IG-R-2: Exposition des deutschen Außenhandels gegenüber dem Klimawandel

Das Bild zeigt einen großen Containerhafen bei tiefstehender Sonne. Im Vordergrund ist ein beladenes Containerschiff sowie einige Verladekräne zu sehen. Im Hintergrund liegt ein weiteres Containerschiff im Hafen angedockt. zum Vergrößern anklicken
Klimarisiken können globale Liefer- und Wertschöpfungsketten beeinträchtigen.
Quelle: m.mphoto / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

IG-R-2: Exposition des deutschen Außenhandels gegenüber dem globalen Klimawandel

Rund ein Drittel der 35 wichtigsten internationalen Handelspartner außerhalb der EU zählt zu Ländern mit einem besonderen ⁠Klimarisiko⁠. Der Anteil der Exporte in Länder mit einem besonderen Klimarisiko an den Exporten insgesamt nahm seit 2014 signifikant ab, für die anderen Zeitreihen lässt sich bislang kein Trend ermitteln. Unter den 10 wichtigsten Außenhandelspartnern in Europa sind keine Länder mit besonderem Klimarisiko.

"Bei der Abbildung IG-R-2 ""Exposition des deutschen Außenhandels gegenüber dem globalen Klimawandel"" handelt es sich um eine zweiachsige Grafik. Sie stellt für die Jahre von 2008 bis 2020 das Außenhandelsvolumen mit Ländern mit besonderem Klimarisiko dar. Aufgrund einer Änderung der Bewertungsmethode des ND-Gain-Index ist die Zeitreihe zwischen 2013 und 2014 unterbrochen. Gestapelte Säulen zeigen das Außenhandelsvolumen aufgeteilt in Importe und Exporte.
IG-R-2: Exposition des deutschen Außenhandels gegenüber dem globalen Klimawandel
Quelle: StBA (Aus- und Einfuhr (Außenhandel))/ University of Notre Dame (ND-GAIN-Index)

Klimarisiken für den Außenhandel Deutschlands

Deutschlands Wirtschaft ist in starkem Maße mit anderen Ländern verflochten. Im Jahr 2021 exportierten Unternehmen aus Deutschland Waren und Dienstleistungen im Wert von 1.379 Mrd. Euro, die Einfuhren beliefen sich auf 1.204 Mrd. Euro. Rund 30 % des Bruttoinlandsprodukts werden durch die Auslandsnachfrage induziert, rund ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland ist für den Export tätig. Deutschland hat also einerseits in großem Umfang internationale Märkte für seine Produkte erschlossen, andererseits bezieht es Rohstoffe, Vor- und Endprodukte in großem Umfang aus anderen Ländern. Die starke Exportorientierung ist seit vielen Jahrzehnten ein Erfolgsmodell für die deutsche Wirtschaft. Neben geopolitischen Risiken beispielsweise durch kriegerische Auseinandersetzungen oder völkerrechtliche Konflikte bergen die Auswirkungen des globalen Klimawandels darum besondere Risiken für die deutsche Wirtschaft.
Der ⁠Klimawandel⁠ ist ein globales Phänomen. Weltweit treten Extremwetterereignisse und ihre Folgen häufiger und mit höherer Intensität auf. Sie betreffen ebenso wie die graduellen klimatischen Veränderungen alle Länder, unabhängig von politischen Grenzen. Für die globalisierte Wirtschaft mit ihren weitreichenden internationalen Verflechtungen können daraus sowohl direkte Betroffenheiten, beispielsweise an eigenen Standorten, als auch indirekte Betroffenheiten entstehen, zum Beispiel wenn Lieferketten oder Absatzwege beeinträchtigt oder ganze Absatzmärkte dauerhaft geschwächt werden. Dies gilt umso mehr, je enger verflochten die Handelsbeziehungen sind – insbesondere, wenn es sich bei den Handelspartnern um Länder mit einem besonderen ⁠Klimarisiko⁠ handelt. Für Deutschland zeigten szenarienbasierte Analysen, dass Klimawandelfolgen, die außerhalb Europas entstehen, über den Welthandel deutlich stärker auf Deutschlands Volkswirtschaft wirken als Klimawandelfolgen innerhalb Europas. Zudem zeigte sich, dass die Importe im Vergleich zu den Exporten stärkere Risiken aufweisen.188 188

Der ⁠Indikator⁠ geht der Fragen nach, welches konkrete Handelsvolumen und welche prozentualen Anteile an den Aus- und Einfuhren von und nach Deutschland aus dem Handel mit Partnerländern stammen, die einem besonderen Klimarisiko ausgesetzt sind. Für die Beurteilung des Klimarisikos der einzelnen Länder wird der ND-GAIN-Index herangezogen, den die Global ⁠Adaptation⁠ Initiative an der University of Notre Dame (USA) ermittelt. Der Index wird Indikatoren-basiert bestimmt und umfasst die ⁠Vulnerabilität⁠ der Länder gegenüber dem Klimawandel und anderen globalen Herausforderungen sowie deren Bereitschaft, den Folgen durch Investitionen zu begegnen und die eigene ⁠Resilienz⁠ zu erhöhen. Ein besonderes Klimarisiko wird Ländern zugeschrieben, die nicht zu den ersten 75 Ländern nach dem ND-GAIN-Index zählen. Europäische Länder verfügen über vergleichsweise starke Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen, entsprechend wird den EU-Staaten in der Regel kein besonderes Klimarisiko attestiert. Zur Berücksichtigung der Relevanz der Länder für den Handel mit Deutschland fließen die Daten zu den Aus- und Einfuhren aus der Außenhandelsstatistik des ⁠StBA⁠ in den Indikator ein. Berücksichtigt werden die 10 wichtigsten Handelspartner innerhalb der EU mit einem Anteil am Außenhandelsvolumen Deutschlands mit EU-Staaten von rund 84 % sowie die 35 wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU mit einem Anteil am Außenhandelsvolumen Deutschlands mit Nicht-EU-Staaten von circa 96 %. Aus- und Einfuhren werden jeweils separat und bezogen auf die einzelnen Jahr berücksichtigt. Anhand dieser zusammengeführten Informationen lässt sich beobachten, wie sich, bezogen auf die wichtigsten Handelspartner, die ⁠Exposition⁠ der Aus- und Einfuhren Deutschlands gegenüber dem Einfluss des Klimawandels entwickelt.

