DAS-Handlungsfeld Verkehr, Verkehrsinfrastruktur

Das Bild zeigt eine durch eine Senke führende überflutete Straße. Im Vordergrund ist sie mit einer Straßensperre abgesperrt. An der Sperre hängt ein Schild mit der Aufschrift "Hochwasser". Rechts und links der Straße sind überflutete Wiesen zu erkennen.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Verkehr
Quelle: Carola Vahldiek / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Eine moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft wie die deutsche ist eine in hohem Maße mobile Gesellschaft. Die meisten Menschen sind täglich unterwegs, sie pendeln zu ihren Arbeitsstätten, gehen oder fahren zu ihren Schulen oder Ausbildungsstätten und legen in ihrer Freizeit und beim Einkaufen mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln mehr oder weniger lange Wege zurück. Das Funktionieren der modernen Wirtschaft hängt von einem zuverlässigen Gütertransport ab, also dem Transport von Energieträgern und Rohstoffen, von Betriebsmitteln und Vorprodukten, von der Auslieferung der produzierten Güter zu den Verkaufsstellen oder direkt zu den Endkunden.
Sowohl die Verkehrsinfrastrukturen als auch die Verkehrsmittel sind ⁠Wetter⁠ und ⁠Witterung⁠ in aller Regel unmittelbar ausgesetzt. Extreme Wetter- und Witterungsbedingungen gehen sehr oft mit Störungen der Mobilität einher und können mitunter Leib und Leben der Verkehrsteilnehmenden gefährden. Im harmloseren Fall äußern sich Störungen in einer Verlangsamung und Verspätung des Verkehrs. In Ausnahmefällen können Verkehrsverbindungen infolge von Schäden an der Infrastruktur aber auch über längere Zeiträume bis hin zu Wochen oder Monaten beeinträchtigt sein oder vollständig ausfallen. Solche Einschränkungen der Mobilität von Gütern und Personen können verschiedene wirtschaftliche Folgewirkungen wie höhere Kosten und Verluste für Unternehmen, Liefer- und Versorgungsengpässe oder steigende Preise beispielsweise für Kraftstoffe und Energie nach sich ziehen.

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

In den vergangenen Jahren haben ⁠Wetter⁠- und Witterungsextreme immer wieder größere Störungen des Güter- und Personenverkehrs verursacht. Diese Ereignisse werden zunehmend mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen in Verbindung gebracht und zeigen, dass Klimawandelfolgen sowohl die Verkehrsträger Straße und Schiene, die Binnen- und Seeschifffahrt als auch den Flugverkehr betreffen.
Für den Gütertransport in der Binnenschifffahrt spielt der Rhein in Deutschland mit seinen Nebenflüssen eine herausragende Rolle: Über 75 % der Güterbeförderung der Binnenschifffahrt finden im Rheingebiet statt. Hochwasser beeinträchtigen die Binnenschifffahrt, wenn sie den Höchsten Schifffahrtswasserstand (HSW) überschreiten und der jeweilige Rheinabschnitt für die Schifffahrt vollständig gesperrt ist (siehe ⁠IndikatorVE-I-1). Auf dem Oberrhein summierten sich die Sperrungen im Jahr 2021 auf eine Dauer von 18 Tagen; der höchste Wert seit 1999. Am Nieder- und Mittelrhein werden nur in Ausnahmefällen mehr als 5 Tage erreicht. Deutlich länger können Einschränkungen durch Niedrigwasser dauern (siehe Indikator VE-I-2). Anders als bei Hochwassersperrungen ist die Binnenschifffahrt bei Niedrigwasser in der Regel noch möglich, ihre Wirtschaftlichkeit hängt dann aber von der zulässigen Abladetiefe des jeweiligen Schiffs ab. Im besonders heißen und trockenen Jahr 2018 wurde auf den deutschen Rheinabschnitten die bisher höchste Anzahl an Niedrigwassereinschränkungen verzeichnet. Der Gütertransport per Binnenschiff auf dem Oberrhein war an 80 Tagen, am Mittel- und Niederrhein sogar an deutlich über 100 Tagen nur eingeschränkt möglich. Am Niederrhein nehmen die Niedrigwassereinschränkungen seit 1997 signifikant zu.
Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs und Schäden an Straßenverkehrsinfrastrukturen entstanden in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem durch Orkane sowie durch Überschwemmungen infolge von ⁠Starkregen⁠ und Hochwasser. Unwetterartige Starkregen betreffen in Deutschland jedes Jahr zwischen 5 bis über 30 % der Bundesfernstraßen (siehe Indikator VE-I-3). Solche Starkregen waren unter anderem auch an der Entstehung der Hochwasserkatastrophen im Jahr 2021 beteiligt. In weniger extremer Form beeinträchtigen sie die Straßen- und Sichtverhältnisse, wodurch sich die Unfallgefahr erhöht. Die Bedeutung von Glätte durch Regen als mitverursachender Faktor von Unfällen ging in den vergangenen 25 Jahren aber signifikant zurück (siehe Indikator VE-I-4). Für den Straßenbetriebsdienst bedeuteten die Folgen der Orkane Kyrill (2007) und Xynthia (2010) bislang die höchsten Arbeitsaufwände. Aber auch in anderen Jahren, zuletzt vor allem 2018 und 2021, sorgten Unwetter mit Sturm, Hagel und Starkregen für hohe Belastungen.
Für den Verkehrsträger Schiene sind solche Unwetter ebenfalls relevante Faktoren, die zu Beeinträchtigungen des Verkehrsablaufs oder zu Schäden an den Infrastrukturen führen können. Relevant sind außerdem Winterstürme mit starkem Schneefall und Schneeverwehungen oder Überschwemmungen infolge von Hochwasser und Starkregen. In Jahren mit hohen Hitzebelastungen spielen auch Beeinträchtigungen durch Störungen von technischen Komponenten an Stellwerken und Weichen, aber auch an Fahrzeugen eine Rolle. Hinzu kommen Vegetationsbrände an Böschungen, die ebenfalls zu Einschränkungen führen (siehe Indikator VE-I-6).

