Gewässertyp des Jahres 2018 – Sandiger Tieflandbach
Die sandigen Tieflandbäche liegen vornehmlich in den sandigen Gebieten der direkt vom Inlandeis geformten Alt- und Jungmoränenlandschaft von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Typische Vertreter des Gewässertyps sind die Sude, die Oberläufe von Plane, Alster, Wümme, Hase und Ems.
Im Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres finden Sie alle Fließgewässer, Seen, Ästuare (Übergangsgewässer) und Küstengewässer. Alle „Sandigen Tieflandbäche“ in Deutschland und deren Bewertung des Zustands sind dort farbig hervorgehoben. Sie können sich für den Bach, der Sie interessiert, weitere Angaben zum Zustand der Gewässerflora und -fauna abrufen.
Die Landschaft von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sind von den Eiszeiten geprägt. Dazu gehören ausgedehnte Sandablagerungen der Schmelzwässer, die am Eisrand ausströmen. Nach dem prägenden Substrat werden diese Ablagerungen als Sander bezeichnet. Aber auch Grundmoränen, die aus dem abtauenden Inlandeis hervorgegangen sind, sowie Flussterrassen und Dünengebiete, die sich unter den Bedingungen des Periglazials gebildet haben, können großflächige Sandgebiete aufweisen. In diesen Gebieten kommen die sandigen Tieflandbäche vor.
Steckbrief
Größe: Flache bis mäßig tiefe Bäche mit einer Einzugsgebietgröße zwischen 10 und 100 Quadratkilometer
Vertreter: Sude, die Oberläufe von Plane, Alster, Wümme, Hase und Ems.
Abflusstyp: Das Abflussgeschehen ist dynamisch und es treten regelmäßig mittlere bis große Schwankungen der Wasserführung auf. Wenn die Bäche grundwassergeprägt sind, ist das Abflussgeschehen ausgeglichener.
Strömungsbild: Ruhig fließende Abschnitte wechseln mit schnell fließenden Abschnitten mit Turbulenzen in den Mäanderbögen und Abstürzen an Totholzverklausungen
Substrat: Überwiegend Sand, lokal größere Kies- und Totholzmengen; Falllaub, Wurzeln, selten Mergel und Tone; bei Vermoorung höhere organische Anteile (Torf); im Jungmoränengebiet auch ausgewaschene Findlinge.
Gewässerform: Stark geschwungen bis (stark) mäandrierender Verlauf in flachen Muldentälern oder breiten Sohlentälern; der Querschnitt ist unregelmäßig kastenförmig; ausgeprägte Prall- und Gleithänge.
Natürlicherweise typische Habitate: Große Habitatvielfalt an organischen Substraten (Totholz, Sturzbäume, Laub, Erlenwurzeln), sandige und kiesige Längsbänke.
Lebensgemeinschaft: Makrozoobenthos: Auf Grund des Totholz- und Falllaubaufkommens viele Arten der Zerkleinerer und Weidegänger auf den Hartsubstraten; Fischfauna: rheophile, sand- und kieslaichende Arten; Makrophyten: geringer Anteil typspezifischer Arten; bei starker Beschattung und im Jungmoränenland auch makrophytenfrei.
Hauptbelastungsfaktoren: Nähr-, Schadstoff- und Feinsedimenteinträge aus der Landwirtschaft; Gewässerbegradigung, -ausbaggerung und hohe Unterhaltungsintensität für die Aufrechterhaltung der Entwässerungsfunktion für die Landwirtschaft; Einstau durch Wehre bei Bewässerung; Entwaldung der Einzugsgebiete und der Ufersäume und Auen; Entfernung von strukturgebenden Elementen wie Totholz bei der Unterhaltung.
Überall dort wo im norddeutschen Tiefland großflächig Sand die Oberfläche bildet konnte sich der Gewässertyp des sandigen Tieflandbachs entwickeln. Das sind vor allem die eiszeitlich angelegten Flächen der Sander, sandigere Bereiche der Grundmoränen oder breite, sandige Flusstäler bereits vergangener Flüsse. Unter natürlichen Bedingungen schlängeln sich die Bäche dort in dichten Windungen mit geringem Gefälle durch waldreiche Landschaften. Die Ufer sind typischerweise von Erlen und Eschen bewachsen, die große Teile der Gewässer beschatten.
