Handlungsfeld Finanz- und Versicherungswirtschaft

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Der Klimawandel beeinflusst Geschäftsrisiken von Versicherungen und Kreditinstituten.
Quelle: checka/photocase.com

Der Klimawandel wirkt sich sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Bereiche der Natur und Gesellschaft aus. Auch die daraus resultierenden Anpassungsmaßnahmen unterscheiden sich. Mehr zu den Auswirkungen auf die Finanz- und Versicherungswirtschaft und möglichen Anpassungsoptionen lesen Sie hier.

Klimafolgen

Versicherungswirtschaft

Für Versicherungen ist vor allem die Zunahme von Extremwetterereignissen relevant. Nach Angaben des Rückversicherers Munich Re verursachten wetterbedingte Naturkatastrophen seit 1980 weltweit Schäden von rund 4,2 Billionen US-Dollar. Indirekte Schäden wie die Unterbrechung von Lieferketten, Kreditausfälle bei Banken oder die Drosselung der Produktion von Kraftwerken bei Hitzewellen sind darin nicht enthalten.

Die Schadensummen durch Extremwetterereignisse schwanken von Jahr zu Jahr. Der Naturgefahrenreport 2020 der Versicherungsbranche beziffert die Sachschäden durch Sturm, Hagel, Hochwasser und ⁠Starkregen⁠ im Jahr 2019 in Deutschland auf drei Milliarden Euro. Der langjährige Mittelwert liegt bei 3,7 Milliarden Euro.

Dabei ist der ⁠Klimawandel⁠ nicht die alleinige Ursache für den Anstieg der finanziellen Schäden durch extreme Naturereignisse. Auch die generelle Zunahme der versicherten Werte spielt eine wichtige Rolle. Versicherungszahlungen werden demnach voraussichtlich nicht nur höher ausfallen, sondern auch häufiger in Anspruch genommen.

Doch auch in Deutschland gibt es Lücken beim Versicherungsschutz. Zwar liegt die Versicherungsdichte bei Sturm- und Hagelversicherungen bei 94 Prozent. Für Elementarschäden wie Überschwemmung oder ⁠Starkregen⁠ beträgt sie bei der Gebäudeversicherung jedoch nur 43 Prozent und bei der Hausratsversicherung lediglich 24 Prozent. Dabei ist die Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Im Jahr 2002 betrug der Anteil der Wohngebäude mit solchen Policen erst 19 Prozent.

Wie Umfragen zeigen, ist das Risikobewusstsein in der deutschen Bevölkerung gleichwohl noch nicht ausreichend ausgeprägt. Dies kann für die Versicherungswirtschaft zu einem Problem werden. Nur wenn das Bewusstsein für Klimarisiken breit verankert ist und sich infolgedessen viele Menschen versichern, lassen sich ausreichend große Risikogemeinschaften für eine Versicherung bilden, die sicherstellen, dass die Versicherungsprämien erschwinglich sind.

Für Versicherungen ist die Zunahme von Schäden durch Naturgefahren eine große Herausforderung, insbesondere aufgrund der mit dem ⁠Klimawandel⁠ verbundenen Unsicherheiten bezüglich des Eintreffens von Extremwetterereignissen. Eine lineare Fortschreibung von Extremwetter-Trends liefert keine ausreichend verlässlichen Einschätzungen für die Zukunft. Dies erschwert die Berechnung von Versicherungsprämien. Für die Versicherungsbranche sind deshalb Fortschritte und Innovationen im Bereich Datenverfügbarkeit, Modellierung und Risikobewertung von zentraler Bedeutung.

Aufgrund der zusätzlichen Klimarisiken kann es so unter Umständen zu einer Erhöhung der Versicherungsprämien kommen. Versicherer und Versicherte sollten dem entgegenwirken können, indem sie rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergreifen. Trotzdem kann die generelle Versicherbarkeit in besonders exponierten Lagen durch zu hohe Schadenspotenziale zunehmend in Frage gestellt werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die öffentliche Hand als „Versicherer letzter Instanz“, die in diesem Falle einspringen müsste – zusätzlich zu Schäden an öffentlicher Infrastruktur, den Kosten für die Katastrophenbewältigung und zum Beispiel dem Wiederaufbau des Hochwasserschutzes.

