Teil-2-Cluster-Land.