Umweltaspekte bei der Verschreibung von Arzneimitteln

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Patientenaufklärung

Mit einer umweltbewussten Verschreibungspraxis von Arzneimitteln können Medizinerinnen*Mediziner zum Umweltschutz beitragen.

Quelle: sebra / Adobe Stock

Durch die Integration umweltorientierter Ansätze in die ärztliche Verschreibungspraxis können Medizinerinnen*Mediziner aktiv dazu beitragen, den Eintrag von Arzneistoffen in die Umwelt zu verringern und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten.

Inhaltsverzeichnis

Auch in der ärztlichen Praxis spielt das Bewusstsein für Umweltauswirkungen eine immer bedeutendere Rolle. Ein wichtiges Handlungsfeld besteht in der Vermeidung des Eintrags von Arzneistoffen in die Umwelt, denn deren Rückstände werden in zunehmendem Maße in allen Umweltmedien, besonders in Gewässern, nachgewiesen und haben dort unerwünschte Effekte auf ⁠Flora⁠ und ⁠Fauna⁠.

Mehr Infos:
Eintrag und Vorkommen von Humanarzneistoffen in der Umwelt,

Umweltwirkungen von Arzneistoffen,

Umweltaspekte bei der Zulassung von Humanarzneistoffen

Die Medizinerschaft kann einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten, indem sie neben der therapeutischen Wirksamkeit auch die Umweltauswirkungen von Therapien berücksichtigt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Umweltaspekte in die ärztliche Praxis zu integrieren - selbstverständlich ohne die Gesundheit der Patienten*Patientinnen zu gefährden oder die ärztliche Therapiefreiheit einzuschränken.

Liste mit Anregungen zur Vermeidung des Eintrags von Arzneistoffen in die Umwelt.
Umwelt-Checkliste bei Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln

Wie kann ich als Medizinerin*Mediziner oder Apothekerin*Apotheker dazu beitragen, den Eintrag von Arzneistoffen in die Umwelt zu verringern?

Quelle: Ecologic Institut 2024 / Umweltbundesamt
 

Gesundheitsvorsorge zur Vermeidung medikamentöser Behandlungen

Ein Ansatzpunkt liegt in der Vorsorge und in der Stärkung aller Körpersysteme wie beispielweise des Herz-Kreislauf- und des Immunsystems. Hierbei geht es vor allem um präventive Maßnahmen wie Impfungen, Bewegung auf Rezept, Gesundheitsapps, Einladung zu Vorsorgeuntersuchungen und Ernährungsberatung. Es ist wichtig, Patienten*Patientinnen zu informieren, dass die Stärkung des Immunsystems nicht als alleinige Lösung zur Vermeidung von Erkrankungen angesehen werden darf. Diese Maßnahmen dienen vielmehr dazu, die Gesamtgesundheit zu fördern und können als unterstützende Maßnahmen in einem ganzheitlichen Behandlungsansatz betrachtet werden.

Zudem ist es sinnvoll, nicht-medikamentöse Behandlungen in Erwägung zu ziehen, sofern dies möglich und angemessen ist. Die Bewertung der Notwendigkeit von Medikamenten ist ein weiterer wichtiger Punkt. Es lohnt sich zu überlegen, ob der Bezug und die Anwendung eines Arzneimittels zurückgestellt werden können, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen oder Hausmittel ohne Nachteile genauso effektiv sein könnten. Beispielsweise kann bei leichten Fällen von Schlafstörungen die Empfehlung von Schlafhygienepraktiken wie regelmäßigen Schlafzeiten und Stressabbau vor der Verschreibung von Schlafmitteln in Betracht gezogen werden. Bei leichten Schmerzen kann eine regelmäßige Physiotherapie oder Akupunktur als Alternative zu Schmerzmitteln erwogen werden. Die Entscheidung über die Verordnung von Medikamenten sollte stets auf der bestmöglichen Versorgung des Patienten*der Patientin basieren.