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 erwartet für das ⁠DAS⁠-Handlungsfeld „Verkehr, Verkehrsinfrastruktur“ für die Schiffbarkeit der Binnenschifffahrtsstraßen bereits bis zur Mitte des Jahrhunderts ein hohes ⁠Klimarisiko⁠ durch die Niedrigwasserproblematik. Für weitere Klimawirkungen wie Schäden oder Hindernisse bei Straßen und Schienenwegen infolge von Hochwasser oder gravitativen Massenbewegungen wurde bis zur Mitte des Jahrhunderts ein mittleres Klimarisiko ermittelt. Für Schäden an Verkehrsleitsystemen, Oberleitungen und Stromversorgungsanlagen wurde ebenfalls ein mittleres Klimarisiko gesehen. Allerdings ist die Risikoeinschätzung hier mit größeren Unsicherheiten verbunden.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Mit dem ⁠Indikator⁠ zu den wetter- und witterungsbedingten Störungen der Schieneninfrastruktur konnte im Monitoringbericht 2023 neben dem Straßenverkehr und der Binnenschifffahrt erstmals ein dritter Verkehrsträger berücksichtigt werden. Nicht thematisiert ist nach wie vor der Luftverkehr, für den zum Zeitpunkt der Entwicklung der ⁠DAS⁠ verschiedene Analysen ergeben hatten, dass dieser nur bedingt von möglichen Klimaänderungen betroffen sein wird158. Zwischenzeitlich wurde sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene zu möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Luftverkehr intensiver gearbeitet, und es wurden verschiedene relevante Themenfelder identifiziert, die im Rahmen von Wirkstudien mit Beteiligung unter anderem des ⁠DWD⁠ untersucht werden. Die Untersuchungen können künftig gegebenenfalls eine Grundlage für eine Erweiterung des Indikatorensets zum Themenfeld Luftverkehr sein159. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist als weiterer Verkehrssektor bislang nur ansatzweise mit dem Indikator zu den Störungen der Schieneninfrastruktur adressiert. Grund hierfür ist, dass für den ÖPNV bislang zu wenige Informationen und Daten zu möglichen Klimawandelfolgen und notwendigen Anpassungsmaßnahmen vorliegen, um das Thema im Indikatorenset abzubilden.
Wesentliche Auswirkungen des Klimawandels auf den Verkehr sind Schäden an Verkehrsinfrastrukturen, die insbesondere als Folge von extremen ⁠Wetter⁠- und Witterungsereignissen auftreten, sowie daraus resultierende Störungen im Verkehrsablauf und Unfallgefahren. Für den Verkehrsträger Straße erlauben die verfügbaren Daten aus der Unfallstatistik eine Annäherung an diese Themen. Um ein genaueres Bild von den Auswirkungen auf den Verkehrsablauf zeichnen zu können, wären aber Daten zur Häufigkeit und Dauer von Verkehrsbehinderungen oder Stauungen infolge wetterbezogener Ursachen wie ⁠Starkregen⁠ oder Sturm erforderlich. Mit Blick auf das Unfallgeschehen im Straßenverkehr sind vertiefende Informationen über mögliche Auswirkungen sommerlicher Hitze und Hitzeperioden auf das Fahrverhalten und Unfallgeschehen erforderlich, um den diesbezüglichen Indikator weiter zu schärfen. Für den Schienenverkehr liegen Daten zur Störungsursache teilweise nicht im gewünschten Detailgrad vor; zum Beispiel können im Großstörungsfall nicht alle gewünschten Informationen erfasst werden. Für das DAS-⁠Monitoring⁠ ließe sich der Indikator durch die Einbeziehung der Dauer von Störfällen weiter verbessern.
