Die aktuell geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid sind vor mehr als 20 Jahren festgelegt worden und entsprechen nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung. Die EU-Kommission schlägt daher in ihrem Entwurf für eine neue Luftqualitätsrichtlinie schärfere Grenzwerte vor, die sich stärker an den 2021 veröffentlichten Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Der Entwurf wurde im Rahmen der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat diskutiert. Am 20. Februar 2024 wurde eine Einigung von den Verhandlungsführenden des Europäischen Parlaments und der Ratspräsidentschaft erzielt. Sie einigten sich auf einen Gesetzestext und neue Grenz- und Richtwerte. Dieser ausgehandelte Text muss noch offiziell vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat angenommen werden, um EU-Recht zu werden.
Das UBA begrüßt die strengeren Grenzwerte für Luftschadstoffe zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Diese ab 2030 einzuhaltenden Grenzwerte orientieren sich an den WHO-Richtwerten, die im Jahr 2021 auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Teil grundlegend aktualisiert wurden (siehe Tabelle). Jedoch gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen den neuen politisch ausgehandelten Grenzwerten und den Richtwerten der WHO insbesondere für die Luftschadstoffe Feinstaub (PM10 und PM2,5) und Stickstoffdioxid. Die strengeren Grenzwerte sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu dem Null-Schadstoff-Ziel in der EU, d. h. eine schadstofffreie europäische Umwelt bis 2050 zu schaffen und ein zentraler Meilenstein auf diesem Weg mit dem Ziel der Einhaltung der WHO-Richtwerte. Jedoch wurde in dem jetzt beschlossenen Gesetzestext das Ziel der Erreichung der WHO Richtwerte nicht mehr mit einer Frist hinterlegt, wie es das Europäische Parlament vorgeschlagen hatte (Einhaltung 2035).
Luftverschmutzung ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft das größte Umweltrisiko für die Gesundheit in Deutschland und ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von chronischen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, bestimmte Krebserkrankungen und Typ 2-Diabetes. In Europa sind alle Menschen Luftschadstoffen unterschiedlicher Konzentrationen ausgesetzt. Der größte Teil der Bevölkerung atmet Luft, die Feinstaubkonzentrationen oberhalb der WHO-Richtwerte aufweist. Insbesondere vulnerable und daher besonders schutzbedürftige sowie ökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind überdurchschnittlich stark von den gesundheitlichen Risiken der Luftverschmutzung betroffen.
Verschmutzte Luft schadet zudem der Umwelt und führt zu Versauerung, Eutrophierung und Schädigung von Wäldern, Ökosystemen und Nutzpflanzen.
Die von der WHO veröffentlichten Richtwerte basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und verfolgen das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Politisch vereinbarte Grenz- und Zielwerte sind im Unterschied dazu gesetzlich festgelegte Werte, die (im Fall von Grenzwerten) ab einem bestimmten Zeitpunkt verbindlich einzuhalten sind. In ihre Festlegung fließen neben Überlegungen zur Erreichbarkeit der Einhaltung auch Betrachtungen ein, bei denen der Nutzen von Minderungsmaßnahmen den monetären Kosten (verbunden evtl. auch mit gesellschaftlichen Folgen) gegenübergestellt wird. Der Gesetzestext enthält jedoch einen Passus zur regelmäßigen Überprüfung der Grenzwerte basierend auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dies bewerten wir als eine wertvolle Ergänzung.
Wir erkennen die Schwierigkeiten und die Herausforderungen, die in der EU-weiten Einhaltung der vorgeschlagenen Grenzwerte und der Umsetzung der weiteren Änderungen (wie z. B. eine Erweiterung der Luftreinhalteplanung, verstärkte Nutzung von Modellverfahren und Verwendung eines Luftqualitätsindex zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit) liegen. Das UBA weist darauf hin, dass zur Einhaltung der Vorgaben der neuen Richtlinie auch in Deutschland zusätzliche Maßnahmen in der Luftreinhaltung und Luftqualitätsüberwachung erforderlich sein werden, die über die gegenwärtigen technischen und regulativen Anforderungen der bisherigen Gesetzgebung hinausgehen. Aus Sicht des Gesundheitsschutzes ist anzustreben, die Luftschadstoffbelastung noch weiter zu reduzieren, um die WHO-Richtwerte so bald wie möglich einzuhalten.