Die Ergebnisse zeigen, dass von den 10 wichtigsten Handelspartnern innerhalb der EU kein Land einen niedrigen ND-GAIN-Index aufweist. Hingegen zählt rund ein Drittel der 35 wichtigsten internationalen Handelspartner außerhalb der EU zu den Ländern mit einem besonderen Klimarisiko, etwa Indien oder Südafrika. Insgesamt sind darunter mehr Länder, die Waren nach Deutschland liefern, als Länder, die Waren aus Deutschland einführen. Aufgrund einer methodischen Änderung bei einem Teil-Indikator des ND-Gain-Index ab dem Jahr 2014 lässt sich die zeitliche Entwicklung des Indikators nur eingeschränkt bewerten. Die Änderung führte zu einer höheren Risikobewertung von drei wichtigen Außenhandelspartnern Deutschlands, nämlich Brasilien, Mexiko und Indonesien. In der Folge wurde einem größeren Teil des Außenhandels ein höheres Klimarisiko zugeschrieben; dies ist die Ursache für den Sprung in der Zeitreihe im Jahr 2014. Bezogen auf den kurzen Zeitraum seit 2014 zeigt sich, dass der Anteil der Exporte in Länder mit einem besonderen Klimarisiko an den Exporten insgesamt signifikant abnahm. Für die anderen Zeitreihen lässt sich für den betrachteten Zeitraum kein Trend feststellen. Der Rückgang zwischen den Jahren 2019 und 2022 ist auf einen Rückgang im Außenhandelsvolumen im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückzuführen.
Zudem ist bei der Interpretation des Indikators zu beachten, dass dieser lediglich eine theoretische potenzielle Exposition gegenüber Klimawandelfolgen darstellt. Der Indikator liefert keine Aussage, in welchem Umfang Importe aus oder Exporte in Länder mit einem besonderen Klimarisiko tatsächlich von Klimawandelfolgen betroffen waren oder sind. Zudem kann mit dem Indikator nicht beurteilt werden, ob Ein- oder Ausfuhren aus besonders vulnerablen Regionen innerhalb der berücksichtigten Länder stammen beziehungsweise dorthin ausgeliefert werden sollen. Mit dem Indikator werden Länder ungeachtet regional unterschiedlicher Klimarisiken nur in ihrer Gesamtheit betrachtet. Außerdem: Auch Ein- und Ausfuhren in Länder, deren Klimarisiken nicht erhöht sind, können von Klimawandelfolgen betroffen sein – vor Ort oder auf den Lieferwegen der jeweiligen Produkte.
Ungeachtet dessen kann ein zunehmendes Volumen der potenziell betroffenen Warenströme als Indiz für einen höheren Bedarf gesehen werden, grenzüberschreitende Risiken des Klimawandels gezielt in den Blick zu nehmen und entsprechende Maßnahmen zu planen – beispielsweise eine stärkere Differenzierung von Handelsbeziehungen auf Unternehmensebene189 oder, auf politischer Ebene, Finanzierungshilfen für risikomindernde Maßnahmen an Länder, die durch den Klimawandel besonders gefährdet und für den Außenhandel Deutschlands relevant sind190. Für Deutschland bestehen aber auch Exportchancen, wenn es Güter in besonders klimawandelexponierte Länder liefern kann, die dort für die ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ eingesetzt werden.

188 - Peter M., Guyer M., Füssler J. 2020: Impact CHAIN: Folgen des globalen Klimawandels für Deutschland. Abschlussbericht: Analysen und Politikempfehlungen. Umweltbundesamt (Hg.). Climate Change 15/2020, Dessau-Roßlau, 111 S. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/2020-05-06_cc_15-2020_impactchain.pdf

188 - Die Bundesregierung (Hg.) 2020: Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen ⁠Anpassungsstrategie⁠ an den Klimawandel. 61 S. und Anhänge. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimawandel_das_2_fortschrittsbericht_bf.pdf

189 - Peter M., Guyer M., Füssler J. 2020: Impact CHAIN: Folgen des globalen Klimawandels für Deutschland. Abschlussbericht: Analysen und Politikempfehlungen. Umweltbundesamt (Hg.). Climate Change 15/2020, Dessau-Roßlau, 111 S. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/2020-05-06_cc_15-2020_impactchain.pdf

190 - Die Bundesregierung (Hg.) 2015: Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. 275 S. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimawandel_das_fortschrittsbericht_bf.pdf

Teilen:
Artikel:
Drucken
Schlagworte:
 Anpassung an den Klimawandel  KomPass  Monitoringbericht  Außenhandel  klimarisiken