In den entfernteren Bereichen der begleitenden Auen wachsen Buchen oder Eichen. Ab und an reichen auch offene Moor- und Röhrichtflächen bis an die Ufer der Bäche. Abgeschnürte Flussschlingen bilden Altarme und mit zunehmender Gewässergröße treten Hochwasser häufiger über die Ufer. Das Flussbett ist von Sand bestimmt, der an den seichten Innenufern jeder Windung deutlich sichtbar wird. Es können aber auch Kiesbänke auftreten. Der Waldbestand sorgt zudem für einen reichen Laubeintrag. An umgestürzten Bäumen, abgebrochenen Ästen oder an Erlenwurzeln wird das Wasser aus seiner Bahn gelenkt oder bildet Überfälle, die zu Vertiefungen im Gewässerbett – sogenannten Kolken- führen.
Die große Vielfalt an organischen Besiedlungs- und Nahrungsmöglichkeiten führt zu einer artenreichen Lebensgemeinschaft, wobei Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen überwiegen. Das eingetragene Laub wird von Zerkleinerern als Lebensgrundlage genutzt, während Totholz und Kiese besiedelt und abgeweidet werden. Einige Arten graben sich auch in die lockeren Sande ein. Stillwasser liebende Arten kommen dagegen nur zu einem geringen Anteil vor. Das Flussbett der überwiegend ruhig fließenden, sandigen Tieflandbäche ist häufig großflächig mit Wasserpflanzen bewachsen. Sandige Bereiche werden von Gründling und Steinbeißer und lokale Kiesbänke von anderen Fischarten, wie Hasel, Bachschmerle, Bachneunauge aufgesucht. In einigen Bächen diesen Typs, die vorrangig von Grundwasser gespeist werden, kann man auch Bach- und Meerforellen antreffen.
Typische Lebewesen
Gemeine Flussmuschel (Unio crassus)
Die Gemeine Flussmuschel (Unio crassus), oft auch als Bachmuschel oder Kleine Flussmuschel bezeichnet, gehörte früher zu den häufigsten Muschelarten in großen Flüssen und kleinen Bächen Mitteleuropas. Sie hat eine Länge von bis zu 10 cm. Heute ist die Art nach ihrem dramatischen Rückgang in den meisten Gebieten Mitteleuropas streng geschützt. Die Kanalisierung der Fließgewässer durch den Menschen, übermäßige Nährstoff- und Schadstoffeinträge, zu hohe Feinsedimenteinträge und Sauerstoffmangel im Gewässerboden, das Fehlen geeigneter Wirtsfische für die parasitischen Larven der Muscheln und eine verringerte Durchgängigkeit der Fließgewässer sind in Ihrem Zusammenwirken dafür verantwortlich. Die wenigen noch existierenden Populationen dieser Art sind auf kleinere, saubere Flusssysteme und Bäche beschränkt.
Köcherfliege (Lepidostoma basale)
Die Köcherfliege Lepidostoma basale benötigt zur Entwicklung saubere Bäche und kleine Flüsse. Die geflügelten Adulten (Erwachsenen) leben im Uferbereich naturnaher Gewässerabschnitte mit angrenzender Aue. Die im Wasser lebenden Larven besiedeln vor allem Wurzeln von Schwarzerlen und Totholzansammlungen, da sie sich von Blatt- und Totholzfragmenten, den darauf lebenden Algen, sowie von Pilzen und Bakterien ernähren. Köcherfliegen sind gute Indikatoren für die Gewässergüte und die Struktur der Gewässer, wobei die Präferenzen der verschiedenen Arten sich unterscheiden. Lepidostoma basale gilt u.a. als typspezifische Art für den Gewässertyp 14. Für die Art ist das Vorhandensein geeigneter Larval- und Puppenlebensräume, in Form von Totholz im sonst strukturarmen sandigen Gewässerbettrund von Schwarzerlen-Beständen am Gewässerrand sowie einer guten Sauerstoffversorgung im Gewässer ohne Schadstoffeinträge wichtige Voraussetzung für ihr Vorkommen.
Gründling (Gobio gobio)
Der Gründling (Gobio gobio) ist ein geselliger, schwarmbildender Fisch, der in klaren, stehenden und fließenden Gewässern mit sandigem oder kiesigem Grund vorkommt. Er wird in der Regel bis 15 cm, selten bis maximal 20 cm groß, bis zu 8 Jahre alt und ernährt sich von Kleintieren, Algen und totem organischem Material. Als Sandlaicher mit benthischen (am Boden lebenden) Larven benötigt der Gründling sandige Bodensubstrate ohne Schlammauflage zur Fortpflanzung. Gründlinge laichen von Mai bis Juli und die Weibchen legen dabei bis zu 3.000 Eier in mehreren Schüben ab. Geschlechtsreif werden die Tiere mit 2 bis 3 Jahren. Aufgrund ihres schmackhaften Fleisches waren Gründlinge früher geschätzte Speisefische.