Bisher wird das Ausmaß der ⁠Klimafolgen⁠ in Deutschland für Versicherungen als weitgehend beherrschbar eingeschätzt. Durch einen gut funktionierenden Rückversicherungsmarkt kann die Versicherungswirtschaft gut mit den Auswirkungen klimatischer Extremereignisse umgehen. Agieren Versicherungen verstärkt auf globalen Märkten, besteht ein höheres Risiko, dass sie auch von Auswirkungen des globalen Klimawandels betroffen sein könnten.

Indikatoren aus dem ⁠Monitoring⁠ zur ⁠DAS⁠: Schaden-, Schaden-Kosten-Quote Verbundene Wohngebäudeversicherung, Betroffenheit durch Stürme und Hochwasser

Bankenwirtschaft

Klimabedingte Risiken haben für die Bankenwirtschaft als Kreditgeber, Investor und Berater von Investoren in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Diese Risiken äußern sich auf unterschiedliche Weise. So kann es durch Extremwetterereignisse zu Schäden und längerfristigen Produktionsausfällen in Unternehmen kommen, an die Banken Darlehen vergeben haben oder an denen sie Anteile halten. Dies kann zu Kreditausfällen und höheren Refinanzierungskosten führen. Anleger werden zudem aufgrund der sinkenden Unternehmensgewinne und des reduzierten Gesamtwerts des Unternehmens Renditeverluste verzeichnen.

Für international agierende Unternehmen besteht zusätzlich ein erhöhtes Risiko, dass durch klimatische Ereignisse in anderen Regionen der Welt Störungen in der Lieferkette auftreten. Auch das kann zu Produktionsverzögerungen oder -ausfällen mit entsprechenden Renditeeinbußen führen.

Kreditgeber können sich über entsprechende Versicherungsleistungen gegen mögliche Klimarisiken absichern. Die Prüfung relevanter Versicherungspolicen gewinnt damit an Bedeutung.

Zunehmende Relevanz kommt den sogenannten Übergangsrisiken zu. Durch regulatorische Eingriffe im Zuge von ambitionierten Klimaschutzbemühungen sowie Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur wie einem Umstieg auf erneuerbare Energien und mehr ⁠Nachhaltigkeit⁠ wächst die Gefahr von "stranded assets", also dem Wertverlust von Vermögensanlagen in den Bilanzen der Bankenwirtschaft. Damit steigen die Anforderungen an die Bewertung von Investitionen, insbesondere für langfristige Anlagen, beispielsweise Infrastrukturprojekte, da Klimarisiken künftig verstärkt berücksichtigt werden müssen. Investments in stark vom ⁠Klimawandel⁠ betroffene Projekte oder Unternehmen könnten demnach zukünftig abnehmen.

Auch Reputationsrisiken, die mit Investitionen in klimaschädliche Projekte einhergehen, spielen für die Finanzwirtschaft zunehmend eine Rolle.

Anpassung

Versicherungswirtschaft

Für ein aktives Management der zunehmenden klimabedingten Unsicherheitsfaktoren ist eine valide Datengrundlage notwendig. So können künftige Risiken und mögliche Schäden eingeschätzt und angemessene Prämien festgelegt werden. Verschiedene Informationssysteme zum ⁠Klimawandel⁠ stellen regionalspezifische Daten zur Verfügung. Diese können helfen, die Bewertung lokaler Risiken zu verbessern.

Darüber hinaus können Anreize zur Risikominderung den zunehmenden Schadensfällen entgegenwirken. Hierfür ist es wichtig, das Bewusstsein der Bevölkerung für die veränderte Gefahrenlage zu stärken, beispielsweise durch Informations- und Aufklärungskampagnen sowie eine gezielte Beratung von Versicherungsnehmer*innen.

Neben Informationskampagnen können flexible Prämien Versicherungsnehmer*innen zu Anpassungsmaßnahmen motivieren, beispielsweise Prämiennachlässe bei Vorsorgemaßnahmen. Bei besonders hohem Risikopotenzial können zudem Selbstbeteiligungen, festgelegte Höchstsummen oder Einschränkungen des Versicherungsschutzes zusätzliche Anreize schaffen, das individuelle Risiko zu mindern.

Zusätzlich kann für die Sicherung der Zahlungsfähigkeit von Versicherungen bei zunehmenden Schadensfällen eine Erhöhung des Eigenkapitals notwendig werden.

