Vom Ackerboden ins Grundwasser
Grundwasser ist Wasser, welches sich unterhalb der Erdoberfläche in Boden- oder Gesteinsschichten sammelt, und vom Regenwasser gespeist wird. Auf dem Weg ins Grundwasser nimmt der Regen Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte aus dem Boden mit. Je nach Stoff, Boden, Klima und Tiefe des Grundwasserkörpers kann es mehrere Jahre dauern, bis Wirkstoff oder Abbauprodukt das Grundwasser erreicht. Einmal dort angekommen, baut sich der Stoff nur begrenzt weiter ab. Denn Mikroorganismen, die solche Stoffe abbauen können, sind dort kaum vorhanden. Der Wasseraustausch ist in vielen Grundwasserkörpern zudem eher gering. Kontinuierliche Stoffeinträge über die Landwirtschaft können so zu einer Anreicherung im Grundwasser führen. Diese zu verringern oder zu entfernen ist nur mit sehr viel Aufwand möglich. Der Schutz des Grundwassers muss daher stark vorsorgeorientiert sein, denn die Folgen von Pflanzenschutzmittelanwendungen sind meist erst viele Jahre später im Grundwasser spürbar.
Rückstände häufig im Grundwasser nachweisbar
Die Bundesländer erheben regelmäßig die Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser an deutschlandweit etwa 14.500 Messstellen. Dass Belastungen lange bestehen können, zeigt sich beispielhaft am Wirkstoff Atrazin. Dieser wurde 1991 in Deutschland verboten, dennoch ist er bis heute der am häufigsten gefundene Wirkstoff im Grundwasser. Auch andere, teils schon viele Jahre verbotene Pflanzenschutzmittel, wie Atrazin, Bromacil, Diuron, Simazin und Ethidimuron sind in den Top Ten der am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe. Erst in den letzten Jahren sind deren Konzentrationen und Fundhäufigkeiten allmählich zurückgegangen.
Die Belastung mit noch zugelassenen Wirkstoffen hingegen blieb, genauso wie deren eingesetzten Mengen, in den letzten Jahren mehr oder weniger gleich. Deutlich häufiger werden Rückstände von Abbauprodukten gefunden. Während Wirkstoffe in knapp 20 Prozent aller Grundwasserproben nachgewiesen wurden, sind 72 Prozent mit Abbauprodukten belastet, und das, obwohl die Wirkstoffe an deutlich mehr Messstellen untersucht werden. Dieser Trend ist problematisch, da wenig über die einzelnen Abbauprodukte bekannt ist, etwa ihre Auswirkung auf die Grundwasserökosysteme oder die Trinkwassergewinnung. Das UBA unterstützt die Bundesländer dabei, eine umfassendere Datenbasis zu erstellen, und setzt sich für eine konsistente Regulierung aller Abbauprodukte ein.
Grundwasser als Lebensraum
Grundwasserkörper sind einzigartige Lebensräume. Sie unterscheiden sich stark von Flüssen oder Seen. Durch die räumliche Enge und Dunkelheit sind hauptsächlich kleine Organismen wie Bakterien, aquatische Pilze und Einzeller im Grundwasser zuhause. Die relativ konstante Temperatur und das geringe Sauerstoff- und Nährstoffangebot schaffen diverse Nischen für stark spezialisierte Arten. Diese besondere Zusammensetzung des Ökosystems Grundwasser bestimmt maßgeblich Transport und Umwandlung von Nähr- und Schadstoffen. So spielen die kleinen Lebewesen eine Schlüsselrolle bei der Qualität des Grundwassers, indem sie etwa Schadstoffe abbauen.
Grundwasserschutz bedeutet damit auch, schädliche Einflüsse wie Pflanzenschutzmittel von den Grundwasserorganismen fernzuhalten. Im Gegensatz zu den Ökosystemen der Flüsse und Seen ist der Lebensraum Grundwasser bisher wenig erforscht und wird bei Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln derzeit unzureichend berücksichtigt.
Grundwasserschutz ist Trinkwasserschutz
Ungefähr 70 Prozent des Trinkwassers in Deutschland stammt direkt aus dem Grundwasser. Dort wird das Trinkwasser meist naturnah und ohne besondere Aufbereitung gewonnen. Die meisten Rückstände von Pflanzenschutzmitteln werden auf diese Weise nicht entfernt und verbleiben im Trinkwasser. Die „Rohwasserdatenbank“, ein gemeinsames Projekt von Pestizidindustrie und Wasserwirtschaft, vermittelt einen ersten Eindruck der deutschlandweiten Belastung des Trinkwassers mit Pflanzenschutzmitteln und ihren Abbauprodukten. Allerdings zeigt diese Datenbank nur einen Teil der tatsächlich bestehenden Belastungen, weil die Daten auf den freiwilligen Meldungen der Wasserversorger basieren. Zudem werden nicht alle Stoffe flächendeckend untersucht und gemeldet.