Schwarzerle (Alnus glutinosa)
Schwarzerlen (Alnus glutinosa) sind sehr wichtige strukturgebende Elemente in sandigen, ansonsten eher strukturarmen Fließgewässern. Sie wachsen vorwiegend an Gewässerrändern oder in Feuchtgebieten der Auen. Die Wurzeln der Schwarzerlen wirken oft wie ein natürlicher Uferschutz gegen Ausspülung. Sie werden aber auch von Fischen als Unterstände genutzt und dienen Wirbellosen als Besiedlungs- und Nahrungshabitat. Die Kronen der Schwarzerlen beschatten die Gewässer und beeinflussen damit die Temperatur – und Sauerstoffbedingungen des Gewässers, so dass diese auch in warmen Sommertagen kühl und sauerstoffreich bleiben und sauerstoffbedürftige Organismen wie Fischlarven und –eier überleben können. Auch der regelmäßige Eintrag abgestorbener Äste, Wurzelteile oder ganzer Erlenstämme ist in natürlichen Fließgewässern wichtig, da es durch diesen Eintrag zur ständigen Neubildung verschiedener Habitate kommt und auch die Strömungsbedingungen sich dynamisch verändern. Der herbstliche Laubeintrag bildet darüber hinaus eine wichtige Nahrungsquelle für die Lebensgemeinschaft kleiner Fließgewässer.
Brunnenkresse (Nasturtium officinale) 800x600
Die Brunnenkresse (Nasturtium officinale) ist eine wintergrüne, ausdauernde krautige Sumpf- und Wasserpflanze, welche im 19. Jahrhundert in Europa intensiv kultiviert wurde und zum Teil auch heute noch angebaut wird. Der Grund für diesen Anbau besteht in ihrem hervorragenden, leicht scharfen senfartigen Geschmack, ihrer vielfältigen Verwendbarkeit in der Küche in Form von Salaten oder als Beilage zu anderen Gerichten und ihrem Vitamingehalt. Die Brunnenkresse wurde und wird als Heilpflanze verwendet – so gilt sie u.a. als Aphrodisiakum, appetitanregend, stoffwechselfördernd, harn- und wehentreibend und entzündungshemmend. Da im 20. Jahrhundert saubere Fließgewässergewässer immer seltener wurden, nahm der Anbau mehr und mehr ab. Die Brunnenkresse ist eine Charakterart kleiner, kühler und sandig-kiesiger Fließgewässer und bildet wichtige Nahrungshabitate für wirbellose Organismen und Verstecke für Fische.
Europäischer Biber (Castor fiber)
Der Europäische Biber (Castor fiber) ist das größte Nagetier Mitteleuropas. Er ernährt sich rein pflanzlich und wird über 1 Meter lang und bis zu 30 kg schwer. Von Bibern bewohnte Gewässer und deren Uferbereiche werden von ihnen aktiv durch den Bau von Dämmen umgestaltet. Durch den Biber lokal angestaute Fließgewässer ermöglichen oft eine Koexistenz von vielen anderen Tier- und Pflanzenarten fließender und stehender Gewässer, was zu einer lokalen Zunahme der Artenvielfalt führen kann. Aufgrund seinen dichten Fells, seines Fleischs und Fetts sowie des Drüsensekrets (Bibergeil) wurde der Biber seit dem Mittelalter stark bejagt. Heute gilt der Biber gemäß Bundesnaturschutzgesetz als streng geschützte Art. Dennoch ist der Biber auch heute nicht immer in unserer Kulturlandschaft willkommen und aufgrund seiner sehr aktiven Lebensraumgestaltung treten häufig Konflikte mit Grundeigentümern auf. Zur Minimierung dieser Konflikte mit dem Menschen werden in Deutschland Managementpläne im Gewässer-, Natur- und Artenschutz entwickelt.