Insgesamt fehlen bislang für alle Verkehrsträger systematisch erfasste und auswertbare Daten, mit denen sich die Folgewirkungen von Wetter- und Witterungsextremen auf die Verkehrsinfrastrukturen quantitativ beschreiben lassen. Sowohl für Straße und Schiene als auch für die Binnenschifffahrt wären ursachenbezogene Informationen hilfreich, die beispielsweise die Kosten für die Behebung von Schäden oder für die Instandhaltung von Verkehrsinfrastrukturen abbilden. Dies gilt auch für Infrastrukturen des Luftverkehrs, soweit dieser zukünftig in das DAS-Monitoring integriert wird. Grundsätzlich wären Daten wünschenswert, die verschiedene Regionen wie Flussniederungen, Küsten oder Mittelgebirge mit ihren jeweiligen Betroffenheiten differenziert darstellen können.
Im Verkehrsbereich lassen sich Anpassungsmaßnahmen bislang nicht anhand von Response-Indikatoren abbilden, obwohl es auch in diesem Handlungsfeld gezielte Anpassungsaktivitäten gibt. Die in Entwicklung oder schon in Umsetzung befindlichen Anpassungsmaßnahmen entziehen sich aber in vielen Fällen einer kontinuierlichen Datenerhebung, auf der eine regelmäßige Darstellung mittels Indikatoren aufgebaut werden kann. Dies gilt für informatorische Maßnahmen wie die Bereitstellung von Datendiensten, Management-Instrumenten oder Leitfäden ebenso wie für regulatorische Maßnahmen, etwa die Anpassung von Regelwerken und Bemessungsgrundlagen. Um ingenieurtechnische Ansätze zur Anpassung erfassen zu können, zum Beispiel die Entschärfung abflussschwacher Bereiche an Straßen oder die flussbauliche Sicherung einer Mindestwassertiefe an Wasserstraßen, wäre die Einführung eines „Anpassungsmarkers“ wünschenswert, mit dem sich die hierfür investierten Mittel der Klimaanpassung zuordnen lassen. Der Aufwand für regelmäßig durchzuführende Maßnahmen des operativen Managements von Verkehrsinfrastrukturen, zum Beispiel für Unterhaltungsbaggerungen an Wasserstraßen oder das Vegetationsmanagement an Bahntrassen, variiert in Abhängigkeit von verschiedenen, unter anderem klimatischen Größen. Viele dieser Maßnahmen werden an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen sein. Um einen sich ändernden Umfang solcher Maßnahmen quantitativ abzubilden, bedarf es einer ausreichend differenzierten Erfassung des Arbeitszeit- beziehungsweise Kostenaufwands. Eine Darstellung von operativen Maßnahmen zur Optimierung von Verkehrsabläufen und zu zeitlichen, räumlichen oder auch intermodalen Verlagerungen von Personen- und Güterverkehren würde eine aufwändige Auswertung von feingranularen Daten zu Verkehrsflüssen erfordern. Hierzu bedarf es weiterer Forschungsarbeiten, um gezielte Hinweise auf geeignete Ansätze für Monitoringindikatoren zu erhalten.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Für das Handlungsfeld „Verkehr, Verkehrsinfrastruktur“ trägt auf Bundesebene das BMDV die Verantwortung. Übergeordnetes Ziel der Klimaanpassung im Verkehrsbereich ist es, die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems angesichts von sich ändernden klimatischen Anforderungen und häufigeren Wetterextremen sicherzustellen, sodass es auch zukünftig den Anforderungen einer mobilen Gesellschaft gerecht wird. Dieses Ziel spiegelt sich im strategischen Rahmen der Ressortforschung des BMDV für die 20. Legislaturperiode wider, der unter dem Motto steht „Mobilität nachhaltig transformieren und die digitale Leistungsfähigkeit vorantreiben“. Forschungsaktivitäten zur Entwicklung einer gegenüber den Folgen des Klimawandels resilienten Infrastruktur, zur Erarbeitung von Anpassungsmaßnahmen, zur Verbesserung von Datenerhebungen und Vorhersagen sowie zur (Weiter-)Entwicklung von Warnmeldesystemen umfasst dieser strategische Rahmen unter anderem in den Schwerpunkten „Fortentwicklung digitaler Anwendungen“ sowie „Resiliente Verkehrs- und Datensysteme & Verkehrssicherheit“.