Ähnlich wie im Grundwasser, allerdings auf niedrigerem Niveau, zeigt sich auch hier eine deutlich höhere Belastung mit Abbauprodukten als mit den Wirkstoffen selbst. Viele dieser Stoffe sind, wenn überhaupt, nur mit aufwändiger Aufbereitungstechnik zu entfernen. Bisher überschreiten die Abbauprodukte nur sehr selten die geltenden Höchstwerte. Sollten diese Belastungen jedoch analog zu den Befunden im Grundwasser weiter steigen, könnte die Installation von neuen, teuren Aufbereitungsanlagen notwendig werden. Aber manche Stoffe sind selbst damit nicht vollständig entfernbar. Der Schutz der Grundwasserkörper vor Stoffeinträgen ist somit eine wichtige Voraussetzung für den Schutz des Trinkwassers. Am effizientesten und nachhaltigsten ist es, Stoffeinträge direkt an der Quelle zu vermindern: beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Hierfür ist es wichtig, den Umgang mit diesen Stoffen gesetzlich strenger zu regulieren.
Grundwasser genießt hohen Schutz – aber nicht vor allen Stoffen
Im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel genießt das Grundwasser einen hohen Schutz, zumindest vor den Wirkstoffen selbst. Wenn Wirkstoffe mit über 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/L) in das Grundwasser eingetragen werden, sind die Produkte nicht zulassungsfähig. Analog dazu liegen die gesetzliche Qualitätsnorm für Grundwasserkörper und der Grenzwert für Trinkwasser auch bei 0,1 µg/L. Werden Wirkstoffe im Grundwasser über 0,1 µg/L gefunden, kann im Fundaufklärungsverfahren ermittelt werden, wie es dazu kam und welche Gegenmaßnahmen nötig sind. Dies kann im Zweifel auch zur Rücknahme der Zulassung führen.
Abbauprodukte, zumindest jene, die weniger wirksam und weniger giftig sind als der Wirkstoff, sind uneinheitlich geregelt. Zulassungsrelevant ist ein Wert von 10 µg/L im Grundwasser. Dieser entspricht jedoch nur einer Bewertungsleitlinie und ist nicht gesetzlich verankert. Entsprechend schwach reguliert ist diese Stoffgruppe im Trinkwasser- und Grundwasserrecht.
Für das Trinkwasser empfiehlt das UBA die Einhaltung eines Höchstwerts von 1 oder 3 µg/L, je nach Stoff. Für das Grundwasser wurde bisher keine Qualitätsnorm festgelegt. Für einen effektiven Grundwasserschutz müssten bei den Abbauprodukten jedoch stärkere und verbindlichere Regelungen umgesetzt werden, insbesondere im Zulassungsverfahren. Vor einigen Jahren wurde der Wert von 10 µg/L innerhalb einiger Zulassungsverfahren in mehreren Klageverfahren in Frage gestellt, so dass Produkte trotz hoher Grundwassereinträge zugelassen wurden. Hier muss dringend nachgebessert werden, indem ein Grenzwert für alle Abbauprodukte gesetzlich verankert wird.
Dies könnte schon bald angestoßen werden. Die EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG und die europäische Bewertungsleitlinie für Pflanzenschutzmittel, die den Wert von 10 µg/L vorgibt, werden derzeit überarbeitet. Die in 2020 erneuerte EU-Trinkwasserrichtlinie (EU) 2020/2184 gibt zudem vor, dass Leitwerte für Abbauprodukte festgelegt werden müssen. In Deutschland wurde unter anderem dafür eine neue Verordnung geschaffen, die sogenannte Trinkwassereinzugsgebieteverodnung. Sie setzt die Richtwerte von 1, 3 oder 10 µg/L für Abbauprodukte in Gewässern zur Trinkwassergewinnung fest. Diese wird zurzeit in den Trinkwassergewinnungsgebieten umgesetzt. Das UBA ist an vielen Prozessen beteiligt, unterstützt mit Informationen und Empfehlungen, und setzt sich für Regelungen ein, die dem vorsorgeorientierten Grundwasserschutz gerecht werden.