Die Einzugsgebiete der Tieflandbäche werden seit Jahrhunderten für forstwirtschaftliche Zwecke genutzt oder sind in großen Teilen gerodet, um Brennholz und Land für den Ackerbau zu gewinnen. In die Bäche gelangt daher immer weniger Totholz, das vielen ursprünglichen Bachbewohnern als Lebensgrundlage dient. Viele der sandigen Tieflandbäche wurden begradigt, verlegt und eingetieft, um die angrenzenden Auenflächen zu entwässern und landwirtschaftlich effektiver nutzen zu können. Der Uferwald wurde meist völlig entfernt oder auf einen schmalen Gehölzsaum reduziert. Oft grenzen landwirtschaftliche Flächen unmittelbar an den Bach. Den wenigen verbliebenen Bachbewohnern bereitet das sogenannte “Sandtreiben“ Probleme.
Dieses entsteht, wenn große Mengen Feinsand von den landwirtschaftlichen Böden bei Regenfällen in den Bach gelangen. Der feine Sand wird ständig über die Bachsohle getrieben, so dass sich Wasserinsekten kaum an der Sohle halten können. Zudem überdeckt der Feinsand die Kiesbänke, die dann als Laichplätze für die Fischfauna verloren gehen. Viele der Bäche werden zudem durch Wehre zerstückelt. Wehre wurden nötig, da das Wasser der Bäche durch die Begradigung nun viel schneller strömte und die Bäche sich schnell in die Landschaft einschnitten und immer tiefer wurden. Zudem wurden Wehre auch für die Wasserstandsregulierung und Bewässerung gebraucht. Die schnurgeraden Profile in die die Sandbäche teilweise gezwängt werden, verlangen zudem ein ständiges Instandhalten.
Regelmäßig werden Ufer und Böschungen gemäht und Wasserpflanzen und Ablagerungen aus dem Bach entfernt. Die ehemaligen Bäche wurden heute daher oft zu Drainagegräben degradiert. Durch alle vorgenannten Belastungen und Eingriffe wird die ursprünglich vielfältige Gewässerstruktur eintönig, die Beschattung reduziert, die Wassertemperatur erhöht und der Eintrag von Falllaub, Ästen und Totholz verringert. Treten dann noch hohe Nährstoffeinträge aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen hinzu, wird zusammen mit dem höheren Lichteinfall das Wachstum von Algen in den durch Wehre rückgestauten Abschnitten beschleunigt. Das Gewässer eutrophiert und unterliegt dann weiteren negativ wirkenden stofflichen und physikalischen Veränderungen.
Dementsprechend bedarf es einer Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, um den Zustand dieser Gewässer wieder zu verbessern. Dazu zählt vor allem, dass entlang der Gewässer wieder das Wachstum von typischer Vegetation und die Entwicklung eines Baumbestands zugelassen werden. Damit die Bäche ihr typisches Strukturinventar ausbilden können, benötigen sie zudem ausreichend Entwicklungsraum, der ihnen durch eigene Flächen wieder zur Verfügung gestellt werden muss.
Zustand
Das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist es, in allen Gewässern und somit auch in allen Gewässertypen einen guten ökologischen und einen guten chemischen Zustand zu erreichen. Die natürliche Form und Struktur der sandigen Tieflandbäche wird oft durch die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung ihrer Einzugsgebiete oft überprägt, so dass viele Bäche als „erheblich verändert“ eingestuft werden.
Nur 30 % der sandigen Tieflandbäche werden daher noch als „natürlich“ bezeichnet. Denn dieser Gewässertyp unterliegt auch im Vergleich mit anderen Gewässertypen einer äußerst intensiven Nutzung. Nach derzeitiger Kenntnis ist für diese intensiv genutzten und erheblich veränderten Gewässer der gute Zustand nicht mehr erreichbar. Das Ziel ist daher das „gute ökologische Potenzial“, das heißt der bestmögliche Zustand unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzung. Derzeit sind 1 % der sandigen Tieflandbäche im guten ökologischen Potenzial.
Von den wenigen, verblieben natürlichen Abschnitten weisen 7 % einen guten Zustand auf. Insgesamt betrachtet sind 3 % der sandigen Tieflandbäche in einem guten Zustand.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
Umweltbundesamt
Kontakt
Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-RoßlauBitte richten Sie Ihre Anfragen ausschließlich über das Kontaktformular "UBA fragen" an uns.Derzeit besteht leider keine telefonische Erreichbarkeit.Bei der Beantwortung von Anfragen kann es zu Verzögerungen kommen. Wir bitten um Verständnis.