Eine weitere Möglichkeit für die Versicherungsbranche bietet die Entwicklung von neuen Finanzmarktprodukten, mit denen Klimarisiken von Versicherungsnehmern wie Unternehmen oder Kommunen auf dem Kapitalmarkt gestreut werden. Beispiele hierfür sind Wetterderivate oder Katastrophenanleihen.

Weitere Marktchancen eröffnet der Versicherungsschutz für Produkte oder Technologien, die im Zuge des Klimawandels zunehmend wichtiger werden, zum Beispiel Windkraftanlagen.

Versicherungen können darüber hinaus durch die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ihre ⁠Anpassungsfähigkeit⁠ erhöhen. So haben sich in der Munich Climate Insurance Initiative (MCII) Versicherer, Rückversicherer, Umweltverbände und Wissenschaftler*innen zusammengeschlossen, um gemeinsam Strategien zum Umgang mit den Risiken des Klimawandels zu entwickeln.

Bankenwirtschaft

Kapitalgeber sollten sich dafür einsetzen, dass Klimarisiken ein fester Bestandteil von Investitionsentscheidungen werden. Potenzielle Anlageobjekte sollten einer systematischen Klimarisikobewertung unterzogen werden. Für die Einschätzung solcher Risiken sind daher eine verlässliche Informationsgrundlage und vergleichbare Methoden notwendig.

Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang die Non-Profit-Organisation Carbon Disclosure Project (CDP) erwähnt werden, die von zahlreichen institutionellen Anlegern unterstützt wird und sich für das Offenlegen von Klimarisiken und Umweltdaten einsetzt, um das Risikomanagement zu verbessern. Die Anzahl von Unternehmen, die sich beteiligen und ihre nicht-finanziellen Klimarisiken berichten, liegt mittlerweile bei über 8.400.

Der Finanzstabilitätsrat der G20-Länder hat zudem im Anschluss an die Pariser Weltklimakonferenz von 2015 die Expertenkommission „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) gegründet, um freiwillige, einheitliche Angaben zu klimabezogenen Finanzrisiken zu entwickeln, die von Unternehmen genutzt werden können, um Kreditgebern, Versicherern, Anlegern und anderen Interessengruppen entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. 2017 legte sie ihre Empfehlungen vor.

Die EU hat seitdem Maßnahmen ergriffen, die Vorschläge der Task Force in nationales Recht umzuwandeln und damit nachhaltige Finanzsysteme aufzubauen. Dazu gehört neben einem einheitlichen EU-Klassifikationssystem für grüne Tätigkeiten („Taxonomie“) unter anderem auch ein EU Standard für grüne Anleihen.

Die Bundesregierung hat 2019 einen Sustainable Finance Beirat eingesetzt, der sie bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Sustainable Finance-Strategie berät. Mit dieser Strategie soll der Finanzsektor darin unterstützt werden, seine Aktivitäten auf die Erreichung der ⁠UN⁠-Nachhaltigkeitsziele und der Ziele des Pariser Klimaabkommens abzustimmen, um so klimabedingte Risiken für das Wirtschafts- und Finanzsystem zu mindern.

Aufsichtsbehörden wie die Bafin und Bundesbank werden künftig Klimastresstests durchführen, um den Unternehmen Orientierung im Umgang mit den zunehmend wichtiger werdenden ⁠Klima⁠- und Nachhaltigkeitsrisiken an die Hand zu geben.

Mit einer „Klima-Selbstverpflichtung“ hat sich der deutsche Finanzsektor Mitte 2020 dazu bekannt, seine Geldgeschäfte an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Die Institute wollen künftig die Emissionen messen und reduzieren, die mit ihren Krediten und Wertpapiergeschäften verbunden sind. Dies soll einen Klimaschutzbeitrag leisten und eine nachhaltige und zukunftsfähige Weiterentwicklung der Wirtschaft unterstützen.

Zudem ist es für Investoren, die bedingt durch Anleihen und Beteiligungen Einfluss auf Unternehmen ausüben können, möglich, eine risikobewusste Unternehmenspolitik aktiv einzufordern.

Auch für die Bankenwirtschaft eröffnet der ⁠Klimawandel⁠ neue Geschäftsfelder. Klimafreundliche Finanzdienstleistungen und Investitionen in innovative Klimatechnologien können hier als Beispiel genannt werden.