Seit 2016 werden Forschungstätigkeiten im Kontext der Folgen des Klimawandels auf die Verkehrsinfrastruktur und daraus resultierender Anpassungserfordernisse im Themenfeld 1 „Klimawandelfolgen und Anpassung“ des BMDV-Expertennetzwerks „Wissen – Können – Handeln“ gebündelt. In dem Netzwerk arbeiten sieben Oberbehörden und Ressortforschungseinrichtungen des BMDV gemeinsam an Lösungen für die wesentlichen Herausforderungen und Zukunftsfragen im Bereich Verkehr und Mobilität. Die Beschäftigung des BMDV-Expertennetzwerks mit dem ⁠Klimawandel⁠ als Herausforderung für Verkehr und Verkehrsinfrastruktur ist als Maßnahme in den dritten Aktionsplan Anpassung (⁠APA⁠ III) der Bundesregierung eingebettet. Zu den weiteren Maßnahmen des APA III, die das BMDV-Expertennetzwerk bearbeitet oder unterstützt, gehören unter anderem der ⁠DAS⁠-Basisdienst „Klima und Wasser“, ein operationeller Daten- und Beratungsdienst, die durch den DAS-Basisdienst mit Daten versorgte ⁠Anpassungsstrategie⁠ an die Folgen des Klimawandels für Bundeswasserstraßen und weitere wasserbezogene Infrastrukturen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) sowie der Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“. Maßnahmen für andere Verkehrsträger im APA III sind unter anderem die Ermittlung der ⁠Vulnerabilität⁠ der Schienenverkehrsnetze und eine Evaluierung der Anpassung von Regelwerken der DB Netz AG. Mit Blick auf den Straßenverkehr enthält der APA III die Förderung von Mehrinvestitionen für die Straßenverkehrsinfrastruktur im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung, um die bestehende Straßenverkehrsinfrastruktur robuster gegen potenzielle Schäden durch extreme Wetterereignisse zu machen. Hierzu soll zukünftig ein Prognoseszenario „Extremwetterereignisse 2080“ in die Planung einbezogen werden.
Im Bereich des Schienenverkehrs ist der Bund auch in seiner Rolle als Eigentümer der Deutschen Bahn AG für die Klimaanpassung aktiv. Die Deutsche Bahn AG arbeitet aktuell eine ⁠Klima⁠-⁠Resilienz⁠-Strategie aus. Zu deren Maßnahmen gehören zum Beispiel ein optimiertes Vegetationsmanagement entlang der Gleise und der Einsatz einer robusteren Technik bei Stellwerken oder Energieanlagen.
Weitere Akteure der Klimaanpassung im Verkehrsbereich sind die Bundesländer, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten mit Maßnahmen befasst sind. Diese reichen von der Ermittlung von Klimarisiken für Verkehrswege bis zur Planung und Umsetzung konkreter ingenieurtechnischer Maßnahmen oder Managementmaßnahmen.

 

158 - Deutscher Bundestag (Hg.) 2008: Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 16/11595. Berlin: 26. https://dserver.bundestag.de/btd/16/115/1611595.pdf

159 - ⁠DWD⁠ – Deutscher Wetterdienst (Hg.) o.J.: Klimawandel und Luftverkehr. https://www.dwd.de/DE/fachnutzer/luftfahrt/kufo/ein_kleiner_ausblick/klima_und_luftfahrt.html

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