TOU-I-2: Schneedecke für den Wintertourismus
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die Schneelage in Deutschland unterlag in den letzten fünf Jahrzehnten starken Schwankungen. Ein signifikanter Trend für die Anzahl der Tage mit einer natürlichen Schneehöhe von mindestens 30 cm zeigt sich in keinem der skitouristischen Räume. Traten in den Alpen und den östlichen Mittelgebirgen schneearme Winter eher vereinzelt auf, gab es in den beiden weiteren Mittelgebirgsregionen längere Phasen mit schneearmen Wintern.
Ob zum Skifahren oder Snowboarden, zum Langlaufen, Tourengehen oder Schneewandern – schneebedeckte Berge, verschneite Wälder und strahlender Sonnenschein sind das Ideal vieler Menschen für Winterurlaub und Wintersport. Fehlt eine ausreichende Schneeauflage, mangelt es an der notwendigen Grundlage für schneegebundene Tourismusformen. Für die Tourismusdestinationen in Hoch- und Mittelgebirgen ergeben sich deutliche wirtschaftliche Einschränkungen, wenn die Schneebedeckung rückläufig ist, die Grenze der Schneesicherheit in immer höhere Lagen zurückweicht und die Zeiträume mit Schneebedeckung unbeständiger werden oder sich verschieben. Welche Schneeauflage erforderlich ist, hängt vor allem von der jeweiligen Aktivität und dem Gelände ab. Bereits wenige Zentimeter Schneebedeckung können für ein winterliches Ambiente bei einem Spaziergang sorgen. Für Langlauf sind in der Regel Schneehöhen von 10 bis 15 cm ausreichend. Für den Alpinskibetrieb bestimmt vor allem die Pistencharakteristik, welche Schneehöhe mindestens notwendig ist, um Pisten präparieren zu können, den Boden zu schützen, einen sicheren Skibetrieb zu gewährleisten und den Skifahrenden angenehme Skierlebnisse zu ermöglichen. Allgemein gilt eine Schneehöhe von 30 cm als ausreichend, 50 cm gelten als gut.201 Steinige und felsige Pisten können aber auch eine sehr viel größere Schneehöhe von bis zu 1 m erfordern, um befahrbar zu sein.
Eine Analyse der Schneehöhendaten für die Alpen und ausgewählte Mittelgebirge der letzten fünf Jahrzehnte zeigt, dass die Schneesituation zwischen 1970 und 2021 in allen skitouristischen Räumen („Alpen“, „Schwarzwald“, „Östliche Mittelgebirge“, „Westliche und zentrale Mittelgebirge“) sehr wechselhaft war. Eine durchgängige natürliche Schneedecke innerhalb der Wintersaison (15.12 bis 15.03) von 91 Tagen (oder 92 Tagen in einem Schaltjahr) wird, bezogen auf die mittlere Meereshöhe der dortigen Skigebiete, nur in wenigen skitouristischen Räumen gebietsweise und nur in einzelnen Jahren erreicht. Die insgesamt besten Schneebedingungen herrschten aufgrund der Höhenlage, bei teils sehr starken Schwankungen zwischen den Jahren, in den Skiregionen der Alpen. Im langjährigen Durchschnitt 1970–2021 gab es dort, im mit der Pistenlänge gewichteten Mittel der berücksichtigten Skigebiete, je Wintersaison 70 Tage mit einer Schneedecke von mindestens 30 cm. Die östlichen Mittelgebirge können im langjährigen Mittel rund 60 Tage mit einer ausreichenden Schneedecke verzeichnen. Anders als in den Alpen treten dort immer wieder auch sehr schneearme Jahre auf. Im Schwarzwald und insbesondere in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen, also in Harz, Sauerland, Rhön, Thüringer Wald und Fichtelgebirge, sind die Bedingungen grundsätzlich anders. Hier erreichte die natürliche Schneeauflage im langjährigen Mittel nur an 44 beziehungsweise 23 Tagen eine Höhe von 30 cm. Im Sauerland und in der Rhön wurde diese Schneehöhe in mehreren der letzten zehn Jahre nicht mehr erreicht.