 

Umweltfreundliche Verschreibungspraxis von Humanarzneimitteln

Ein gründliches Vorgehen bei der medizinischen Diagnostik und Behandlung ist entscheidend, um Über- und Fehlverschreibungen zu vermeiden, die die Umwelt unnötig belasten. Durch eine detaillierte Anamnese und kontinuierliche Beobachtung des Behandlungsverlaufs können Medikamentenmengen und Dosierungen optimiert werden, zum Beispiel durch die Überwachung von Laborergebnissen und Symptomen. Die gezielte Überprüfung von Medikationen auf verzichtbare Arzneimittel ist ein weiterer Schritt, um die Menge und Anzahl der verschriebenen Medikamente zu reduzieren. Ärztinnen*Ärzte könnten beispielsweise bei älteren Patienten*Patientinnen eine Überprüfung der Medikation durchführen oder eine Medikationsanalyse in der Apotheke beauftragen, um die Anzahl der Medikamente zu minimieren und so auch potenzielle Neben- und Wechselwirkungen zu reduzieren. Dieser Prozess des "Deprescribing" sollte jedoch sorgfältig und unter Berücksichtigung des Wohlergehens des Patienten*der Patientin erfolgen.

Darüber hinaus bietet die Verschreibung alternativer Applikationsformen eine Möglichkeit, die Menge an Wirkstoffen, die in die Umwelt gelangen, zu verringern. Bei der Behandlung zum Beispiel von Muskel- oder Gelenkschmerzen können eventuell transdermale Pflaster anstelle von Schmerzsalben verschrieben werden. Parenterale Applikationsformen wie Spritzen und Infusionen bieten in der Regel das beste Verhältnis von Dosierung, weniger Nebenwirkungen und Umwelteintrag. Diese sind jedoch oft nicht selbst anwendbar und in der Verwendung unbeliebt. Zudem sind viele Wirkstoffe nicht in parenteralen Applikationsformen verfügbar.

Des Weiteren kann die Verschreibung kleiner Packungsgrößen dazu beitragen, die Menge an Arzneimittelresten zu verringern. Es ist wichtig, die Patienten*Patientinnen über die empfohlene Anwendung, Dosierung und Behandlungsdauer aufzuklären und sie über die umweltgerechte Entsorgung etwaiger Arzneimittelreste zu informieren.

Mehr Infos:
Umweltbewusste Entsorgung von Medikamentenresten

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Umweltrelevanz der Arzneiwirkstoffe beachten

Die Verwendung von Wirkstoffen, die besser in Kläranlagen und in der Umwelt abgebaut werden können oder eine geringere Umwelttoxizität aufweisen, ist ein weiterer Ansatzpunkt. Aus Umweltsicht wäre es wünschenswert, wenn Ärztinnen*Ärzte bei der Verschreibung, wenn möglich, umweltschonendere Alternativpräparate bevorzugen würden. Dabei könnte ein öffentlich zugängliches Umweltinformations- und Klassifikationssystem für Arzneimittelwirkstoffe hilfreich sein. In Schweden gibt es dafür die „Kloka Listan“ (Schwedisch) und das Portal Janusinfo (Englisch). Das ist eine Datenbank, die Ärztinnen*Ärzten hilft, umweltfreundlichere Wirkstoffalternativen zu erkennen und nach Informationen zu Auswirkungen von spezifischen Arzneistoffen auf die Umwelt zu recherchieren. Für Deutschland gibt es eine solche Datenbank bisher nicht. In den Fachinformationen der Präparate, über die Einsicht mit der jeweiligen Praxissoftware besteht, finden sich aber in den Abschnitten 5.3 (Präklinische Daten zur Sicherheit) und 6.6 (Entsorgungshinweis) Hinweise, wenn ein Arzneistoff im Rahmen der Umweltrisikobewertung als umweltschädlich eingestuft wurde.
Der Austausch im medizinischen und pharmazeutischen Kollegenkreis über die Umweltrelevanz der verschriebenen Wirkstoffe, Applikationsformen und Packungsgrößen ist darüber hinaus eine weitere wichtige Maßnahme, um Arzneimittel bewusster zu verordnen. Durch Diskurs und Wissensaustausch können Ärzte- und Apothekerschaft voneinander profitieren und die Berücksichtigung von Umweltaspekten bei Verschreibung und Abgabe von Medikamenten verbessern.

Mehr Infos:
Umweltaspekte bei der Abgabe von Arzneimitteln und Umweltrisikobewertung

Die Tabelle gibt Auskunft über die Toxizität verschiedener Wirkstoffe aus den Wirkstoffgruppen Analgetika, Antibiotika, Antidepressiva, Antiepileptika, Antiparasitika, Glukokortikoide und Steroidhormone.
Toxizität von Arzneimittelwirkstoffen auf Wasserorganismen

Die Toxizität von Wirkstoffen einer Wirkstoffgruppe variiert.

Quelle: Umweltbundesamt 2024 toxizitaet-arzneistoffe-wasserorganismen-lange-tabelle-uba2024.pdf
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