Mit diesen Daten wird ausdrücklich nur das natürliche Potenzial für den Wintersporttourismus in den skitouristischen Räumen und ihren jeweiligen Regionen beschrieben. Zu den tatsächlichen Schneeverhältnissen in den Skigebieten lässt diese Größe keine Aussage zu. Dort kann eine für den Wintersport erforderliche Schneeauflage durch technische Beschneiung hergestellt oder deutlich erhöht werden. Als Reaktion auf Phasen mit mehreren aufeinanderfolgenden schneearmen Wintern, aber auch mit Blick auf die entsprechenden Aktivitäten der internationalen Konkurrenz haben die Betreibenden von Skigebieten mit der Einrichtung teilweise umfangreicher Infrastrukturen zur künstlichen Beschneiung reagiert. Kunstschnee ist die am weitesten verbreitete Maßnahme, um die Saison zu verlängern oder den Skibetrieb bei starken Wetterschwankungen aufrecht zu erhalten. Im alpenweiten Durchschnitt konnten im Jahr 2015 mehr als zwei Drittel der Pistenfläche künstlich beschneit werden202, in den bayerischen Alpen liegt der Anteil der beschneibaren Fläche bei etwa einem Viertel203. In Bayern insgesamt wuchs die beschneibare Fläche zwischen 2005 und 2020 um über 500 ha auf zuletzt rund 920 ha.
Allerdings sind der Beschneiung physische und ökonomische Grenzen gesetzt. Um Kunstschnee effizient erzeugen zu können, sind über einen längeren Zeitraum geringe Minusgrade im Bereich unter -2 °C und eine Luftfeuchte unter 80 % günstig. Zusatzstoffe, die eine Herstellung von Kunstschnee auch bei höheren Temperaturen vereinfachen oder ermöglichen, sind in Deutschland nicht genehmigt. Die Kosten der Kunstschneeerzeugung (Investitions-, Betriebs- und Unterhaltungskosten) sind ohnehin erheblich, und bei steigenden Temperaturen oder einer höheren Luftfeuchte steigen diese Kosten überproportional an. Sind die Infrastrukturen wie in den Mittelgebirgen wegen häufiger schneearmer Winter zudem nicht kontinuierlich ausgelastet, ist eine Wirtschaftlichkeit der Anlagen stark in Frage gestellt. Die Maßnahme eignet sich daher schon aus ökonomischer Sicht nur begrenzt zur Anpassung. Hinzu kommt, dass die Beschneiung aufgrund des hohen Energie- und Wasserbedarfs sowie der notwendigen Baumaßnahmen, etwa der Anlage von Speicherbecken und (Bau-)Straßen oder Pistenplanierungen, zu Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt führt. Dies ist ein Grund, warum sich die Alpenstaaten in der Alpenkonvention204, die auf den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Alpen zielt, darauf verständigt haben, die Erzeugung von Schnee nur in den Kälteperioden zuzulassen, gekoppelt an die Voraussetzung, dass die jeweiligen örtlichen hydrologischen, klimatischen und ökologischen Bedingungen es erlauben.
Machen Urlaubsgäste in deutschen Wintertourismusregionen häufiger negative Erfahrungen mit Schneemangel, werden sie zukünftig möglicherweise ihre Urlaubsaktivitäten oder Urlaubszielregion verändern. In der repräsentativen Bevölkerungsumfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland“205 gaben im Jahr 2012 gut ein Viertel der Befragten an, ihre Wintersportaktivitäten anpassen zu wollen, wenn es die klimatischen Rahmenbedingungen erfordern. Nachdem es in den Folgebefragungen 2014 und 2016 jeweils 17 % waren, lag der Wert 2021 noch bei 14 %.206 Dieses Ergebnis und auch die gleichbleibend hohe Zahl an Ersteintritten an Seilbahnen, Sessel- und Schleppliften in der Wintersaison deuten darauf hin, dass deutsche Urlaubsgäste für ihren Winterurlaub noch nicht verstärkt Destinationen in europäischen Nachbarländern ansteuern.
201 - Agrawala S. (Hg.) 2007: Klimawandel in den Alpen: Anpassung des Wintertourismus und des Naturgefahrenmanagements. OECD Publications, Paris, 131 S.
202 - Wind L. 2020: 7 Fakten zu künstlicher Beschneiung. https://marmotamaps.com/de/blog/7-fakten-zu-kuenstlicher-beschneiung
203 - VDS – Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte e.V. (Hg.) 2022: Beschneiung - Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte e.V. https://www.seilbahnen.de/beschneiung
204 - Alpenkonvention Protokoll Tourismus: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus – Protokoll „Tourismus“. https://www.alpconv.org/fileadmin/user_upload/Convention/DE/Protocol_Tourism_DE.pdf
205 - BMUB & UBA – Umweltbundesamt (Hg.) 2017: Umweltbewusstsein in Deutschland 2016. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt. Berlin, Dessau-Roßlau, 88 S.
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbewusstsein-in-deutschland-2016
206 - BMUB & UBA – Umweltbundesamt (Hg.) 2017: Umweltbewusstsein in Deutschland 2016. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt. Berlin, Dessau-Roßlau, 88 S.
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbewusstsein-in-deutschland-2016